Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht verzeiht auch in schwierigen Zeiten nicht jede Maßnahme des Unternehmers, bestehende Liquiditätslücken zu schließen.
Die gut gemeinte Finanzierung von Liquiditätslücken – etwa um in der Krise den Abbau von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verhindern – sowohl mit Privatvermögen als auch mit Einlagen von außen kann erbschaft- und schenkungsteuerlich schädlich sein. Durch solche Eigenkapitalmaßnahmen entstehen für die Dauer von zwei Jahren grundsätzlich sogenannte junge Finanzmittel – die denkbar schlechteste Kategorie des ohnehin nicht begünstigten Verwaltungsvermögens. Denn junge Finanzmittel können auf keine Weise in begünstigtes Vermögen umqualifiziert werden und nehmen an keiner Schuldensaldierung teil. Mit anderen Worten: Junge Finanzmittel unterliegen immer der Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Bei einer geplanten oder drohenden Übertragung schafft die Rettungsmaßnahme durch eine Finanzspritze also einen erheblichen Steuernachteil. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lässt sogar zu, dass dieser Mechanismus auch in Konzernstrukturen zum Tragen kommt. Stattet die Muttergesellschaft die kriselnde Tochtergesellschaft mit Finanzmitteln aus, entstehen auf der Ebene der Tochtergesellschaft junge Finanzmittel, die im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung die Gruppe wenigstens teilweise infizieren.
Entnahme von verstricktem Vermögen
Rechtzeitige Entnahmen wirken den jungen Finanzmitteln, die in einer Saldobetrachtung – Überschuss der Einlagen über die Entnahmen innerhalb der letzten zwei Jahre vor Übertragung – ermittelt werden, entgegen. Wird steuerverstricktes Vermögen entnommen, sind natürlich die ertragsteuerlichen Folgen zu beachten. Hinzu kommt, dass Entnahmen das Privatvermögen mehren und so das Vermögen, das im Rahmen eines privilegierten Unternehmens vielleicht in die Steuerbegünstigung überführt werden könnte, mindern. Entnimmt also der Unternehmer in das Privatvermögen, weil er sich dort mit Vermögen gegen die Folgen der Krise rüsten möchte, etwa weil es das weggefallene Gehalt des Ehepartners zu kompensieren gilt, wird das im Zeitpunkt der Übertragung zwangsläufig zu versteuernde Privatvermögen erhöht. Das möglicherweise steuerbegünstigte Unternehmensvermögen wird hingegen reduziert. Damit nicht genug. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) kennt als Verstoß gegen die benannten Behaltensbedingungen auch die sogenannten Überentnahmen. Innerhalb der Behaltensfrist darf nicht mehr als der Gewinn zuzüglich Einlagen und einem Betrag von 150.000 Euro entnommen werden. Sofern beispielsweise Rücklagen aus Gewinnen in besseren Zeiten entnommen werden, droht der Verstoß und damit die Nachsteuer.
Unternehmenswert
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist eine Stichtagssteuer. Verändert sich der Wert des übertragenen Unternehmens nach der Übertragung, wirkt sich dies auf die einmal angefallene Steuer nicht mehr aus. Dies gilt auch innerhalb etwaiger Behaltensfristen des ErbStG – ein Umstand, der als Systembruch verstanden werden könnte. Bei bevorstehenden Übertragungen liegt die Überlegung nahe, dass sich pandemiebedingte Minderungen des Unternehmenswerts günstig auf eine etwaige Erbschaft- und Schenkungsteuer auswirken müssten, da die Bemessungsgrundlage für die Steuer sinkt. So richtig diese Überlegung ist, so deutlich muss darauf hingewiesen werden, dass niedrige Unternehmenswerte in dem neuen ErbStG nicht immer steuergünstig sind. Grund hierfür ist der sogenannte 90-Prozent-Test, der als erster Prüfungsschritt gewissermaßen die Eintrittskarte in das Verschonungsregime der §§ 13a, 13b ErbStG darstellt. Nur wenn das Verwaltungsvermögen – das hier als Bruttogröße ohne Schuldenabzug ermittelt wird – weniger als 90 Prozent des Unternehmenswerts ausmacht, kann die Prüfung der Verschonungsregeln beginnen. Sinkt der Unternehmenswert, steigt die Gefahr, den 90-Prozent-Test nicht zu bewältigen und so von jeglicher Verschonung für das unternehmerische Vermögen ausgeschlossen zu sein.
