Bitcoin und Co. - 24. April 2020

Aktueller Stand der Besteuerung

Die aktuelle Praxis der Finanzverwaltung, Krypto-Assets zu besteuern, betrifft vor allem private Veräußerungsgeschäfte. Manche Erwägungen hierzu lassen aber auch Auswirkungen zur Steuererhebung auf betrieblicher Ebene vermuten.

Um einen Tatbestand besteuern zu dürfen, benötigen die Finanz­behörden eine gesetzliche Grundlage, den § 85 Abgabenordnung (AO), da sie ansonsten gegen das grundgesetzliche Gebot der Gesetzmäßigkeit beziehungsweise das Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verstießen.

Gebot der Gesetzmäßigkeit

Zur Besteuerung der – insbesondere steuergesetzlich – nicht definierten Krypto-Assets stützt sich die Finanzverwaltung auf § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) und beurteilt sämtliche Geschäfte mit Krypto-Assets als Anschaffungen beziehungsweise Veräußerungen von anderen Wirtschaftsgütern. Ob sogenannte Krypto-Assets überhaupt Wirtschaftsgüter im Sinne der Rechtsprechung des BFH darstellen, darf mit Recht bezweifelt werden (siehe hierzu die sehr ausführliche und tief gehende Untersuchung dieser Frage: Schroen: Sind „Bitcoin und Co. Wirtschaftsgüter gemäß der gefestigten BFH-Rechtsprechung?“, DStR, Heft 29 vom 29.06.2019, S. 1369–1375. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 20.06.2019, 13 V 13100/19) behauptet, dass diese Ansicht der Finanzverwaltung „im Schrifttum ausnahmslos ­geteilt“ werde – allerdings nur in einem Aussetzung-der-Vollziehungs-Beschluss (AdV) und noch vor dem Erscheinen der oben genannten Untersuchung. Schaut man sich das in diesem Beschluss aufgelistete Schrifttum genauer an, wird man feststellen, dass die meisten Beiträge nicht tiefgehend genug und zumindest teilweise ohne Untersuchung der technischen Grundlagen erfolgten. Ebenso gingen die Richter in diesem AdV-Verfahren überhaupt nicht auf das technische Fundament ein, sondern begnügten sich mit den Worten: „Eine gegebenenfalls notwendige Auseinandersetzung mit den Einzelheiten technischer Abläufe wäre […] dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.“ Somit bleibt es weiterhin offen, ob Geschäfte mit Krypto-Assets als Anschaffungen beziehungsweise Veräußerungen von anderen Wirtschaftsgütern im oben genannten Sinne zu verstehen und entsprechend besteuerbar sind.

