Besteuerung von Bitcoin & Co. - 26. März 2021

Ungeklärte Rechtslage

Bislang haben weder die Legislative noch die Judikative für Rechtsklarheit gesorgt, wenn es um die Besteuerung von Krypto Geschäften geht. Daher ist es mehr als geboten, sich mit aktuellen Aspekten in diesem neuen steuerlichen Bereich vertraut zu machen, nicht zuletzt auch um die Haftung auszuschließen.

Gemäß § 85 der Abgabenordnung (AO) haben die Finanzbehörden sicherzustellen, dass Steuern nicht zu Unrecht erhoben werden. Spätestens seit der Veröffentlichung des Beschlusses des Finanzgerichts (FG) Nürnberg (3 V 1239/19 vom 08.04.2020, DStR 2020, 1243 ff.) müssten die vom FG festgestellten tatsächlichen und rechtlichen Zweifel an der Besteuerungspraxis einiger Finanzämter allgemein bekannt sein. Beachtet man dies bei der Beratung oder Deklaration nicht, könnte es zu einer Schadenersatzpflicht gegenüber den Mandanten führen.

In der realen Welt noch nicht angekommen

Bereits heute stehen uns interessante Anwendungen durch den Einsatz von DLT-Technologie zur Verfügung. Zukünftige Möglichkeiten scheinen fast grenzenlos zu sein.  Es ist jedoch festzustellen, dass selbst die bereits heute bestehenden Ausprägungen der virtuellen Welt in der realen Welt der Steuergesetzgebung noch keine Auswirkungen hatten und dass die aktuelle Bundesregierung auch nicht gedenkt, daran etwas zu ändern (siehe auch: BT-Drucksache 19/25645).

Besteuerung contra legem?

Erfolgt eine Besteuerung von Einkünften im Zusammenhang mit Kryptowährungen mancherorts contra legem, weil der Grundsatz des Beschlusses vom FG Nürnberg (a.a.O.) nicht beachtet wird („Letztlich sollte bei der Qualifizierung einer Kryptowährung als Wirtschaftsgut schon möglichst klar sein (…), worüber man eigentlich entscheidet.“)?

Öffentliches Kontenbuch DLT

Das bekannteste Blockchain-System Bitcoin gehört – wie andere auch – zu den sogenannten Distributed- Ledger-Technologie-Systemen (DLT-Systemen). Distributed Ledger meint ein verteiltes Kontenbuch und bedeutet, dass es sich um ein öffentliches, dezentral geführtes Kontenbuch handelt,das von allen jederzeit eingesehen werden kann (vgl. Schlund/Pongratz, „Distributed-Ledger-Technologie und Kryptowährungen – eine rechtliche Betrachtung“, DStR 2018, 598).

Kryptowährung versus staatliche Währung

DLT-Systeme, die konzipiert wurden, um damit bezahlen zu können, werden auch als Kryptowährung bezeichnet. Nachfolgend wird nur auf die anspruchslosen Ausprägungen eingegangen, also solche, die keine der in § 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erwähnten Ansprüche gewähren. An diesen DLT-Systemen – wie etwa Bitcoin – oder Bestandteilen davon, kann kein Eigentum, Besitz oder eine andere Rechtsposition im Sinne des BGB existieren oder erlangt werden – anders als bei einer staatlichen Währung (Fiat-Geld), Gold, Aktien, Rechten und anderen Forderungen. Kryptowerte, gegebenenfalls auch die darunter zu fassenden Kryptowährungen, stellen weder Geld noch eine Währung dar [§ 1 Abs. 11 Nr. 10 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG)].

Welcher Bestandteil des DLT-Systems ist als Wirtschaftsgut zu qualifizieren?

