1999 trat die Wi-Fi Alliance an, nervigen Interoperabilitätsproblemen zwischen frühen 802.11-Produkten den Garaus zu machen. Zeit für einen Rückblick, was sich seitdem in Punkto Standardisierung getan hat – und für einen Ausblick auf die Zukunft der Drahtlosnetzwerke.
Kaum ein Haushalt, in dem nicht ein WLAN-Router gleich mehrere Endgeräte per Funk mit dem Internet verbindet. Selbst Rasenmäher-Roboter sind oftmals schon Teil des drahtlosen Netzwerks und lassen sich per Smartphone-App programmieren. Auch unterwegs, im Café oder in der Bahn, surfen Anwender per Laptop kabelfrei im Web oder rufen auf ihrem Smartphone E-Mails ab.
Dass dies mittlerweile überwiegend problemlos funktioniert, ist zu einem großen Teil der Wi-Fi Alliance zu verdanken: Eine Handvoll Industrieunternehmen traten 1999 an, die bis dahin oft störrischen Funknetzwerke zu zähmen. Ziel war es, dass auch Endanwender problemlos ein drahtloses Netzwerk konfigurieren und nutzen konnten. Das war gar nicht so einfach.
Mangelhafte Interoperabilität als Bremsschuh
Denn frühe 802.11-Produkte hatten häufig Probleme mit der Interoperabilität. Im Juni 1997 veröffentlichte das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) die erste offene und somit – theoretisch – herstellerübergreifende 802.11-Spezifikation. Sie basierte auf den heute nicht mehr gebräuchlichen Frequenzspreizverfahren DSSS und FHSS. Im lizenzfreien 2,4-GHz-Frequenzband sollte sie eine Datenrate von bis zu 2 MBit/s erreichen. Interessante Randnotiz: Die im Standard definierte Idee, auch einen Teil des Infrarotspektrums für die Übertragung zu nutzen, hat sich nie durchgesetzt.
Was allerdings fehlte, war eine Anleitung, wie denn eine Prüfung von Geräten auf Einhaltung der Standardspezifikationen auszusehen hätte. Ohne einheitliche Funktionsüberprüfung waren Probleme in Netzwerken, die Produkte mehrerer Hersteller einsetzten, quasi vorprogrammiert. Ein Bremsschuh für die Verbreitung der vielversprechenden Technik.
Diesen Umstand wollten Pioniere wie 3Com, Aironet, Harris Semiconductor, Lucent, Nokia und Symbol Technologies – von denen viele heute nicht mehr existieren – ändern und gründeten 1999, zeitlich korreliert mit der Version IEEE 802.11b, die „Wireless Ethernet Compatibility Alliance“, kurz WECA. Die Organisation setze sich zum Ziel, Tests zu definieren und durchzuführen, die Interoperabilität der Produkte zu zertifizieren und die Technologie zu fördern. Produkte, die den Ansprüchen genügten, durften fortan das neu definierte „Wi-Fi certified“-Logo tragen. 2000 nannte sich die im texanischen Austin ansässige Vereinigung in Wi-Fi Alliance um.
Mit IEEE 802.11b startet der Funknetz-Boom
In Deutschland hat sich für lokale Drahtlosnetzwerke früh der Begriff WLAN (Wireless Local Area Network) durchgesetzt. International sind eher „WiFi“ oder „Wi-Fi“ üblich – entsprechend dem Markenzeichen der Wi-Fi Alliance. Ganz deckungsgleich sind die Begriffe nicht: Während WLAN lediglich allgemein ein lokales Funknetz bezeichnet, steht Wi-Fi oder WiFi für ein drahtloses Netz aus Wi-Fi-zertifizierten Komponenten. Tatsächlich sorgte die Wi-Fi-Zertifizierung dafür, dass auch Produkte unterschiedlicher Hersteller immer besser miteinander kompatibel wurden.
Letztlich trug dies mit dazu bei, dass sich drahtlos vernetzte Geräte sehr schnell verbreiteten und heute Alltagsbegleiter sind. Nur 10 Jahre nach Einführung waren bereits rund 1 Mrd. Wi-Fi-zertifizierte Endgeräte auf dem Markt. Heute schätzen Marktforscher ihre Zahl auf über 30 Mrd. Ebenso rasant entwickelte sich die Verbreitung öffentlicher Wi-Fi-Hot-Spots: Zählte Marktforscher IDC 2002 rund 1150 in Westeuropa, waren es 2017 laut Cisco weltweit bereits über 64 Mio. Heute dürfte die Zahl auf die 100-Mio.-Marke zusteuern.