Abgrenzungsprobleme

Die für die Besteuerung notwendige Tatbestandsfeststellung ist jedoch nicht trivial, denn Krypto-Asset ist nicht gleich Krypto-Asset. So findet man häufig die Einteilung in Security, Utility und Payment Token. Diese Begriffe erfahren – je nach Begründungsbedarf – jedoch unterschiedliche Abgrenzungen. Deshalb können diese Begriffe für die Besteuerung nicht sinnvoll verwendet werden. Eine zielführende Abgrenzung könnte folgendermaßen aussehen: Es gibt Krypto-Assets, die einen – real existierenden – rechtlichen Anspruch im Sinne von § 194 BGB lediglich digital abbilden. Dieser Anspruch besteht in dem „Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“. Wird ein solcher Anspruch lediglich digital abgebildet, so richtet sich die Besteuerung nach diesem hintergründigen, real existierenden rechtlichen Anspruch (zum Beispiel Fiat-Geld wie Euro, US-Dollar usw., Wertpapiere, Gutscheine für X) und nicht nach der vordergründigen Art der Abbildung. Bildet das Krypto-Asset keinen real existierenden rechtlichen Anspruch digital ab, wie beispielsweise bei Bitcoin, könnte man einen solchen digitalen Vermögenswert auch als anspruchsloses Krypto-Asset bezeichnen. Und genau für Geschäfte mit anspruchslosen Krypto-Assets, welche es bei der Konzeption des § 23 EStG in der analogen Welt nicht gab, existiert zurzeit keine Besteuerungsgrundlage, wenn man den anspruchslosen Krypto-Assets entweder die Wirtschaftsguteigenschaft nicht zubilligt oder der Tatbestand der Anschaffung oder Veräußerung nicht gegeben ist. Eine entsprechende gesetzliche Erweiterung von § 23 EStG ist bisher auch nicht erfolgt. Der für Revisionen zu § 23 EStG zuständige IX. Senat des BFH hat sich jüngst zum Begriff der Veräußerung gegen eine – bisher gegebenenfalls erfolgte zu weite Deutung – von § 23 EStG ausgesprochen (BFH vom 03.09.2019, IX R 12/18). Da der BFH hierzu nichts anderes entschieden hat, gilt dessen Feststellung weiter, nämlich dass nicht jeder Vermögenswert, selbst wenn in ihm eine Gewinnchance zu sehen sein kann, zwangsläufig auch ein Wirtschaftsgut darstellen muss. Ein Vermögenswert in Gestalt einer Chance könnte auch in der – unkörperlichen – Teilnahme an einer Lotterie bestehen, denn dafür wird zweifellos auch Geld bezahlt. Dennoch wird ihr die Eigenschaft als anderes Wirtschaftsgut nicht zuerkannt. Wieso sollte eine auf einer Blockchain registrierte – unkörperliche – Gewinnchance wie etwa Bitcoin, der zudem im Gegensatz zur Lotterie keinerlei Rechte zukommen, ohne Gesetzesänderung als Wirtschaftsgut behandelt werden?

Die für die Besteuerung notwendige Tatbestandsfest­stellung ist ­jedoch nicht trivial, denn Krypto-Asset ist nicht gleich ­Krypto-Asset.


Bestimmtheitsgebot

Nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gilt: „Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im Bereich des Abgabewesens fordert, daß steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, daß der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann.“ Und genau dies ist für die Besteuerung von privaten Geschäften mit anspruchslosen Krypto-Assets sehr zweifelhaft. Zudem bescheiden die – in der Regel mit der Materie überforderten und von der Regierung nicht ausreichend unterstützten – Mitarbeiter der Finanzämter allein gemäß oben genannter Verfügung aus Hamburg unterschiedslos, ob es sich um Bitcoin oder andere Coins/Token handelt. Dies ist einerseits verständlich, denn allein auf coinmarketcap.com werden mehrere Tausend gehandelte Coins/Tokens gelistet. Die nicht im offiziellen Handel befindlichen sind hierbei überhaupt noch nicht erfasst. Andererseits dürfen gemäß § 3 AO Steuern nur erhoben werden, wenn der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Und genau das kann mangels technischen Verständnisses in den meisten Finanzämtern überhaupt nicht geleistet werden, weswegen die Besteuerung sehr willkürlich und in jedem Falle ungleichmäßig, gegebenenfalls zu Unrecht und somit grundgesetzwidrig (Art. 3 Abs. 1 GG und § 85 AO) erfolgt.

