Die Branche der sozialen Einrichtungen stand schon vor der COVID-19-Pandemie unter hohem Druck. Seit Jahren kämpft sie mit den Problemen eines ökonomisierten und bürokratisierten Systems. Corona hat einmal mehr verdeutlicht, dass es nicht zum Besten steht. Steuerberater Frank Geiger verrät, wie eine auf die Branche spezialisierte Beratung helfen kann, auch wenn es nur Symptome bekämpft.
Nicht alle Probleme in der Branche basieren auf bürokratischen oder finanzwirtschaftlichen Ursachen. Doch wenn, wirken diese sich fast schon notorisch negativ auf die Arbeit aus. Die Pandemie verschärfte die Situation und erzeugte noch mehr Probleme: Es musste Ausrüstung zum Infektionsschutz beschafft werden. Spätestens hier wirkten Bürokratie und Ökonomisierung als Problemverursacher und -verstärker – wenn beispielsweise enorme Mehrkosten entstanden durch die Beschaffung von Masken, Schutzkitteln oder Desinfektionsmitteln, bei gleichzeitig intransparenten Preis- und Verteilungsregeln. Oder weil die finanziellen Mittel fehlten, um die Pandemie zu bewältigen, da weder Prämien für Pflegekräfte ankamen noch Gelder für pandemiebedingte Mehrausgaben genutzt werden durfte, wie bei der Tagespflege.
Das System ist schon viel länger krank – nicht erst seit Corona
Die Dokumentationspflichten für bald jeden Handgriff sind überbürokratisiert. Die Regeln zur Nachbelegung der Betten sind fragwürdig, wenn Einrichtungen nur dann finanzielle Mittel erhalten, weil Betten belegt sind. Und ein sowieso schon erhöhter Krankheitsstand beim Personal führt zu Überstunden und damit zur Überlastung der übrigen Pflegekräfte; die Ursache lässt sich im viel zu kleinen Personalschlüssel finden, der dem kapitalisierten System folgt. Wenn trotz Ausfällen bei den Pflegekräften dieser eingehalten werden muss, liegt offensichtlich ein schwerer Systemfehler vor. Das wiederum wirkt sich nachteilig auf die aus, um die es eigentlich geht – die betreuten Menschen. Wenn es dann, wie im vergangenen Jahr kritisch wird, führt das schnell zum Systemabsturz.
Weniger Kosten, weniger Bürokratie und Hilfe durch Steuerberatung
Im Frühjahr 2020 haben sich Pflegeverbände, Pflegekassen und die Regierung auf ein Entlastungspaket verständigt. Laut Gesundheitsminister Jens Spahn sollen „Pflegekräfte von jeder nicht unbedingt nötigen Form der Bürokratie entlastet werden.“ Maßnahmen betreffen beispielsweise den Pflege-TÜV, der zumindest zeitweise ausgesetzt wird, um die Pflegekräfte von Verwaltungsanforderungen zu entlasten. Auch sollen Corona-bedingte Kosten in Heimen und Pflegediensten zulasten der Pflegekassen ausgeglichen werden. Weniger Kosten, weniger Administration können helfen. Ob es reicht, ist fraglich. Doch zumindest gibt es weitere Möglichkeiten, die Branche der sozialen Einrichtungen zu entlasten.
Steuerberater Frank Geiger ist auch Fachberater für das Gesundheitswesen. Er betreut und berät mit seiner Kanzlei seit mehr als 20 Jahren stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen. Im Gespräch stellt er dar, woran das System krankt und wie Spezialisierung in der Beratung helfen kann.
Herr Geiger, wenn Sie zurückblicken auf das vergangene Jahr und die Krise in der Branche der Heil- und Pflegeberufe, was ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
FRANK GEIGER: Ganz am Anfang bestand eine große Unsicherheit bei unseren Mandanten. Es wurden sowohl in den Arzt- als auch in Pflegebereichen Corona-Hilfen und Überbrückungshilfen in Anspruch genommen. Es gab diverse Hilfen, und im therapeutischen Bereich durfte auch bald wieder gearbeitet werden. In den Pflegeberufen war die Zeit dadurch geprägt, dass die Mandanten in ihren Betriebsabläufen eingeschränkt waren, das heißt, es gab Besuchereinschränkungen, Testpflichten, das, was man aus dem öffentlichen Bereich und aus der Presse kennt. Die Auslastung in den Heimen hingegen war unverändert hoch, sodass es zumindest keine wirtschaftlichen Probleme gab.
Haben Ihre Mandantinnen und Mandanten auch menschliche, emotionale Themen angesprochen oder ging es sozusagen nur um das Geschäft?