Der Coin selbst ist jedenfalls nicht als Wirtschaftsgut zu qualifizieren, denn er ist laut Definition im Bitcoin-Whitepaper lediglich eine digitale Signaturkette, eine in der Blockchain dokumentierte Transaktionshistorie. Dann bleibt als mögliches Wirtschaftsgut nur die Teilnahmemöglichkeit an dem jeweiligen DLT-System übrig beziehungsweise die Möglichkeit, an einem Glücksspiel teilzunehmen; die Commerzbank etwa setzt die Beteiligung an derartigen DLT-Systemen mit dem Gang ins Kasino oder einer Teilnahme an einem Hütchenspiel auf der Straße gleich. Die Konsequenz wäre, dass Einkünfte (+/-) aus der Beteiligung an einem solchen DLT-System genauso wenig einkommensteuerbar wären, wie die Einkünfte (+/-) aus anderen reinen Glücksspielen, Wetten oder Lotterien.

Finanzbehörden sehen das anders

Einige Finanzämter versuchen, diese Einkünfte (+/-) als Ergebnis privater Veräußerungsgeschäfte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) wie Geschäfte mit Fremdwährungsbeträgen zu besteuern. Sie haben hierfür allerdings die Beweis- und Feststellungslast zu tragen und müssen also zunächst den veräußerten Bestandteil des jeweiligen DLT-Systems identifizieren und dann begründet feststellen, dass dieser die Eigenschaft eines Wirtschaftsguts erfüllt, welcher darüber hinaus von einem Rechtsvorgänger entgeltlich erworben, also angeschafft und innerhalb von zwölf Monaten an einen Rechtsnachfolger entgeltlich veräußert wurde.

Ist eine Teilnahmemöglichkeit an einem DLT-System immer als Wirtschaftsgut zu qualifizieren?

Laut Bundesfinanzhof (BFH) können zwar auch konkrete Möglichkeiten bereits Vermögenswerte sein, müssen deshalb aber nicht sogleich zwingend Wirtschaftsgüter sein (vgl. hierzu Schroen, „Sind Bitcoin und Co. Wirtschaftsgüter gemäß der gefestigten BFH-Rechtsprechung?“, DStR 2019, 1369). Mit dem Kauf von BTC erwirbt man die Teilnahmemöglichkeit für das DLT-System Bitcoin.

Reale Steigerung der Leistungsfähigkeit

Durch die Virtualisierung, also den Kauf einer Teilnahmemöglichkeit für die virtuelle Welt, erfolgt der Übergang aus der Realwelt und somit zunächst eine Minderung der Leistungsfähigkeit (BFH-Urteil vom 24.01.2012 – IX R 62/10 BStBl. 2012 II S. 564). Erst durch den späteren Weiterverkauf der Teilnahmemöglichkeit gegen reale Währung erfolgt eine Realisierung. Erst die realisierte Steigerung der Leistungsfähigkeit könnte gegebenenfalls der Besteuerung unterliegen (BFH vom 02.05.2000 – IX R 73/98 BStBl. 2000 II S. 614).

Vorteil für den Betrieb?

Lässt sich ein Kaufmann in BTC bezahlen, kann der Kunde und jeder, der diese Bitcoin-Adresse erfährt, auf dem öffentlich einsehbaren Konto alle Eingänge und Ausgänge ansehen. Ebenso kennt der Kaufmann nun die Bitcoin-Adresse des Kunden und kann dort herumstöbern. Verglichen mit einem Bankkonto wäre das so, als ob jeder Neugierige alle Ein- und Auszahlungen mit Datum – aber ohne Buchungstext – sehen könnte. Die geplante Änderung des Geldwäschegesetzes soll dem Kaufmann bei einem Zugang an Kryptowerte ab einem Gegenwert von 1.000 Euro weitere Prüfungspflichten aufbürden. Existenzielle Gefahren bestehen durch Blackmailing (Erpressung) und Ransomware sowie darin, dass der Staat einen sogenannten Tainted Coin entschädigungslos beschlagnahmt, weil der Coin einmal mit einem Public Key für illegale Aktivitäten verknüpft war, beziehungsweise darin, dass dieser Tainted Coin an einer Börse nicht in Euro getauscht werden kann. Es ist fraglich, ob eine Teilnahmemöglichkeit unter diesen Umständen und Bedingungen für einen ordentlichen Kaufmann einen Vorteil für seinen Betrieb darstellt.