Nicht realisierte Gewinne

Besonders kritisch ist die Besteuerungslage nicht realisierter Gewinne zu beurteilen. Hier geht die Finanzverwaltung davon aus, dass selbst nicht realisierte Gewinne, die dadurch entstehen, dass jemand nach der Virtualisierung von realen Euros, also im rein virtuellen Bereich, eine bestehende Verknüpfung seines öffentlichen Schlüssels mit zum Beispiel zwei Einheiten Bitcoin trennen lässt und dafür eine andere Verknüpfung zu zehn Einheiten des XYZ-Coin herstellen lässt. (Vereinfacht ist damit gemeint – aber irreführend ausgedrückt –, dass jemand ohne Realisierung zwei Bitcoins gegen zehn XYZ-Coins tauscht.) Demgegenüber erfolgt beim Wertpapierverkauf immer zunächst eine Realisierung in Euro. Der Euro verkörpert als offizielle Währung rechtliche Ansprüche (z.B. Annahmepflicht). Die Eurobanknote stellt das einzig unbegrenzte gesetzliche Zahlungsmittel (§ 14 BBankG) dar. Auch beim Tausch von Fiat-Währungsbeträgen, also den offiziellen Währungen, z.B. Euro gegen US-Dollar erfolgt der Tausch von jeweiligen rechtlichen Ansprüchen, welcher beim Tausch von anspruchslosen Krypto-Assets gerade nicht stattfindet. Erst eine tatsächliche Realisierung – in z.B. EURO – kann gegebenenfalls gemäß § 23 EStG zu steuerbaren Einnahmen führen. „Der IX. Senat des BFH legt auch ganz aktuell entscheidenden Wert auf die Realisierung der zu besteuernden Gewinne und betont für die Tatbestände der Anschaffung beziehungsweise Veräußerung, dass sich aufgrund der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen ein Rechtsträgerwechsel […] vollzieht.“ (BFH vom 03.09.2019, IX R 12/18).

Vollzugsdefizit

Selbst wenn es sich bei Geschäften mit anspruchslosen Krypto-Assets, um die Anschaffung beziehungsweise Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern handelte, ergäbe sich eine weitere Ungleichmäßigkeit der Besteuerung und somit Grundgesetzwidrigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG und § 85 AO). Insbesondere im Jahr 2017 haben einige bei Geschäften mit anspruchslosen Krypto-Assets erhebliche Gewinne erzielt. Dass die Finanzverwaltung diese besteuern möchte, ist nachvollziehbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein Großteil dieser Gewinne in Deutschland, sei es absichtlich, sei es aus Unwissen, nicht erklärt wurden. Sollte also eine Besteuerung nach § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich zulässig sein, so liegt vermutlich ein strukturelles Vollzugsdefizit vor. So sieht das auch das Finanzgericht Baden-Württemberg vom 2. März 2018 (5 K 2508/17) – beim BFH anhängig unter IX R 10/18 – und hierzu Schroen: Besteuerung von „Bitcoin & Co.“ verfassungswidrig? (NWB, Nr. 28, vom 5. Juli 2019, S. 2084ff.). Ebenso noch vor Erscheinen dieses NWB-Artikels ist das FG Berlin-Brandenburg (im oben genannten AdV-Verfahren) der Behauptung des Finanzamts gefolgt und hat den Hinweis auf ein möglicherweise bestehendes Vollzugsdefizit – als letztlich ins Blaue hinein erhoben – ungeprüft weggewischt. Das Finanzamt hatte behauptet, dass es mit Maßnahmen der Außenprüfung und Steuerfahndung die Transaktionshistorie bei dem Konzept der Blockchain bezüglich aller Trades zurückverfolgen könne und dass die meisten Dienste bei der Einzahlung mit Fiat-Geld eine Verifizierung der Identität verlangten, weshalb diese Einzahlung einem bestimmten Individuum zuzuordnen sei. Letzteres trifft vielleicht heute, aber jedenfalls nicht im Streitjahr 2017 zu. Den Einlassungen des Finanzamts ist zu entgegnen, dass es für die Grundgesetzeskonformität, wie im oben genannten NWB-Artikel detailliert erläutert, nicht auf die Möglichkeiten der Außenprüfung und Steuerfahndung ankommt, sondern auf die Möglichkeiten zur Verifizierung der Angaben des Steuerpflichtigen im regulären Veranlagungsverfahren. Und genau dies war und ist zurzeit unmöglich. Außerdem ist die Behauptung falsch, dass derjenige, der FIAT-Geld virtualisiert hat, auch derjenige sein muss, der gegebenenfalls ein privates Veräußerungsgeschäft zu versteuern hätte. Sämtliche Off-Chain-Geschäfte, insbesondere auch das Weitergeben des Private Key (des privaten Schlüssels) wird nirgendwo auf der Blockchain aufgezeichnet. Zur Behauptung des Finanzamts, dass es einfach sei, Personen beim Tausch von ­FIAT-Geld in Krypto-Assets zu identifizieren, sei angemerkt, dass es ­Bitcoin-Automaten (vgl. Mareike Müller, Gramowskis Maschinen, DIE ZEIT, Nr. 48/2019, vom 21.11.2019) gibt, bei denen dieser Vorgang völlig ohne Identifikation vonstattengeht. Wenn es mit der Identifikation – vielleicht sogar im regulären Veranlagungsverfahren – so einfach wäre, wie ist es dann zu erklären, dass es selbst der Kriminalpolizei bei schweren Verbrechen, zum Beispiel in sogenannten Ransomware-Erpressungen, nicht gelingt, die Täter anhand ihrer Lösegeld-Bitcoin-Adressen zu identifizieren.

