Cobots, kollaborative Roboter, erobern die Industrie. Um ein erfolgreiches Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu gewährleisten, sollten Unternehmen Sicherheitsstrategien und Risikobewertungen frühzeitig in ihre Planungen einfließen lassen.

Kollaborative Roboter, auch als Cobots bekannt, sind eines der Trendthemen schlechthin, denn sie lassen sich in den unterschiedlichsten industriellen Anwendungsszenarien einsetzen. Da die smarten Maschinen über verschiedene integrierte Sicherheitsfunktionen verfügen, können sie Hand in Hand mit oder in der Nähe von Menschen arbeiten. Zugleich lassen sie sich problemlos und schnell an neue Anforderungen und Bedürfnisse anpassen. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie repetitive Aufgaben produktiver und effizienter machen und so von einer hohen Rentabilität ihrer Investitionen, Stichwort ROI, profitieren können.

Effizienter Einsatz erfordert umfassende Sicherheitsstrategie

Cobots aber sind auch sicherer als ihre Roboterkollegen. Zu ihren Sicherheitsmerkmalen gehören neben einer leichten Bauweise auch Kollisionserkennungstechnologie und minimierte Pinch Points (Stellen, an denen sich Mitarbeiter quetschen und verletzen können). Für firmenspezifische Anwendungen sind aber oftmals noch weitere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Hierzu gehören Überlegungen zu Endeffektor, Produkt und anderem Equipment im Arbeitsumfeld, das sich Mensch und Cobot teilen, und das daher so sicher wie möglich gestaltet sein muss.

Um Cobots besonders sicher und effizient einsetzen zu können, müssen Anwenderunternehmen umfassende Sicherheitsstrategien plus Risikobewertungen daher im Vorfeld in die Planungen einfließen lassen.

Cobots sind kompakter als herkömmliche Roboter und verfügen über Funktionen, die Leistung und Geschwindigkeit überwachen. Sind sie mit Sicherheitsvorrichtungen ausgestattet, die Personen erkennen, die den gemeinschaftlichen Arbeitsbereich betreten, sie können oft schneller arbeiten, wenn keine Personen anwesend sind, was zur Maximierung des Durchsatzes beiträgt.

Wichtige Sicherheitsnormen

Wichtige Sicherheitsnormen, die die Sicherheitsfunktionen und die Leistung eines Cobots definieren, sind ISO 10218-1, ISO 10218-2 und und ISO TS 15066. Letztere legt die Kraft- und Geschwindigkeitsbegrenzung des Cobots auf Basis von Anwendungsdaten, dem Kontaktbereich mit dem menschlichen Körper und den Gefahren am Arbeitsplatz fest. Es gibt hierbei zwei Arten von menschlichem Kontakt: transienten (nicht klemmenden Kontakt) und quasi-statischen (hierbei handelt es sich um Situationen, bei denen ein Körperteil eingeklemmt werden könnte).

Hersteller, die mit den Anforderungen der ISO TS 15066-Richtlinie nicht vertraut sind, können einen Anbieter von Sicherheitsbewertungen beauftragen, der die notwendigen Analysen, Berechnungen und Messungen durchführt und Verbesserungen hinsichtlich einer sicheren gemeinsamen Anwendung empfiehlt.

ISO 10218 und ISO TS 15066 bilden die Grundlage für die Handhabung von Cobots. Viele Cobots, wie etwa die TM-Serie von Omron, verfügen über eine intuitive Handführung, um neue Aufgaben anzulernen. Der Vorteil: Spezifische Bewegungen des Roboterarms müssen nicht länger zwangsläufig neu programmiert werden, sondern können vom Bediener durch Führen des Roboters mit der Hand und Anlernen der Positionen angelegt werden. Die Handführung wird kraft- und geschwindigkeitsüberwacht, sodass der Anlernprozess stets den Sicherheitsstandards entspricht.

Sicheres „Teachen“ und sichere Anwendung

Vor dem Anlernen, dem sogenannten „Teachen“, und bevor der Bediener seinen Arbeitsraum betritt, muss der Roboter gestoppt werden, auch wenn die Kraft- und Geschwindigkeitsbegrenzungsfunktion aktiviert wurde. Alternativ muss eine Sicherheitsvorrichtung, beispielsweise ein Safety Scanner, einen sicheren Halt durchführen, sobald der Bediener erkannt wird.

Der Anwender kann anschließend mit einer Tasten- oder einer Modusauswahl das Teachen aktivieren, wenn die sichere Kraft- und Geschwindigkeitsüberwachung in Betrieb ist. Falls nicht, ist eine Freigabe durch einen Drei-Positionen-Zustimmschalter erforderlich. Die auch als „Deadman“-Schalter bekannte Funktion erzeugt automatisch einen Not-Halt, wenn die mittlere Position verlassen wird.

