Familienunternehmen in der Krise - 23. September 2021

Schädliche Finanzspritzen

Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht verzeiht auch in schwierigen Zeiten nicht jede Maßnahme des Unternehmers, bestehende Liquiditätslücken zu schließen.

Die gut gemeinte Finanzierung von Liquiditätslücken – etwa um in der Krise den Abbau von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verhindern – sowohl mit Privatvermögen als auch mit Einlagen von außen kann erbschaft- und schenkung­steuerlich schädlich sein. Durch solche Eigenkapitalmaßnah­men entstehen für die Dauer von zwei Jahren grundsätzlich so­genannte junge Finanzmittel – die denkbar schlechteste Kate­gorie des ohnehin nicht begünstigten Verwaltungsvermögens. Denn junge Finanzmittel können auf keine Weise in begünstig­tes Vermögen umqualifiziert werden und nehmen an keiner Schuldensaldierung teil. Mit anderen Worten: Junge Finanz­mittel unterliegen immer der Erbschaft- oder Schenkungsteu­er. Bei einer geplanten oder drohenden Übertragung schafft die Rettungsmaßnahme durch eine Finanzspritze also einen erheblichen Steuernachteil. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lässt sogar zu, dass dieser Mechanis­mus auch in Konzernstrukturen zum Tragen kommt. Stattet die Muttergesellschaft die kriselnde Tochtergesellschaft mit Fi­nanzmitteln aus, entstehen auf der Ebene der Tochtergesell­schaft junge Finanzmittel, die im Rahmen der Verbundvermö­gensaufstellung die Gruppe wenigstens teilweise infizieren.

Entnahme von verstricktem Vermögen

Rechtzeitige Entnahmen wirken den jungen Finanzmitteln, die in einer Saldobetrachtung – Überschuss der Einlagen über die Entnahmen innerhalb der letzten zwei Jahre vor Übertragung – ermittelt werden, entgegen. Wird steuerverstricktes Vermögen entnommen, sind natürlich die ertragsteuerlichen Folgen zu beachten. Hinzu kommt, dass Entnahmen das Privatvermögen mehren und so das Vermögen, das im Rahmen eines privile­gierten Unternehmens vielleicht in die Steuerbegünstigung überführt werden könnte, mindern. Entnimmt also der Unter­nehmer in das Privatvermögen, weil er sich dort mit Vermögen gegen die Folgen der Krise rüsten möchte, etwa weil es das weggefallene Gehalt des Ehepartners zu kompensieren gilt, wird das im Zeitpunkt der Übertragung zwangsläufig zu ver­steuernde Privatvermögen erhöht. Das möglicherweise steuer­begünstigte Unternehmensvermögen wird hingegen reduziert. Damit nicht genug. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteu­ergesetz (ErbStG) kennt als Verstoß gegen die benannten Be­haltensbedingungen auch die sogenannten Überentnahmen. Innerhalb der Behaltensfrist darf nicht mehr als der Gewinn zuzüglich Einlagen und einem Betrag von 150.000 Euro ent­nommen werden. Sofern beispielsweise Rücklagen aus Gewin­nen in besseren Zeiten entnommen werden, droht der Verstoß und damit die Nachsteuer.

Unternehmenswert

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist eine Stichtagssteuer. Verändert sich der Wert des übertragenen Unternehmens nach der Übertragung, wirkt sich dies auf die einmal angefal­lene Steuer nicht mehr aus. Dies gilt auch innerhalb etwaiger Behaltensfristen des ErbStG – ein Umstand, der als System­bruch verstanden werden könnte. Bei bevorstehenden Über­tragungen liegt die Überlegung nahe, dass sich pandemiebe­dingte Minderungen des Unternehmens­werts günstig auf eine etwaige Erbschaft- und Schenkungsteuer auswirken müssten, da die Bemessungsgrundlage für die Steu­er sinkt. So richtig diese Überlegung ist, so deutlich muss darauf hingewiesen wer­den, dass niedrige Unternehmenswerte in dem neuen ErbStG nicht immer steuer­günstig sind. Grund hierfür ist der soge­nannte 90-Prozent-Test, der als erster Prüfungsschritt gewis­sermaßen die Eintrittskarte in das Verschonungsregime der §§ 13a, 13b ErbStG darstellt. Nur wenn das Verwaltungsver­mögen – das hier als Bruttogröße ohne Schuldenabzug er­mittelt wird – weniger als 90 Prozent des Unternehmens­werts ausmacht, kann die Prüfung der Verschonungsregeln beginnen. Sinkt der Unternehmenswert, steigt die Gefahr, den 90-Prozent-Test nicht zu bewältigen und so von jeglicher Verschonung für das unternehmerische Vermögen ausge­schlossen zu sein.