Fremdfinanzierung
Davon waren vor Krisenzeiten schon viele mittelständische solide Familienunternehmen betroffen, die ein hohes Eigenkapital und eine hohe Forderung aus Lieferungen und Leistungen hatten, sowie viele Dienstleister, die oftmals kein Produktivvermögen haben. Die Krise verschärft den Befund, dass gerade Familienunternehmen durch die Effekte der Krise in Verbindung mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedroht sind. Eine Fremdfinanzierung mit Liquidität hilft dabei nicht weiter. Denn für den 90-Prozent-Test wird die Liquidität voll als schädliches Verwaltungsvermögen erfasst, ohne dass die korrespondierende Verbindlichkeit in Abzug gebracht wird.
Abschlag für Familienunternehmen
Für im Auge des Gesetzgebers typische Familienunternehmen wird ein Sonderabschlag auf das zu versteuernde begünstigte Vermögen von bis zu 30 Prozent gewährt, wenn bestimmte gesellschaftsvertragliche Restriktionen, wie etwa eine Entnahmebeschränkung, die Vinkulierung oder eine Abfindungsbeschränkung zwei Jahre vor und 20 Jahre nach der Übertragung, eingehalten werden. Kommt der Erbfall ungeplant, also bevor die zwei Jahre abgelaufen sind, entfällt die Möglichkeit des Sonderabschlags vollständig, ohne dass darauf Rücksicht genommen wird, aus welchem Grund der Todesfall eingetreten ist.
Testamentarische Reinvestitionsklausel
Wird schädliches, steuerpflichtiges Verwaltungsvermögen aufgrund eines vom Erblasser vorgefassten Plans innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod in begünstigtes Produktivvermögen investiert, entfällt die Zurechnung zum Verwaltungsvermögen und die Steuerlast sinkt. Voraussetzung ist also ein vorgefasster Plan des Erblassers. Gerade in Krisenzeiten, in denen das Tagesgeschäft verstärkte Aufmerksamkeit erfordert, treten solche Vorsorgemaßnahmen in den Hintergrund. Erfolgt die Investition dann aber ohne den nachweisbaren vorgefassten Plan, geht der Effekt dieser Steuervergünstigung verloren.
Verlust von Widerrufs- und Rückforderungsrechten
Widerrufs- und Rückforderungsrechte sind Standardklauseln in Verträgen bei einer Unternehmensübertragung. Sie sichern dem Übertragenden die Möglichkeit, bei Eintritt bestimmter Umstände die Schenkung rückabzuwickeln. Sinnvoll ist stets eine Steuerklausel, also eine Rückabwicklungsmöglichkeit bei ungeplanter Steuerbelastung, etwa bei Verwirklichung von Nachsteuertatbeständen. Stammen diese Rückforderungsklauseln aus Zeiten, in denen die Krise nicht in den Köpfen der Gestalter war, ist zu befürchten, dass diese Rückforderungsrechte nicht vererblich und nicht übertragbar ausgestaltet sind. Im Krisenfall, also im Falle eines ungeplanten Ausfalls des Schenkers, geht damit die Chance zur Rückabwicklung verloren.
Fazit
Dabei stellt die Ausübung eines Rückforderungsrechts eine gute Handlungsmöglichkeit dar, wenn sich die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Folgen der Krise verwirklicht haben. Es ist also Sorge dafür zu tragen, dass diese Rechte krisenfest ausgestaltet sind und nicht die Rückabwicklung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht gezogen werden muss. Darüber hinaus bleibt die Hoffnung, dass eine Stundung nach § 222 Abgabenordnung (AO) oder ein Billigkeitserlass nach §§ 163, 227 AO gewährt wird, wenn anderenfalls das Unternehmen die Krise nicht überlebt.