Wir haben auch über solche Themen gesprochen. Dass man von einer extrem hohen Auslastung, gerade in den Pflegebereichen spricht, ist sowieso klar; das spielt natürlich eine Rolle, aber auch die erwähnte Unsicherheit war Thema. Eine Einrichtung zum Beispiel, die in der Behinderten- oder Wiedereingliederungshilfe tätig ist, war in ihren Abläufen schlicht gestört. Das heißt, man geht normalerweise mit den betreuten Menschen einkaufen oder mal in den Zoo, um sie in das tägliche Leben zu integrieren. Das konnte leider nicht passieren. Diese Tätigkeiten fanden in den Einrichtungen statt, und die Menschen untereinander konnten Außenbereiche nicht mehr nutzen, wo sie sich sonst gesellig treffen. Das hat gestresst und alle Menschen in den Einrichtungen emotional belastet und verunsichert.
Sie sind seit über 20 Jahren mit der Branche betraut und haben so manchen Umbruch, nicht immer zum Besseren, in der Pflege mitgemacht. Mit welcher Motivation haben Sie sich auf diese Branche spezialisiert?
Wir haben bei uns in der Kanzlei relativ früh erkannt, wir brauchen ein Qualitätsmanagement. Und wir haben zwei Schwerpunkte in der Kanzlei. Das ist der Bereich Gesundheitswesen, der circa 40 Prozent unserer kompletten Umsätze ausmacht, also ein wesentlicher Kernpunkt. Und wir haben den zweiten Bereich E-Commerce, also Internet-Handel. Diese Spezialisierung hat sich über die Jahre weiterentwickelt und zu einer notwendig hohen Qualität geführt. Wir Berater haben solch ein breites Feld. Wer glaubt, er könnte alles machen, ist zumindest auf einem unsicheren Weg. Das ist die Überzeugung für mich als Berater.
Heißt das, man sollte sich auf jeden Fall spezialisieren?
Nicht ausschließlich. In dem Moment, in dem ich mich auf etwas spezialisiere, und das kann auch ein großer Bereich sein, wie das Gesundheitswesen, erlange ich dort Spezialwissen. Das kostet Zeit, die fehlt mir für andere Branchen. Daher passt eine Spezialisierung nicht für jede Kanzlei. Je kleiner die Kanzlei, desto weniger kann ich mir meine Mandanten aussuchen. Aber es bietet sich für diejenigen an, die sich auf den Weg begeben und erkennen, eine Spezialisierung hat für uns Vorteile.
Worin sehen Sie die Vorteile der Spezialisierung?
Wir sprechen darüber, dass der Steuerberater Unternehmer ist. Da möchte ich auch einen Gewinn machen. Je spezieller ich bin, desto einfacher ist es für mich, Honorare umzusetzen. Dann das Qualitätsmanagement: Für mich ist Spezialisierung, dass ich auf einem gewissen Feld intensiv und kompetent arbeiten kann und mich in dem Thema sicher fühle, sodass ich selten Überraschungen erlebe. Das kann bei branchenfremden Themen schon mal passieren. Wenn ein Neugründer zu uns kommt oder eine bestehende Einrichtung, können wir fachkundig beraten, ein Paket anbieten, das überzeugt und das uns auch Freude macht.
So etwas merken wahrscheinlich auch potenzielle Mandanten oder es spricht sich herum.
Dass Mandanten einen Spezialisten wollen, nimmt zu. Stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen können zwar auch nebenbei bearbeitet werden, aber wenn Sie mit Pflegebuchführungsverordnung, Abrechnungssystem und Schnittstellen nicht täglich konfrontiert sind, dann fühlen Sie sich weder sicher noch können Sie Mandanten richtig dazu beraten. Das heißt, viele Interessenten suchen Spezialisten und das ist für uns der Vorteil, dass wir in den Netzwerken als Kanzlei, als Berater bekannt dafür sind, diese Leistungen in einer hohen Qualität zu erbringen. Man muss sich aber als Spezialist auch im Klaren darüber sein, dass das deutlich über den Bereich „Ich-mache-Buchführung-und-Löhne“ hinausgeht. Man muss als Berater aktiv werden und ist nicht nur als Verwalter einer administrativen Einrichtung.
Sich in der Branche Gesundheitswesen kompetent zu bewegen, ist wahrscheinlich gerade daher wichtig, weil sie vor Corona schon als Problemkind galt. Wie geht es der Branche generell?
Was ich über die vergangenen 20 Jahre beobachte, sind zunehmende Dokumentation und Bürokratie. Es gibt zwar gute Hilfen in den Einrichtungen, wie Software-Produkte, die beispielsweise eine Dokumentation per Smartphone erstellen. Das ist besonders im ambulanten Bereich eine Hilfe. Aber was diese Hilfe an Zeit einspart, ist die Zeit, die aufgrund der Dokumentationen überhaupt erst benötigt wird. Es besteht also von Anfang an eine hohe Anforderung. Die wird deshalb noch bewältigt, weil die Einrichtungen schon Jahre damit umgehen. Jüngere Einrichtungen, insbesondere ambulante Pflegeeinrichtungen, gehen von Beginn an einen stark digitalisierten Weg. Den müssen sie gehen, sonst schaffen sie die gesamte Verwaltung nicht mehr.