Fremdfinanzierung

Davon waren vor Krisenzeiten schon viele mittelständische solide Familienunternehmen betroffen, die ein hohes Eigen­kapital und eine hohe Forderung aus Lieferungen und Leis­tungen hatten, sowie viele Dienstleister, die oftmals kein Pro­duktivvermögen haben. Die Krise verschärft den Befund, dass gerade Familienunternehmen durch die Effekte der Kri­se in Verbindung mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedroht sind. Eine Fremdfinanzierung mit Liquidität hilft da­bei nicht weiter. Denn für den 90-Prozent-Test wird die Liqui­dität voll als schädliches Verwaltungsvermögen erfasst, ohne dass die korrespondierende Verbindlichkeit in Abzug ge­bracht wird.

Abschlag für Familienunternehmen

Für im Auge des Gesetzgebers typische Familienunterneh­men wird ein Sonderabschlag auf das zu versteuernde be­günstigte Vermögen von bis zu 30 Prozent gewährt, wenn be­stimmte gesellschaftsvertragliche Restriktionen, wie etwa eine Entnahmebeschränkung, die Vinkulierung oder eine Ab­findungsbeschränkung zwei Jahre vor und 20 Jahre nach der Übertragung, eingehalten werden. Kommt der Erbfall unge­plant, also bevor die zwei Jahre abgelaufen sind, entfällt die Möglichkeit des Sonderabschlags vollständig, ohne dass dar­auf Rücksicht genommen wird, aus welchem Grund der To­desfall eingetreten ist.

Testamentarische Reinvestitionsklausel

Wird schädliches, steuerpflichtiges Verwaltungsvermögen aufgrund eines vom Erblasser vorgefassten Plans innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod in begünstigtes Produktivver­mögen investiert, entfällt die Zurechnung zum Verwaltungsvermögen und die Steu­erlast sinkt. Voraussetzung ist also ein vorgefasster Plan des Erblassers. Gerade in Krisenzeiten, in denen das Tagesge­schäft verstärkte Aufmerksamkeit erfor­dert, treten solche Vorsorgemaßnahmen in den Hintergrund. Erfolgt die Investition dann aber ohne den nachweisbaren vor­gefassten Plan, geht der Effekt dieser Steuervergünstigung verloren.

Verlust von Widerrufs- und Rückforderungsrechten

Widerrufs- und Rückforderungsrechte sind Standardklauseln in Verträgen bei einer Unternehmensübertragung. Sie si­chern dem Übertragenden die Möglichkeit, bei Eintritt be­stimmter Umstände die Schenkung rückabzuwickeln. Sinn­voll ist stets eine Steuerklausel, also eine Rückabwicklungs­möglichkeit bei ungeplanter Steuerbelastung, etwa bei Ver­wirklichung von Nachsteuertatbeständen. Stammen diese Rückforderungsklauseln aus Zeiten, in denen die Krise nicht in den Köpfen der Gestalter war, ist zu befürchten, dass diese Rückforderungsrechte nicht vererblich und nicht übertrag­bar ausgestaltet sind. Im Krisenfall, also im Falle eines unge­planten Ausfalls des Schenkers, geht damit die Chance zur Rückabwicklung verloren.

Fazit

Dabei stellt die Ausübung eines Rückforderungsrechts eine gute Handlungsmöglichkeit dar, wenn sich die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Folgen der Krise verwirklicht haben. Es ist also Sorge dafür zu tragen, dass diese Rechte krisenfest ausgestaltet sind und nicht die Rückabwicklung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht gezogen werden muss. Darüber hinaus bleibt die Hoffnung, dass eine Stundung nach § 222 Abgabenordnung (AO) oder ein Billigkeitserlass nach §§ 163, 227 AO gewährt wird, wenn anderenfalls das Unternehmen die Krise nicht über­lebt.

Zum Autor

IC
Dr. Iring Christopeit, LL. M.

Rechtsanwalt, Steuerberater sowie Fachanwalt für ­Erb- und für Steuerrecht, zertif. Berater für ­Unternehmensnachfolge und zertif. Testamentsvollstrecker; Partner bei Peters, Schönberger & Partner, München; Spezialist für Vermögens- und Unternehmens­nachfolgen.

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