WLAN-Evolution: schneller, stabiler und einfacher
Nach der Urversion des IEEE-802.11-Standards – übrigens nicht Version a – folgte 1999 Version IEEE 802.11b und wenige Jahre darauf Version g mit Brutto-Datenraten von 11 beziehungsweise 54 MBit/s. Beide funken im 2,4-GHz-Band. Zusätzlich legte das IEEE mit 802.11a den Grundstein für die Nutzung des 5,8-GHz-Bandes. Auch hier waren Datenraten bis 54 Mbit/s definiert. Als einer der ersten Hersteller bot der von den Fast-Toten auferstandene Hersteller Apple WLAN als optionale Erweiterung für seine neuen iBooks an.
Nach b und g folgte n. Diese WLAN-Version kann bei 2,4 GHz und 5 GHz funken. Mit einem MIMO-Antennen-Array (Multi-Input/Multiple Output) sind theoretisch bis zu 600 MBit/s möglich. Viel Wert legten das IEEE auf die Rückwärtskompatibilität. So können sich auch heute noch Endgeräte mit alten Routern verbinden. IT-Sicherheitsverantwortliche bekommen bei diesem Gedanken allerdings Bauchweh, da alte Router eben auch nur veraltete Verschlüsselungsmechanismen unterstützen und daher ausgemustert gehören. Davon abgesehen sorgte Wi-Fi dafür, dass sich der Konfigurationsaufwand für Drahtlosnetzwerke deutlich verringert hat.
Heute aktuell ist IEEE 802.11ac. Dieser Standard ist für Übertragungsgeschwindigkeiten von brutto bis zu 6,9 GBit/s ausgelegt – und kann damit mit kabelgebundenen Gigabit-Ethernet-Verbindungen konkurrieren. Dazu nutzt die Technik Kanalbandbreiten von bis zu 160 MHz und bis zu acht Antennen gleichzeitig. Auch die Stabilität der WLAN-Verbindungen hat über die Jahre deutlich zugelegt. In Punkto Latenzzeiten und Störsicherheit haben Kabelverbindungen allerdings nach wie vor die Nase vorn. Das macht sich beispielsweise beim Anschluss eines NAS-Servers bemerkbar, der große Datenmengen verarbeiten muss.
Aus IEEE 802.11ax wird Wi-Fi 6
Der nächste Schritt in der WLAN-Evolution heißt 802.11ax oder auch High Efficiency WLAN, abgekürzt HEW. Er soll voraussichtlich Ende 2019 endgültig ratifiziert werden. Da die meisten Details bereits definiert sind, haben Hardwarehersteller bereits Chips vorgestellt, in denen Teile des Standards implementiert sind. Die Wi-Fi Alliance ist letztes Jahr dazu übergegangen, die vom IEEE vorgegebenen kryptischen Bezeichnungen zu vereinfachen. Daher heißt die neue ax-Variante hier auch Wi-Fi 6, während Wi-Fi 4 und 5 die Bezeichnungen 802.11n beziehungsweise 802.11ac ersetzen.
Wi-Fi 6 sorgt für einen weiteren Leistungsschub bei drahtlosen Verbindungen. Der Standard nutzt wie sein Vorgänger die beiden Frequenzbänder 2,4 und 5 GHz und sorgt durch das Modulationsverfahren OFDMA (Orthogonal Frequency-Division Multiple Access) für mehr Effizienz und geringere Latenzzeiten. Auch lassen sich mit Wi-Fi 6 mehr Daten gleichzeitig senden und empfangen. Durch die Verbesserungen sollen Brutto-Datenraten von bis zu 10 GBit/s möglich sein. Besonders in Umgebungen, in denen viele Geräte mit dem drahtlosen Netz verbunden sind, soll Wi-Fi 6 für eine gute Performance sorgen.
Speziell für die Vernetzung von Verkehrsteilnehmern – Stichwort V2X – entstand seit 2010 zudem der Standard 802.11p. Er gilt als Grundstein für die „Dedicated Short Range Communication“(DSRC) und funkt im Frequenzband von 5,85 bis 5,925 GHz. Vor allem in Europa wird statt DSCR alternativ der Begriff ITS-G5 (Intelligent Transport Systems, ITS) verwendet. Ziel ist es, die WLAN-Technik als zuverlässige Schnittstelle für kooperative ITS-Anwendungen zu etablieren. Dazu zählt beispielsweise die Vernetzung von Kraftfahrzeugen mit ihrer Umgebung. Das WLAN-basierte V2X-Konzept steht damit in Konkurrenz zum mobilfunkbasierten Cellular-V2X-Ansatz, kurz C-V2X.
Auch wenn Technologien wie Bluetooth und 5G dem WLAN von unterschiedlichen Seiten das Wasser abgraben, werden sich drahtlose lokale Netzwerke auch auf lange Sicht behaupten, meist als komfortable Zugangsmöglichkeiten zum Internet. Einen großen Anteil an der Entwicklung, Verbreitung und weltweiten Kompatibilität der drahtlosen Netzwerktechnik – ohne die das Internet vermutlich nicht das wäre, was es heute ist – hatte und hat die Wi-Fi Alliance.
Autor: Michael Eckstein
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