Individualisierung, Mobilität, und Globalisierung sind Megatrends, die die Welt heute und in den nächsten Jahren weiterhin stark prägen werden. Welche Rolle die additive Fertigung dabei spielt, wird nachfolgend beleuchtet.

Gerade vor dem Hintergrund einer digitalen Transformation verändern die Megatrends die Art und Weise des Zusammenlebens, treiben den Wandel auch wirtschaftlich voran und sind Basis für neue Geschäftsmodelle und Zukunftsmärkte. Gleichzeitig bilden oft erst technologische Errungenschaften die Grundlage zur Entstehung neuer Trends.

Eine dieser Technologien ist der industrielle 3D-Druck, auch additive Fertigung (additive manufacturing / AM) genannt. Grundlage des Verfahrens sind digitale 3D-Daten, aus denen im „Drucker“ Schicht für Schicht physische Bauteile entstehen. Die geometrischen Möglichkeiten sind dabei schier grenzenlos. Was das im Einzelnen bedeuten kann, wird anhand der nachfolgenden drei Trends beleuchtet.

1. Individualisierung: Das Einzelstück als Massenmarkt

Unter den Megatrend Individualisierung fällt eine Vielzahl an Bewegungen, darunter die Konsumentennachfrage nach einer „Mass Customization“. Der Wunsch nach Angeboten, die auf den persönlichen Bedarf zugeschnittenen sind, und die Individualisierung von massenproduzierten Gütern sind ein wachsender Markt – der mittels AM bedient werden kann.

So macht es beim 3D-Druck keinen Unterschied, ob in einem Bauzyklus 50 identische oder 50 individuelle Teile produziert werden. Das ermöglicht eine starke Personalisierung von Produkten sogar in der Serienfertigung.

Generell sollen maßgeschneiderte Produkte schnell, kostengünstig und am besten nah am Absatzmarkt hergestellt beziehungsweise angeboten werden. Ein Beispiel hierfür ist die Gesundheitsbranche, die Lösungen für die individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten mithilfe der Digitalisierung anbietet.

Dies reicht von der Telemedizin, die insbesondere in ländlichen Regionen die Versorgung durch qualifizierte Ärzte flächendeckend sicherstellen kann, bis hin zu Wearables zur Therapieüberwachung und -steuerung, die die Diagnose vereinfachen und eine individuelle Medikation und Dosierung ermöglichen.

Passgenau, kostengünstig, intelligent: Medizintechnik aus dem 3D-Drucker

Der Bedarf ist groß: Die WHO beziffert die Anzahl an Menschen mit einer Behinderung („Disability“) auf über eine Milliarde weltweit, allein 200 Millionen Menschen benötigen Brillen oder andere Sehhilfen und haben keinen Zugriff darauf; 70 Millionen benötigen einen Rollstuhl, wobei nur 5 – 15 Prozent über einen verfügen.

Der industrielle 3D-Druck kann mit den Möglichkeiten, die er bietet, Teil der Lösung sein – gerade bei einer patientenindividuellen Versorgung. Denn jeder Mensch ist einzigartig, Standardlösungen greifen oft zu kurz. Einzelanfertigungen basieren hingegen auf traditionellen Fertigungsverfahren sind im Gegenzug zeit- und kostenintensiv.

Der 3D-Druck adressiert diese Herausforderungen und ermöglicht die schnelle und kostengünstige Herstellung hochwertiger patientenspezifischer Orthopädietechnik. Die Patienten erhalten Produkte, die auf individuelle Körpermerkmale und -eigenheiten angepasst sind. Das steigert den Tragekomfort und sorgt damit letztlich für einen optimierten Behandlungserfolg.

Ein weiterer Vorteil der AM-Technologie ist die einfache Reproduzierbarkeit der Bauteile: Einmal konstruiert, kann eine Orthese jederzeit erneut und in gleicher Qualität wieder produziert werden. Das ist zum Beispiel bei Kinderorthesen relevant, die mit gleicher Funktionalität und Struktur, aber veränderter Größe erneuert werden müssen.

Entsprechend ist die additive Fertigung weltweit gesehen eine der größten technologischen Innovationen auch für den Medizinbereich. Der Markt für industrielle 3D-Druck-Lösungen im Bereich Healthcare wird laut SmarTech Analysis auf mehr als 9 Milliarden US-Dollar in 2024 geschätzt.

2. Mobilität: Neue Konzepte erfordern neues Konstruieren

Ständige Erreichbarkeit, standortunabhängiges Arbeiten, der konstante Anstieg des E-Commerce mit immer kürzer werdenden Liefer- und Reaktionszeiten: Der Megatrend Mobilität zeichnet sich durch eine rundum mobile Lebensweise aus und umfasst so gut wie alle Bereiche des Lebens.

Geeignete Lösungen für diesen zunehmenden Mobilitätsbedarf zu finden, ist komplex. So reichen beispielsweise im Bereich Fortbewegung die Modelle von Carsharing, E-Mobility und autonomem Fahren bis hin zur sogenannten Mikromobilität: Zukunftsforscher gehen davon aus, dass in Ballungsräumen bald ein dichtes Netz sogenannter Public Private Vehicles und Microcarrier – Elektro-Roller, autonome Shuttle-Fahrzeuge, Fahrräder und andere Kleinstmobile – miteinander kombiniert und vernetzt werden.

Diese neuen Mobilitätsformen basieren neben technischen und ökologischen Vorteilen auch auf völlig neuen Designkonzepten. Für Fahrzeughersteller bedeutet das neue, innovative Möglichkeiten – die gleichzeitig aber ein Umdenken erfordern.

