Die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer setzt familiengeführten Betrieben in wirtschaftlicher Hinsicht zuweilen mächtig zu. Dieser negative Effekt kann infolge der andauernden Corona-Pandemie sogar existenzgefährdende Ausmaße annehmen.
Seit Beginn der Corona-Pandemie ringen nicht wenige Familienunternehmen um Liquidität, Umsätze und Ertrag. Gerade die Inhaberinnen und Inhaber solcher familiengeführter Betriebe setzen eigene Vermögenswerte ein, um Krisenzeiten zu überbrücken und das Unternehmen am Leben zu erhalten. Sie tun dies, obwohl die Unternehmenswerte in einer derartigen Situation sinken und die Zukunft des Fortbestehens besonders ungewiss ist. Das ist gute Tradition – gerade im deutschen Mittelstand – und sichert das Überleben des Rückgrats der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnten, sogar seit Jahrhunderten. Während die Familienunternehmen also aus eigener Kraft den Übergang von Generation zu Generation gegen wirtschaftliche Einflüsse von außen schützen können, stehen sie in Deutschland durch das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) gerade in Krisenzeiten vor einer zusätzlichen existenziellen Bedrohung, gegen die sie sich selbst nicht wehren können. Häufig ist die Kausalität sogar pervertiert: Je mehr Familienunternehmen mit eigenen finanziellen Mitteln gegen wirtschaftliche Missstände kämpfen, umso stärker werden sie vom ErbStG bedroht.
Steuerrechtlicher Rahmen
Im ErbStG werden nicht nur Voraussetzungen an den Tatbestand der sachlichen Steuerbefreiung für Unternehmensvermögen (Verschonungsabschlag) gestellt (§§ 13a, 13c, 28a ErbStG); es müssen zudem in einer Nachbehaltensfrist – die sich nach Art der Verschonung (Regel- oder Optionsverschonung) unterscheidet – Behaltensbedingungen eingehalten werden. Bei Verstoß gegen diese Behaltensbedingungen entfällt die einmal bei einer Schenkung oder im Erbfall gewährte Verschonung anteilig und rückwirkend. Im Krisenfall und bei Selbstrettungsmaßnahmen der Familienunternehmer drohen derartige Verstöße.
Fallbeispiel
Ein derartiger Verstoß gegen Behaltensbedingungen soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden. E hat von seinem Großvater im Dezember 2019 ein Einzelunternehmen geschenkt bekommen. Das Verwaltungsvermögen im Sinne des ErbStG beträgt 25 Prozent. Im vierten Jahr nach der Übertragung veräußert E das Einzelunternehmen. Dem E steht ein Verschonungsabschlag in Höhe von 85 Prozent zu. 15 Prozent des begünstigten Vermögens und das Verwaltungsvermögen sind zu versteuern. Mit der Veräußerung des Einzelunternehmens hat E gegen die Behaltensregelungen des § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 ErbStG verstoßen, was rückwirkend zur Nachversteuerung führt. Da der Verstoß im vierten Jahr nach der Übertragung erfolgt, fällt der Verschonungsabschlag zu 20 Prozent weg beziehungsweise bleibt nur zu 80 Prozent erhalten. Statt einer Verschonung von 85 Prozent wird nur noch eine Verschonung von 68 Prozent gewährt. 32 Prozent des begünstigten Vermögens und das Verwaltungsvermögen sind zu versteuern.
Selbstrettungsmaßnahmen
Bei den Selbstrettungsmaßnahmen, die steuerlich problematisch sein können, sind zwei Szenarien zu unterscheiden. Zum einen die Auswirkungen typischer familienunternehmerischer Selbstrettungsmaßnahmen auf bereits vollzogene Übertragungen (Schenkungen und Erbfälle), die in die vorangehend dargestellte fünf- oder siebenjährige Nachbehaltensfrist der §§ 13a, 13c, 28a des ErbStG fallen. Zum anderen die Erschwernisse für notwendige oder ungeplante lebzeitige oder todesfallbedingte Übertragungen in der Krisenzeit. Nachfolgend soll daher den benannten Wechselwirkungen typischer Selbstrettungsmaßnahmen von Familienunternehmern mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf den Grund gegangen werden. Es ist für den steuerlichen Berater wichtig, diese Wechselwirkungen zu kennen und die Nachbehaltensfrist zu überwachen, um auch bei kurzfristig zu entscheidenden Rettungsmaßnahmen die Abwägung mit den weiteren (steuerlichen) Konsequenzen der Entscheidung zu ermöglichen.