Pflegeverbände, -kassen und Regierung haben sich letztes Jahr auf ein Entlastungspaket geeinigt. Das ist immerhin ein Anfang. Was müsste noch passieren?
Für soziale Einrichtungen ist es schwierig, mit dem Kontingent an Zeit und Stunden für die Verwaltungstätigkeit auszukommen. Man muss in den entsprechenden Pflegesätzen den Verwaltungskostenanteil höher ansetzen, sprich, auch dort mehr Personal einsetzen, um den Pflegekräften Arbeit abzunehmen. Aber heute sind die Verwaltungsmitarbeiter damit beschäftigt, die kaufmännischen Prozesse inklusive Buchführung zu verwalten und was darüber hinaus damit zusammenhängt. Das ist einfach zu viel! Das bedeutet, Pflegekräfte müssten dadurch entlastet werden, dass die administrativen Tätigkeiten durch entsprechendes Personal erledigt werden.
Mehr Personal kostet mehr. Können Sie als spezialisierter Steuerberater hier unterstützen?
Die Auslagerung klassischer Dinge, wie Buchführung, Lohn, Abschlussarbeiten, ist absolut möglich. Wir helfen auch bei wirtschaftlichen Themen, vollkommen klar. Allerdings ist das abhängig von der Größe der Einrichtung.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Nun, in kleineren Einrichtungen, oder auch beispielsweise in ambulanten Pflegeeinrichtungen sind wir sehr in die Abläufe involviert. In größeren Einrichtungen werden Buchführungen selbst gemacht, weil aufgrund der gesetzlichen Abrechnungsthemen die Datensätze digital in den vorhandenen Software-Produkten umzusetzen sind. Wir arbeiten an der Schnittstelle sehr eng mit DATEV zusammen, sodass wir Daten einspielen und auch entsprechend des Kontenrahmens weiterverarbeiten können. Eine weitere Auslagerung dessen, was man administrativ auslagern kann, sehe ich aber, zumindest in unserer Unternehmensgröße und in der Ausrichtung der Spezialisierung nicht. Da geht es um Dinge, die den Pflegebereich betreffen.
Ist Ihren Mandanten bewusst, dass sie sich auf diese Weise entlasten können?
Ich habe Mitarbeiter, die nur dafür tätig sind und mit denen ist im Prinzip abgesprochen, dass wir unseren Zeitaufwand in die Beratung stecken und nicht in die Verarbeitung von Daten. Bei Verbesserungspotenzial setzen wir DATEV-Produkte ein. Bei vielen machen wir beispielsweise die Lohnvorerfassung nicht mehr, da haben wir in den letzten Jahren über Unternehmen online und die digitale Personalakte eingeführt. Wir haben auch Arbeitnehmer online eingeführt. Im Lohn ist das extrem: Wenn Sie sich vorstellen, wie viele Bescheinigungen bei einer entsprechenden Mitarbeiterzahl jeden Monat gefertigt werden müssen, können Sie durch diese Software mindestens die Hälfte der Zeit für Zusatzarbeiten und Bescheinigungen einsparen. Hier gehen wir auf die Mandanten zu.
Wenn Berufskolleginnen oder -kollegen auf den Geschmack der spezialisierten Beratung dieser Branche kommen, was empfehlen Sie denen?
Wie in anderen Branchen auch, muss man sich überlegen, welches Wissen erforderlich ist. In der Pflegebranche sollten sie sich zumindest ein gutes Grundlagenwissen aneignen. Was bedeutet Pflegebuchführungsverordnung? Sodass ich zumindest beurteilen kann, ob die in die Pflegebuchführungsverordnung gehören. Was ist hinsichtlich der Kosten- und Leistungsrechnungen speziell für die Pflegeeinrichtung zu wissen? Dass ich diese Spezialisierung in der Kostenrechnung habe, die ich beispielsweise für die Pflegesatzverhandlungen brauche. Wie kann eine Vorbereitung auch zur Pflegesatzverhandlung durch den Steuerberater begleitet werden? Dass ich Mitarbeiter habe, die danach auch buchen können, je nach Einrichtung. Das sind die Basics. Sie fühlen sich einfach sicher, wenn Sie wissen, worüber Sie reden, auch im Detail, und nicht nur Ihre Steuerparagrafen auswendig kennen.
Mehr dazu
finden Sie unter www.datev.de/steuerberatung oder zur branchenspezifischen Beratung sozialer Einrichtungen.