Eine Antwort auf diese neuen Ansätze zum Beispiel im Karosseriebau bietet der industrielle 3D-Druck. Die Technologie setzt an den Stellen an, wo Konstruktion, Design und Fertigung neu durchdacht werden müssen, um Lösungen zu finden. Sie ermöglicht einen konstruktionsgetriebenen Herstellungsprozess, bei dem die Konstruktion die Fertigung bestimmt – ein „Neu-Denken“ ist damit ein Kernelement des Verfahrens: Unternehmen können nicht nur personalisierte Komponenten ohne Mehrkosten auch in Serie herstellen, sondern selbst komplette Baugruppen zügig und immer kosteneffizienter produzieren.

Bauteilmodifikationen sind schon in der Produktentwicklungsphase digital und physisch einfach umsetzbar – schlicht durch die Anpassung der 3D-Daten. Damit reduzieren sich Entwicklungszyklen auf ein Minimum und nachhaltige Produktinnovationen können schnell und zu geringeren Kosten umgesetzt werden.

Umfangreiche Funktionsintegrationen, etwa von Federn oder Scharniergelenken, lassen sich direkt in das Bauteil hineinkonstruieren. Komplizierte Strukturen können ganz ohne Werkzeug geschaffen und Subkomponenten auf ein Minimum reduziert werden.

Auch komplexe Strukturen oder geometrischen Formen sind im 3D-Druck problemlos umsetzbar, unterschiedlichste Metalle und Kunststoffe stehen als Materialien zur Verfügung. Auch deshalb wird das Potenzial des Marktes für industrielle 3D-Druck-Lösungen im Bereich Automotive von SmarTech Analysis weltweit auf mehr als 6 Milliarden US-Dollar in 2024 geschätzt.

3. Globalisierung: Standort und Zeit entscheiden

Ein Aspekt des Megatrends Globalisierung ist die Standortwahl von Unternehmen. Hier zeichnet sich ab, das Firmen zunehmend das Ziel verfolgen, wieder stärker absatzmarktnah zu agieren und zu fertigen.

Dieser Trend zum „Nearshoring“ wird auch durch den 3D-Druck aufgegriffen: Die additive Fertigung erlaubt ein Höchstmaß an Flexibilität – bezogen auf Produktionslosgrößen, Produktionszeiten sowie Produktionsorte. Bauteile müssen zukünftig nicht mehr zentral gefertigt und dann global verteilt werden („local to global“) – eine Verlagerung der Produktion z. B. in Billiglohnländer ist nicht mehr erforderlich. Vielmehr werden dezentrale Fertigungszentren errichtet, die digitalen Bauteildaten an diese verschickt und das Produkt direkt vor Ort 3D gedruckt („globally local“). So entstehen weniger Logistikkosten und der CO2-Ausstoß sinkt.

Zwei weitere Vorteile: Die additive Fertigung erlaubt eine schnelle Fertigung auch kleiner Losgrößen („from one to many“) – und das nach Bedarf („from just-in-time to on demand, whatever needed“). Besonders im Ersatzteilbereich sind kleine und individualisierte Produktionslosgrößen ein wesentlicher Vorteil. Das sorgt im Ergebnis für wegfallende Werkzeugkosten und verringerte Lagerhaltungskosten.

Die genannten Entwicklungen sind beispielsweise im öffentlichen Personenverkehr bei der Deutschen Bahn ein wichtiges Thema: So setzt das Unternehmen auf maßgeschneiderte, 3D-gedruckte Ersatzteile für Informationstafeln in seinen ICE-Zügen.

Gerade solche kleinen Bauteile sind es, die zur großen Herausforderung werden können. Normaler Verschleiß und Versprödung setzen den Teilen im Lauf der Zeit zu, so dass ein Austausch nach zehn bis 15 Jahren fällig ist. Die vorgesehene Nutzungsdauer von Schienenfahrzeugen liegt bei mindestens 25 Jahren; nicht selten sind die Fahrzeuge jedoch deutlich länger im Einsatz. In vielen Fällen hat der Hersteller die Fertigung bis dahin eingestellt, außerdem handelt es sich häufig um kleine Stückzahlen, die sich mit konventionellen Verfahren nicht wirtschaftlich abbilden lassen.

Die additive Fertigung bietet den Vorteil, auch für die bisweilen geringen Stückzahlen jederzeit neuwertige Ersatzteile herstellen zu können und damit eine jahrzehntelange Instandhaltung der Züge zu gewährleisten. Dabei gibt es keinerlei Einbußen bei der Qualität oder Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig sind die Kosten niedriger, als wenn etwa eigens Werkzeuge für die konventionelle Fertigung hergestellt werden müssten.

Fazit: Der 3D-Druck in der digitalen Fabrik

In einer Zeit, in der alles durch die Digitalisierung durchdrungen wird, wird auch der 3D-Druck weiter an Dynamik zulegen. Bei der digitalen Fabrik geht es um nicht weniger als die Tatsache, bewährte Methoden, Prozesse und Betriebsmittel derart zu standardisieren, dass sie bei Produktiterationen oder neuen Modellen einfacher wiederverwendet werden können.

Dafür werden, unter anderem, alle am Prozess beteiligten Einzelschritte am Rechner und über digitale Workflows vernetzt, um so einen durchgängigen Produkt- und Datenfluss zu gewährleisten.

Die digitale Fabrik steht bei allen Unternehmen ganz oben auf der Agenda. In diesem Zusammenhang spielt neben Technologien wie Sensorik, Robotik oder Maschine-zu-Maschine-zu-Mensch-Kommunikation der industrielle 3D-Druck eine Schlüsselrolle. Damit wird die AM-Technologie selbst zum Trend und Teil des digitalen Wandels der Gesellschaft.

Autor: Bertrand Humel van der Lee

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