Wer mit Bettina Kehren spricht, möchte eigentlich sofort Mandant werden in ihrer Kanzlei, die sie zusammen mit einer Partnerin und 14 Mitarbeiterinnen betreibt. Sie wirkt immer sehr offen, herzlich und zugewandt. Selbst dann noch, wenn sie auf einer langen Autofahrt davon berichtet, wie sie bei der BHS Heiser-Schwarz und Kehren Steuerberater PartGmbB in der Kölner Innenstadt Fachkräfte binden.
Hier könnte die Geschichte auch schon wieder zu Ende erzählt sein. Denn so schwer die deutschen Steuerberatungskanzleien auch vom Fachkräftemangel betroffen sind, so wenig leidet die BHS aktuell unter dem überall grassierenden Personalmangel. Das liegt – so viel sei an dieser Stelle verraten – vor allem an den Fachkräften selbst, die sich in der Kanzlei einfach gut aufgehoben fühlen. So gut, dass sie nach ihrer Ausbildung gerne geblieben sind.
Aber von Anfang an. Die BHS Heiser-Schwarz und Kehren Steuerberater PartGmbB existiert in ihrer derzeitigen Konstellation seit acht Jahren. Die Kanzlei ist eine Partnerschaftsgesellschaft, die aus der Fusion zweier Einzelkanzleien erwachsen ist. Neben den beiden Chefinnen arbeiten dort 14 Mitarbeiterinnen. Ja! Es sind ausschließlich Frauen. Steht dahinter vielleicht ein ausgeklügelter Plan, um den Fachkräftemangel mit einem smarten weiblichen Geschäftssinn zu besiegen? „Nein, das war wirklich reiner Zufall“, betont Bettina Kehren, „wir haben zwischenzeitlich auch mal Männer gehabt. Aber es hat sich einfach in diese Richtung entwickelt.“ Mittlerweile hätten es Männer wohl auch einigermaßen schwer, in dieser gut funktionierenden Frauengemeinschaft einen Fuß auf den Boden zu bekommen. „90 Prozent der Mitarbeiterinnen sind Mütter und Teilzeitkräfte“, meint Bettina Kehren. „Deswegen herrscht ein großes Verständnis für die Lebenssituation der Kolleginnen. Wenn ein Kind krank ist, übt niemand Druck aus, und keine muss ihr Kind krank in die Kita schicken, um arbeiten zu können. So was gibt es bei uns nicht.“
Vertrauen und Eigenverantwortung
In ihrer Kanzlei haben die beiden Chefinnen selbst eine der letzten Männerbastionen geknackt, indem sie eine Frau fanden, die sich ausschließlich um die IT der Kanzlei kümmert. „Sie kam mit einem Mandanten hierher und wechselte zu uns, weil ihr das Betriebsklima so gut gefallen hat“, freut sich Bettina Kehren. „Sie hat schon sehr viel Know-how und macht jetzt noch ihre Fachassistentin für IT.“ Damit seien sie auch in diesem Bereich gut für die Zukunft aufgestellt, was bei einer Kanzlei dieser Größe nicht zu unterschätzen sei. Das gute Betriebsklima und die damit einhergehende Attraktivität der Kölner Kanzlei für alte und neue Fachkräfte erklären sich demnach aber nur zu einem sehr geringen Teil mit der Tatsache, dass sie eine reine Frauenkanzlei ist. Vertrauen, das die beiden Kanzleiinhaberinnen ihrem Personal entgegenbringen, und Eigenverantwortung seien viel wichtigere Faktoren, sagt die Steuerberaterin. „Fast alle Mandantenkontakte werden bei uns über die Mitarbeiterinnen abgebildet.
In manchen Kanzleien geht die ganze Korrespondenz über den Cheftisch. Das finde ich unnötig. Die Mitarbeiterinnen haben schließlich die Kompetenz, die für den alltäglichen Bedarf des Mandanten viel wichtiger ist.“ Natürlich sei auch das Gehalt ein zentraler Faktor zur Mitarbeiterbindung. Deswegen bezahlen sie auch überdurchschnittlich viel und garantieren eine Gehaltserhöhung alle zwei Jahre. Daneben gebe es noch eine ganze Reihe an Addons, die das Arbeitsleben schöner und attraktiver aussehen lassen. Neben einem geschenkten Urlaubstag zum Geburtstag ist das ein großes Sommerfest. Oder sie gehen schick essen, ins Musical, unternehmen außergewöhnliche Dinge, die sich sonst wohl niemand leisten würde. Aber das seien eben Add-ons. „Schön und nice to have, aber sie bestimmen nicht den Berufsalltag“, sagt Bettina Kehren. „Wenn der stimmt, ist es ideal. Ich glaube, dieses hohe Maß an Vertrauen von unserer Seite in die Mitarbeiterinnen und auch andersherum das hohe Verantwortungsbewusstsein von den Mitarbeiterinnen sind das Ausschlaggebende. Darum funktioniert es so gut.“
Fachkräfte binden
Für viele Beschäftigte stimmt der Berufsalltag, wenn er nicht acht Stunden lang ist. Oder die Arbeitswoche keine fünf Tage hat. Viele Kanzleien probieren sich derzeit an verschiedenen Modellen zur Arbeitszeitverkürzung mit und ohne Lohnausgleich oder mit flexiblen Modalitäten. Was halten die beiden Kanzleiinhaberinnen in Köln von einer 40-Stunden-Woche? „Gar nichts“, so Bettina Kehren schnell, „30 Stunden maximal. Ich glaube, die 40-Stunden-Woche ist ein Konzept, das seine beste Zeit hinter sich hat. Die Wertschätzung von freier oder Nicht-Arbeitszeit, von Familienzeit und Zeit, in der man seinen Hobbys oder Engagements nachgehen kann, ist viel wichtiger geworden.
