Wenn die Organe im Körper nicht tun, was sie sollen, ist eine Therapie oft schwierig. Mit einem „Digital Twin“ des Herzens von Patienten wollen Ärzte Behandlungsmethoden testen und Implantate ausprobieren, bevor sie in den Körper gelangen.

Die Medizin hat ein Problem: Was bei dem einen Menschen funktioniert, muss bei einem anderen nicht zwingend dieselben Ergebnisse hervorrufen. Das macht es schwierig, Standardprozesse wie Medikamentengabe oder Operationen zu entwickeln. Einfacher wäre es, wenn es von jedem Patienten eine Art Doppelgänger gäbe, an dem sich ohne Risiko Eingriffe ausprobieren oder Therapien testen lassen könnten. Genau das bieten nun sogenannte Digital Twins.  

Dazu werden Computer mit den Daten des Patienten gefüttert – Alter, Blutwerte, Röntgenaufnahmen, usw. – und eine künstliche Intelligenz ermittelt beispielsweise, wie die Kopie des Herzens eines Patienten aussieht. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglicht es Wissenschaftlern etwa, ein dreidimensionales Modell des Herzens zu erstellen. Durch zusätzliche Langzeit-EKG-Messungen können die Forscher das Computermodell dann an die individuelle Herzfunktion des Patienten anpassen. An dieser Simulation lassen sich dann Eingriffe ausprobieren, Implantate testen oder die Wirkung von Medikamenten simulieren. 

Nur Supercomputer schaffen die Simulation 

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) arbeiten die Forscher an derartigen Computermodellen des Herzens. „In engem Austausch mit Ärzten entwickelt unser interdisziplinäres Team aus Ingenieuren der Elektro- und Informationstechnik sowie der Mechatronik gemeinsam mit Informatikern, Physikern und angewandten numerischen Mathematikern die Simulationen unentwegt weiter“, sagt Axel Loewe, Elektro- und Informationstechniker am Institut für Biomedizinische Technik des KIT. 

Ein Vorteil der digitalen Herzen: Sie ersetzen klassische Zellexperimente oder auch Tierversuche. Zudem lassen sich daraus sehr exakte Diagnosen und auch Therapien für einzelne Patienten ermitteln.  

„Allerdings ist unser Modell extrem rechenintensiv“, schränkt Loewe ein. „Um das gesamte Herz in einem Modell hinreichend fein aufzulösen, stellen wir das Organ durch ein riesiges Gitter mit mehreren Millionen Elementen dar. Wenn wir die Ausbreitung der Erregungswelle simulieren, müssen wir in jedem Berechnungsschritt ein entsprechend großes lineares Gleichungssystem lösen. Pro Herzschlag fallen bis zu 50 000 solcher Schritte an, so dass man Supercomputer braucht, um die Aufgabe zu meistern.“ Bis die Technologie Einzug in Kliniken hält, dürfte also noch einige Zeit vergehen. 

Bitte beachten Sie

Die Beiträge in der Rubrik "Trends und Innovationen" sind Inhalte unseres Medienpartners Vogel Communications Group GmbH & Co. KG. Sie spiegeln nicht unbedingt die Meinung von DATEV wider.

Vogel Communications Group