Pandemiebedingte Veränderungen
Zunächst ist festzustellen, welche Veränderungen seit der Corona-Pandemie eingetreten sind, die sich auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer auswirken. Oft ist zu bemerken, dass Umsätze und Ertrag sinken, aber der Kapitalbedarf steigt, um den höheren Aufwand aufgrund unterbrochener Absatz- und Lieferketten zu decken. Wenigstens zeitweise sind Arbeitnehmer in Kurzarbeit, die Löhne wurden reduziert oder die Mitarbeiterzahl musste sogar abgebaut werden. Der steuerliche Unternehmenswert ist möglicherweise gesunken, während Entnahmen in das Privatvermögen zur Kompensation anderer privater Ausfälle genauso steigen können wie Einlagen aus dem Privatvermögen in das Unternehmen zur Kompensation fehlender unternehmerischer Einnahmen. Auch Fremdfinanzierungsmaßnahmen sind denkbar. Nicht auszuschließen ist ferner, dass bei einer Pandemie wie der aktuellen ein Todesfall eintritt, bevor Planungen zur Steueroptimierung gemacht und umgesetzt werden konnten. Schließlich sind Insolvenzen zu nennen, die in Krisenzeiten stets zunehmen.
Joint Venture und Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Muss sich der Familienunternehmer dafür entscheiden, Teile seines Unternehmens etwa in einem Joint Venture auf einen finanzstarken Investor oder Marktteilnehmer zu übertragen, stellt dies grundsätzlich einen Verstoß gegen die gesetzlichen Behaltensbedingungen dar. Das führt zur zeitanteiligen Minderung der einmal gewährten Verschonung und löst damit erhebliche steuerliche Konsequenzen aus. Nichts anderes gilt, wenn der krisengeplagte Unternehmer dem Angebot der Bundesregierung folgte und die Beteiligung des Staats am Eigenkapital des Unternehmens über den neu geschaffenen Wirtschaftsstabilisierungsfonds Eigenkapitalmaßnahmen zuließ.
Billigkeitsmaßnahmen greifen nicht
Auch wenn zu Unzeiten einzelne betriebsnotwendige Assets versilbert werden müssen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken, greift die eigentlich als Missbrauchsvermeidungsvorschrift zu verstehende Rechtsfolge des Verstoßes gegen Behaltensbedingungen genauso wie bei der Betriebsaufgabe und einer Insolvenz. Warum diese Maßnahmen ergriffen werden müssen, selbst wenn sie nicht aus Missbrauchsgründen erfolgen, ist unerheblich. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst mehrfach bestätigt. Nicht einmal Billigkeitsmaßnahmen im Falle einer Insolvenz sollen greifen.
Ausreichende Beteiligung oder Poolvereinbarung
Ist die Übertragung noch nicht erfolgt, aber geplant oder zu befürchten, muss der Familienunternehmer einer Kapitalgesellschaft mit Blick auf eine gerade in Krisenzeiten ungeplant denkbare künftige Übertragung darauf achten, dass er noch zu mehr als 25 Prozent beteiligt ist, wenn er Anteile abgibt, oder für eine Poolvereinbarung sorgen, die diese Mindestbeteiligung fingiert.
Rückgang der Löhne und Abbau von Mitarbeitern
Befinden wir uns in einer vollzogenen unentgeltlichen Übertragung mit laufender Behaltefrist, wirkt sich ein Rückgang der Löhne sowie der Abbau von Mitarbeitern dramatisch aus. Abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter und der Verschonungsmethode muss die Lohnsumme, die im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung ermittelt wurde (Ausgangslohnsumme), über die Behaltefrist von fünf oder sieben Jahren im Wesentlichen beibehalten werden. Wurde beispielsweise die Optionsverschonung gewählt und hat das Unternehmen mehr als 15 Mitarbeiter, müssen nach sieben Jahren 700 Prozent der Ausgangslohnsumme erreicht werden. Gelingt das nicht, kommt es zur anteiligen Nachversteuerung. Diese Nachsteuer kann gravierend sein. Dabei ist zu bedenken, dass sowohl der schenkende als auch der beschenkte Unternehmer möglicherweise nicht mehr alleinige Entscheider des Unternehmens sind, also den Abbau von Mitarbeitern und den Rückgang von Löhnen nicht aufhalten können. Einzig bei diesem Verstoß, der im Abbau von Mitarbeitern oder in einer Lohnreduktion liegt, soll nach einem jüngeren Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben) die Möglichkeit bestehen, von der Nachsteuer abzusehen. Möglicherweise liegt in diesem BMF-Schreiben der Lichtblick für eine künftig angepasstere Handhabung der Nachsteuertatbestände in Krisenzeiten.
Fazit
Wirken sich die vorangehend benannten Rettungsmaßnahmen tatsächlich steuerschädlich aus, ist zu prüfen, ob andere Maßnahmen möglich sind. Zu denken ist an die Veräußerung von Assets auf tiefer liegenden Ebenen eines Unternehmens, die möglicherweise nicht zum Verstoß gegen die Behaltensbedingungen führen. Der Beitrag „Schädliche Finanzspritzen“ zeigt weitere Handlungsempfehlungen auf.
MEHR DAZU
Kompaktwissen für Berater: „Unternehmertestamente richtig gestalten“, 4. Auflage