Fehlende Fachkräfte - 1. Juni 2023

Option Downsizing

Engpässe beim Personal können auch behoben werden, indem man die Anzahl der Kanzleimitarbeiter reduziert. Das ist kein Widerspruch, denn auch hier gilt: Weniger ist manchmal mehr.

Seit 2020 folgt eine Krise auf die andere. Und nun befinden wir uns seit geraumer Zeit auch noch in einer schweren Rezession. Im Gegenzug nehmen die Kosten im Personalbereich stetig zu. So stellt sich die Frage, ob es in diesen Zeiten tatsächlich sinnvoll und auch wirklich notwendig ist, immer mehr Geld auszugeben, um neue Mitarbeiter einzustellen, da es nicht wirklich viele, sehr gute Fachkräfte gibt, die frei oder wechselwillig sind.

Qualität statt Quantität

Wie vermutlich in jeder Steuerberatungskanzlei gab es auch bei mir eine lange Zeit Mitarbeiter, die den zunehmenden Anforderungen in unserem Berufsstand nicht mehr gewachsen waren, sehr häufig krankheitsbedingt ausfielen und dann irgendwann sogar selbst gekündigt haben. Und im Falle einer Kündigung mussten dann die anderen Mitarbeiter in der Kanzlei den Weggang der Kollegin oder des Kollegen kompensieren. So war ich seinerzeit wirklich um jeden neuen Mitarbeiter dankbar, der dann zu mir in die Kanzlei kam und ich habe dann versucht, ihn um jeden Preis zu halten. Heute muss ich konstatieren, dass dieser Ansatz leider falsch war. Im Nachhinein betrachtet, war er sogar ein fataler Fehler. Nicht die Anzahl der Angestellten, die in einer Kanzlei arbeiten, ist entscheidend, sondern vielmehr, ob sie tatsächlich mitarbeiten. Dieser Aspekt ist entscheidend. Daher sollte man sich zeitnah von dem Personal trennen, das der zunehmenden Arbeitsverdichtung nicht gewachsen ist beziehungsweise sich nicht in neue Tools oder Software einarbeiten will oder kann.

Downsizing

Inzwischen habe ich in meiner Kanzlei das Personal um knapp 50 Prozent reduziert – obwohl ich bis vor knapp einem Jahr die Anzahl der Mitarbeiter eher noch erhöhen wollte. Seinerzeit dachte ich, mehr Angestellte würden eine Entlastung bedeuten, vor allem bei längeren Ausfallzeiten von Mitarbeitern oder bei konjunkturell bedingten Arbeitsspitzen. Heute verfolge ich den Ansatz: Weniger ist mehr. Denn es macht nicht nur Spaß, mit den wahren Leistungsträgern der Kanzlei zusammenzuarbeiten, sondern es motiviert auch diese, wenn sie nicht durch andere, leistungsschwache Mitarbeiter gebunden sind, sondern sich auf ihre für die Kanzlei produktive Arbeit konzentrieren können. Damit steht das Ergebnis fest: Downsizing kann das vermeintliche Problem fehlender Fachkräfte zumindest teilweise kompensieren, weil die guten Kräfte in der Kanzlei dann produktiver und leistungsstärker arbeiten.

Hohe Fluktuation

So habe ich mittlerweile das Personal in meiner Kanzlei – über die letzten Jahre hinweg gesehen – nahezu komplett ausgetauscht. Als einen Erfolg bezeichnen möchte ich dies aber nicht. Eher hat mich dieser Umstand ernüchtert. Die Liste ehemaliger Mitarbeiter ist zwar erschreckend lang, was aber nicht daran liegt, dass ich vornehmlich gekündigt hätte. Nicht zuletzt lag dies auch an der Umstellung meiner Kanzlei zu einem rein digital arbeitenden Steuerbüro. Diesen Schritt wollten viele, wenn nicht sogar die meisten meiner ehemaligen Mitarbeiter nicht mitgehen. Die Angestellten, die nun da oder geblieben sind, legen den Fokus – neben fachlichen Dingen – stets auch auf die im Einsatz befindliche Software. Sie begrüßen es, die Arbeitsschritte zu automatisieren und die Tools als neue und zielführende Medien zu erkennen und einzusetzen. Wenn es gelingt, die Mitarbeiter dafür zu begeistern, ist es nicht notwendig, ständig neues Personal einzustellen, das womöglich gar nicht lange bleibt und im Nachgang viel Arbeit liegen lässt.

Fazit und Ausblick

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir uns in diesem sowie im kommenden Jahr noch mit wachsenden Kosten, Inflation und auch steigenden Energiepreisen auseinandersetzen müssen. Daher spricht viel dafür, bei der Kanzleiorganisation weiter auf automatisierte Prozesse und Digitalisierung zu setzen sowie im Personalbereich die Option Downsizing in Erwägung zu ziehen, anstatt den eigenen Kostenapparat immer weiter nach oben zu drehen.

Zum Autor

CD
Christian Deák

Steuerberater in eigener Kanzlei in Oberhausen.

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