Dies gilt insbesondere für die Generation Z. Es geht darum, einen ausgewogenen Dreiklang zwischen Arbeitszeit, Nicht-Arbeitszeit und Einkommen zu finden.“ Bei der Bezahlung wird nicht einfach runtergerechnet, sondern nach einem Mittelweg gesucht – und die Maßgabe, überproportional hohe Gehälter zu zahlen, gilt auch für Teilzeitmodelle. Auch wenn verschiedene Studien belegen, dass die Produktivität von Teilzeitkräften eher noch steigt im Vergleich mit Vollzeitkräften, wird die Arbeit in den Kanzleien trotzdem nicht weniger, sondern mehr. In der BHS sahen sie dieses Problem auch. Zu den vielen Maßnahmen, die die Partnergesellschaft seit ihrer Gründung ergriffen hat, gehörte deshalb auch, die Mandatsstruktur aufzuräumen. „Wir haben die Mandantschaft abgespeckt von 400 auf 300 Mandantinnen und Mandanten, aber den Umsatz dafür um 20 Prozent nach oben gekurbelt“, sagt Bettina Kehren.
Mandatsstruktur optimieren
Ein wichtiger Aspekt, wenn man bedenkt, dass den Kanzleien nicht viel mehr übrig bleibt, als die Arbeit effektiver zu organisieren. Das läuft zum einen über eine Digitalisierung und Automatisierung der Kanzleiprozesse, um Ressourcen für andere Aufgaben freizusetzen. Dazu hilft es aber auch, die Mandatsstruktur zu optimieren. Sprich: sich von unliebsamen, arbeitsintensiven und unrentablen Mandaten zu verabschieden. Dieser Schritt mag vielen Kanzleien schwerfallen, sinnvoll ist er allemal. Man braucht sich nur vor Augen zu führen, dass oft nur ein kleiner Teil der Mandate rentabel ist und der unrentable Teil der Mandantschaft Kraft, Nerven und Zeit kostet. Wer wüsste besser als das Kanzleipersonal, von welchen Mandaten man sich besser verabschieden sollte? Die meisten Kanzleien binden bei solchen Entscheidungen deshalb ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Auch die BHS geht so vor: „Wir haben einen kleinen Korb im Sekretariat aufgestellt. Jede Mitarbeiterin durfte dann auf einen Zettel den Namen eines Mandanten schreiben, den sie nicht mehr betreuen möchte. Und das haben wir dann auch umgesetzt.“
Ausbildung modernisieren
Neben unrentablen Mandaten, die die Mitarbeiterinnen unnötig binden, stellt die modernisierungsbedürftige Ausbildung Es geht darum, einen ausgewogenen Dreiklang zwischen Arbeitszeit, Nicht-Arbeitszeit und Einkommen zu finden. Kanzleimanagement Personalgewinnung 09 / 23 zu Steuerfachangestellten ein Problem dar, an neue Fachkräfte zu kommen. Auch Bettina Kehren findet, dass die Ausbildung mehr digitale Technik enthalten sollte. Und es tut sich was: Am 1. August 2023 treten deutschlandweit die Rechtsgrundlagen für eine neue Ausbildungsordnung sowie der neue Rahmenlehrplan zur Ausbildung von Steuerfachangestellten in Kraft. Damit ist eine wichtige Grundlage geschaffen, das Berufsbild der Steuerfachangestellten attraktiv und zukunftssicher zu machen.
Die DATEV-Bildungspartnerschaft beobachtet die anstehende Lehrplanänderung schon lange, um geeignete Maßnahmen beziehungsweise Lehrmedien für den künftigen DATEV-Unterricht an Berufsschulen zu entwickeln. Wo könnte die Genossenschaft dem Berufsstand außerdem unter die Arme greifen? Eine Frage, auf die Bettina Kehren ebenfalls eine schnelle Antwort parat hat: „Ich bin ein riesiger DATEV-Fan und finde, schon allein mit DATEV-Programmen zu arbeiten, ist ein großer Vorteil. Das fühlt sich an wie Porsche fahren. Deswegen kann ich auch mit einem guten Gefühl sagen, dass wir ein optimal strukturiertes Büro haben. Das ist die beste Arbeitshilfe, die man kriegen kann.“ Die Genossenschaft steht dem Berufsstand außerdem mit vielen Unterstützungsangeboten zur Seite. Die Kanzleien selbst versuchen, derweil alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Fachkräfte zu binden und zu gewinnen. Ein gutes Betriebsklima ist einer mit großer Wirkung. Eine gute Arbeitsatmosphäre sorgt nicht zuletzt dafür, dass Fachkräfte den aktuellen Arbeitgeber nicht verlassen.