Gemäß den Sicherheitsnormen muss der Wechsel zum Teachmodus absichtlich und proaktiv erfolgen, darf nicht zu einer unerwarteten Bewegung führen und auch keine zusätzlichen Gefahren verursachen. Der Bediener muss sich jederzeit über die umliegenden Geräte und mögliche Sicherheitsprobleme im Klaren sein. Um die Sicherheit des Anwenders zu erhöhen, ist es möglich, Arbeitsraumbegrenzungen zu konfigurieren. Hierzu gehören zum Beispiel Begrenzungen des Arbeitsraumes und des Verfahrbereiches der einzelnen Achsen.

Vor dem Betrieb des Cobots muss der Mitarbeiter den abgesicherten Arbeitsraum des Cobots verlassen. Dies lässt sich mithilfe von Sicherheitssensorik oder einer zusätzlichen Überprüfung des Bedieners kontrollieren. Um den Roboter abermals in Betrieb nehmen zu können, ist dann eine aktive Auswahl des Modus erforderlich.

Sicheres kollaboratives Arbeitsumfeld

Cobots arbeiten oft in der Nähe anderer Geräte, die eine Gefahr darstellen könnten. Es ist daher wichtig, alle zusätzlichen Ausrüstungsgegenstände im gemeinsamen Arbeitsbereich (die deutlich gekennzeichnet sein müssen) aufzulisten. Jedes Gerät muss zudem auf potenzielle Gefahren und Sicherheitssensoren untersucht werden, um Schäden an Mensch und Ausrüstung zu verhindern.

Zu den potenziell nicht kooperativen sicherheitsbewerteten Geräten, die möglicherweise Sicherheitsvorrichtungen benötigen, gehören Geräte zur Materialhandhabung, Werkzeuge, Greifer und Aktoren sowie Maschinen. Sicherheitsvorrichtungen können in der Regel leicht in eine Cobot-Anwendung integriert werden.

Zur Absicherung des kollaborativen Arbeitsumfelds lassen sich mehrere Lösungen einsetzen. In offenen Bereichen und Anwendungen mit geringen Gefahren sind dies etwa Safety Scanner und Sicherheitsmatten. In geschlossenen oder begrenzten Bereichen mit gefährlicheren Anwendungen oder Hochgeschwindigkeitsoperationen können Sicherheitslichtvorhänge und Sicherheitsschalter genutzt werden. In Bereichen mit aktiven Gefahren oder Szenarien, die eine Gefahr darstellen könnten, müssen die Anwender einen Drei-Positionen-Zustimmschalter aktivieren.

Um bei kooperativen Anwendungen maximale Sicherheit zu erreichen, müssen Unternehmen die Sicherheit ihrer Cobot-Einsätze über alle Aufgabenfelder hinweg validieren. Richtlinien sind zu befolgen, wenn sie die Sicherheit eines Roboters bewerten, während er eine bestimmte Aufgabe gemeinsam mit einem menschlichen Kollegen ausführt. Einige Gefahren, etwa in Zusammenhang mit Antrieb und Energie, können auch dann noch bestehen, wenn sich der Roboter nicht bewegt.

Keine automatische Aktivierung des Cobot

Zum Schutz der anwendenden Mitarbeiter muss der Cobot vor dem Start oder nach einem aktivierten Not-Halt absichtlich aktiviert werden. Löst ein Bediener beispielsweise einen Not-Halt aus, darf der Roboter nicht automatisch wieder aktiviert werden können, sondern es muss zuerst das Rücksetzen des Fehlers quittiert werden.

Während der Inbetriebnahme und der Einrichtung des Sicherheitssystems darf die Handführung nur dann gestattet werden, wenn der Roboter angehalten hat, eine bewusste Modusauswahl erfolgt und die Geschwindigkeits- sowie Kraftüberwachung aktiv sind. Wurde die Handführung ohne einen Stoppbefehl oder Sicherheitseingang aktiviert, sollte dies einen Sicherheitsstopp und eine Störung auslösen.

Für den Automatikbetrieb eines Cobots muss der Bediener eine gewollte Moduswahl treffen, die eine Validierung aller Sicherheitsvorrichtungen und -bedingungen erfordert.

Zur Validierung sollten Cobot-Verantwortliche außerdem eine Sicherheitsbewertung der umliegenden Bereiche sowie der Ausrüstung vornehmen und gegebenenfalls eine Anpassung der Sicherheit durchführen. Spezielle Serviceteams sollten die Sicherheit der Ausrüstung darüber hinaus vor Ort inspizieren und kontrollieren, Zertifizierungen bestätigen, Sicherheitsparametereinstellungen überprüfen und schließlich den Abschluss der Validierung dokumentieren.