Empfehlung

Selbst wenn die meisten Dienste (vielleicht heute, aber nicht 2017!) eine Identifizierung vornehmen, ist damit nichts darüber ausgesagt, welchem Steuerpflichtigen welche Trades beziehungsweise Gewinnrealisierungen zuzuordnen sind. Daher die Empfehlung zur aktuellen Gesetzeslage:

  • Alle ggf. steuerbaren Kryptogeschäfte sollten in der Steuererklärung erklärt werden.
  • Gegen den Bescheid sollte Einspruch eingelegt werden.
  • Die Steuer sollte bezahlt werden.
  • Notfalls kann Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Auch das neue BFH Urteil (IX R 10/18 veröffentlicht am 2.4.2020) hat keine direkte Auswirkung auf die Besteuerung von „anspruchlosen Krypto-Assets“. Denn es ging in diesem Urteil um Eintrittskarten zu einem Fußballspiel, also um die Übertragung eines rechtlichen Anspruchs, der bei z. B. Bitcoin fehlt.

Dem Beschluss FG Berlin-Brandenburg vom 20.6.2019 (Aktenzeichen: 13 V 13100/19) sollte nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden, da es sich lediglich um einen AdV-Beschluss handelt und auch noch nicht erstinstanzlich in der Hauptsache entschieden wurde. Sollten anspruchslosen Krypto-Assets keine Wirtschaftsgüter sein, so wären die Ausgaben hierfür im betrieblichen Bereich sofort abziehbar.

Update: Zeitenwende durch FG Nürnberg

Das FG Nürnberg (AdV-Beschluss v. 8.4.2020 – 3 V 1239/19) hält die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg für „nicht nachvollziehbar“. Es schließt seine insbesondere auf § 88 AO fußende Begründung mit: „Letztlich sollte bei der Qualifizierung einer Kryptowährung als Wirtschaftsgut schon möglichst klar sein (…) worüber man eigentlich entscheidet.“ (NWB-Eilnachricht 17/2020 S. 1236- NWB TAAAH-47036) Somit ist bezüglich der Wirtschaftsguteigenschaft bzw. der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung weiterhin nichts entschieden. Sollten anspruchslosen Krypto-Assets keine Wirtschaftsgüter sein, so wären die Ausgaben hierfür im betrieblichen Bereich sofort abziehbar.

Mehr dazu

Kompaktwissen für Berater „Kryptowährung, Bitcoin und Co.“, Art.-Nr. 31394

Zum Autor

OCS
Oliver Christian Schroen

M. A., Dipl.-Betriebswirt (FH) und Steuerberater in der PETER & ¬PARTNER Treubilanz Steuerberatungs¬gesellschaft mbH in Berlin

Weitere Artikel des Autors