Objektiv werthaltige Position?

Es muss sich um eine objektiv werthaltige Position handeln. Das Vorsichtsprinzip verlangt die Berücksichtigung aller Risiken, die hinsichtlich der künftigen Erstarkung zu einer Zivilrechtsposition noch bestehen (BFH vom 07.08.2000 – GrS 2/99 BStBl 2000 II S. 632). Wie oben dargestellt, kann es schon zu keiner Erstarkung zu einer Zivilrechtsposition kommen – allein deshalb schon dürfte die Wirtschaftsguteigenschaft bereits in Frage gestellt sein. Aber auch die Werthaltigkeit, also das Wertbehalten über einen angemessenen Zeitraum, ist nicht gegeben, was sich aus der enormen Volatilität des Preises für die Teilnahmemöglichkeiten in DLT-Systemen zeigt.

Systemimmanente Attacken

Gerade wieder einmal hat eine 51-Prozent-Attacke dafür gesorgt, dass Teilnehmer sozusagen aus dem Spiel geworfen wurden, und zwar bei der Kryptowährung VERGE (XVG), immerhin eine der Top-100-Währungen von circa 10.000. „Die Transaktionshistorie ist gerade verschwunden. Dies ist wahrscheinlich die tiefste Neuorganisation, die jemals in einer ´Top 100´-Kryptowährung stattgefunden hat.“ Was bedeutet das nun? Die letzten 200 Tage der Transaktionshistorie (der Spielzüge) wurden rückwirkend gelöscht. Die Möglichkeit von 51-Prozent-Attacken ist allerdings systemimmanent, da – vereinfacht dargestellt – in diesen DLT-Systemen (zum Beispiel Bitcoin) die einfache Mehrheit der Rechenkapazitäten darüber entscheidet, welche Transaktionen anerkannt werden und welche nicht. Somit übt diese Mehrheit die tatsächliche Herrschaft aus und kann­ für – auch rückwirkende – Veränderungen der Transaktionshistorie sorgen. Verglichen mit einem Bankkonto wäre das so, als ob plötzlich – systemimmanent – die Buchungen der letzten 200 Tage für immer verschwinden könnten und keinerlei rechtliche Möglichkeiten bestünden, die Bank zur Korrektur oder zu Schadenersatz zu zwingen. Auch hier ist fraglich, ob eine solche Teilnahmemöglichkeit für einen ordentlichen Kaufmann eine objektiv werthaltige Position darstellt.

Fazit

Da insbesondere die Eigenschaft als Wirtschaftsgut zumindest zweifelhaft ist und somit die gesamte Besteuerung, sollten die Mandanten diesbezüglich alles dokumentieren, der Steuererklärung in Papierform beifügen und das Finanzamt darauf hinweisen, dass die Dokumentation und alle Berechnungen vom Mandanten vorgenommen und nicht vom Steuerberater geprüft wurden. Außerdem sollte das Finanzamt darauf hingewiesen werden, dass die dokumentierten Krypto Geschäfte, insbesondere die Nichtrealisierungen, als für nicht steuerbar erachtet werden und das Finanzamt, falls gegenteiliger Meinung, jeden einzelnen Kauf oder Verkauf – insbesondere, wenn er nicht realisiert wurde – in tatsächlicher und auch rechtlicher Sicht auf die Steuerpflicht hin zu überprüfen hat (FG Nürnberg a.a.O.). In Einspruchsfällen kann mit Bezug auf ein beim FG Köln anhängiges Verfahren (14 K 1178/20) Verfahrensruhe gemäß § 363 AO beantragt werden. Hat das Finanzamt den Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt und eine Einspruchsentscheidung gefällt, wogegen Klage erhoben wird, sollte in einem Anschreiben zur Klage sehr deutlich und unübersehbar auf § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen werden.

Zum Autor

OCS
Oliver Christian Schroen

M. A., Dipl.-Betriebswirt (FH) und Steuerberater in der PETER & ¬PARTNER Treubilanz Steuerberatungs¬gesellschaft mbH in Berlin

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