Spezielle Handlungsempfehlungen zur Stärkung der Sicherheit

1. Maschinen-Be- und Entladung

Experten, die bereits viele Inspektionen und Sicherheitsbewertungen durchgeführt haben, berichten, dass Aufgaben, die mit der Wartung des Cobots zusammenhängen, zu den zentralen Sicherheitsbedenken gehören. Für maximale Sicherheit sollten Hersteller deshalb einen Greifer verwenden, der die gängigen Sicherheitsvorgaben erfüllt, um Bediener vor Verletzungen zu schützen. Sie sollten auch untersuchen, ob das Produkt irgendwelche Gefahren (wie extreme Hitze oder scharfe Kanten) mit sich bringt.

2. Materialhandling

Materialhandling-Anwendungen, die von Cobots profitieren, sind beispielsweise Kommissionierung, Verpackung, Palettierung und Sortierung. Für die Sicherheitsbetrachtung führen diese Einsatzfelder aufgrund ihrer vielseitigen Möglichkeiten zu einer standortspezifischen Lösung. Bediener und andere Arbeiter bewegen oder transportieren häufig andere Materialien um den Cobot herum, sodass zusätzliche Planung erforderlich ist, um das Risiko des Kontakts zu vermeiden.

Zertifizierte Greifer, die auf ihre Sicherheit getestet wurden, finden sich derzeit selten: Hersteller neigen dazu, pneumatische Greifer zu verwenden, die potenzielle Sicherheitsprobleme in Bezug auf Stoß und den Verlust von Kraft oder Saugkraft aufweisen. Anwendungsentwickler müssen auch untersuchen, ob das Produkt Gefahren birgt, die bei einem Verlust des Produktes im Zyklus Probleme verursachen könnten.

3. Montage

Montageanwendungen, bei denen Cobots eingesetzt werden, erfordern oft spezielle Werkzeuge und eine enge Zusammenarbeit mit den Bedienern. Zugleich sind besonders schnelle Arbeiten in manchen Anwendungen notwendig. Die große Vielfalt an kundenspezifischen End-of-Arm-Tools macht diese Anwendungen besonders komplex. Sind darüber hinaus mehrere Roboter beteiligt, müssen die Anwendungsentwickler die Sicherheitslösungen für jeden einzelnen sorgfältig betrachten.

Für alle drei der genannten Bereiche (Maschinen Be- und Entladung, Materialhandling und Montage) ist es sehr wichtig, den gesamten Einsatzbereich zu überprüfen, sodass kein Anwender vom jeweiligen Roboter oder von in der Nähe befindlichen Geräten eingeklemmt oder verletzt wird.

Weitere Fragen, die es im Vorfeld des Cobot-Einsatzes zu klären gilt, sind:

Sollten die Sicherheitssysteme beteiligter Maschinen miteinander verbunden werden, um zu verhindern, dass eine Maschine in Betrieb ist, wenn eine andere sich in einem Sicherheitsstopp-Zustand befindet?

Cobots lassen sich räumlich von Maschine zu Maschine und von Anwendung zu Anwendung bewegen: Wie wird ihre Sicherheit validiert?

Gibt es Warnzonen für den Bediener, die auf Gefahren oder Betriebsstörungen hinweisen?

Risiken ausschließen, Mitarbeiter schützen

Cobots gelten in der Regel als sehr sicher in Einsatzszenarien, in denen Menschen eng mit ihnen zusammenarbeiten. Um wirklich verlässliche Sicherheit zu garantieren, sind allerdings fundierte Risikobewertungen vonnöten. Industrieunternehmen und Hersteller sollten daher alle potenziellen Gefahren berücksichtigen, die mit einem handgeführten Teachen verbunden sind, sowie mögliche Probleme, falls es zu einem Not-Halt des Roboters kommen sollte.

Für Konstrukteure von automatisierten Werkzeugmaschinen, Materialhandling- und Montageanwendungen ist es zudem ratsam, alle Interaktionen zwischen dem Roboter und dem menschlichen Mitarbeiter stets genau im Auge zu haben. Beispiele sind Risiken wie Einklemmen oder Einquetschen, aber auch Gefahren aufgrund von großer Hitze oder scharfen Kanten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hersteller, die eine erfolgreiche Cobot-Anwendung planen, um Effizienz und Produktivität anzukurbeln, im Vorfeld ihrer Planungen alle Risiken gründlich analysieren und bewerten sowie notwendige Sicherheitsmaßnahmen implementieren sollten.

Autor: Peter Lange

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