Grundstückserwerb - 29. Juli 2021

Kaufpreise korrekt aufteilen

Ein richtungsweisendes Urteil des Bundesfinanzhofs besagt, dass die Arbeitshilfe des Bundesministeriums der Finanzen zur Aufteilung des Kaufpreises bei Grundstücksanschaffungen ungeeignet ist. Die Folgen für die tägliche Praxis sind weitreichend und sollten unbedingt beachtet werden.

Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung ist bei einer Grundstücksanschaffung der zu entrichtende Gesamtkaufpreis auf die Wirtschaftsgüter Grund und Gebäude aufzuteilen. Dabei gilt, dass hinsichtlich der Aufteilung des Gesamtkaufpreises zum Zwecke der Abschreibung von der sogenannten Verkehrswertmethode und damit vom Verhältnis der Teilwerte bei Betriebsvermögen und vom Verhältnis der Verkehrswerte bei Privatvermögen auszugehen ist, die gemäß den Verfahren nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) – Ertrags-, Vergleichs- und Sachwertverfahren – zu ermitteln sind. Die so einzeln ermittelten Teiloder Verkehrswerte der Wirtschaftsgüter Grund und Gebäude werden im prozentualen Verhältnis auf den Kaufpreis angewendet und daraus wird die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung entwickelt. Was einfach klingen mag, stellt die Praxis vor erhebliche Schwierigkeiten.

Rechtsauffassung des BFH

Die Frage der anzuwendenden Aufteilungsmethode hinsichtlich des Gesamtkaufpreises bei Grundstücksanschaffungen ist seit Langem Gegenstand fortdauernder finanzgerichtlicher Verfahren. So tendierte der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10. Oktober 2000 (BFH, IX R 86/97, BStBl. II 2001 183) grundsätzlich zum Sachwertverfahren, aber präzisierte seine Rechtsprechung in den folgenden Jahren dahin gehend, dass das Ertrags-, Vergleichs- und Sachwertverfahren gleichrangig nebeneinander für die Berechnung der Kaufpreisaufteilung anwendbar sind. Demnach muss im Einzelfall entschieden werden, welchem Verfahren der Vorzug zu geben ist.

Bedenken gegen das Sachwertverfahren

Ausgangspunkt der Kritik des BFH im Grundsatzurteil vom 21. Juli 2020 (IX R 26/19) an der früheren Auffassung der Finanzverwaltung war die Tatsache, dass diese die Vornahme der Kaufpreisaufteilung auf das (vorläufige) Sachwertverfahren verengt; zudem ist die alte Arbeitshilfe des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ohne jedwede Plausibilitätsprüfung nicht mit einer Marktanpassung ausgestattet. Gebäudeanteile am Gesamtkaufpreis von weniger als zehn Prozent sind und waren dabei keine Seltenheit. Demzufolge ist die Auswahl der Verfahren anders vorzunehmen, nämlich anhand der allgemein anerkannten Grundsätze aus der Verkehrswertermittlung gemäß der ImmoWertV und stets unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten sowie der sonstigen Umstände des Einzelfalls mit jeweils individueller Begründung. Da Kaufpreisaufteilungen in den meisten Fällen nur bei Immobilien zum Tragen kommen, die für Vermietungs- und Verpachtungszwecke genutzt werden, ist das Ertragswertverfahren bei Fehlen von Vergleichskaufpreisen anzuwenden, was in der Praxis häufig anzutreffen ist.

Aktuelle Sicht der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat zwischenzeitlich am 26. April 2021 eine neue, von den obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern abgestimmte Arbeitshilfe veröffentlicht. Diese Arbeitshilfe des Bundesministeriums der Finanzen (sogenannte BMF-Arbeitshilfe 2.0) stellt auf den ersten Blick eine Abkehr vom grundlegend verworfenen vereinfachten Sachwertverfahren dar und bevorzugt nun mit einer vorgegebenen Methodenreihenfolge – Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren und abschließend Sachwertverfahren – das Vergleichs- und das Ertragswertverfahren. Die Öffnung der Methodenauswahl ist grundsätzlich zu begrüßen, obwohl kritisch gegenüber der BMF-Arbeitshilfe 2.0 anzumerken ist, dass die fest vorgegebene Methodenreihenfolge der einander gleichwertig anwendbaren Wertermittlungsmethoden der BFH-Rechtsprechung entgegensteht. Ebenso muss angemerkt werden, dass die in der neuen BMF-Arbeitshilfe 2.0 angegebenen Wertermittlungsmethoden entweder in der Praxis nicht realisierbar sind oder nicht der ImmoWertV entsprechen. So ist das Vergleichswertverfahren schon allein dem Grunde nach nicht umsetzbar, weil vom jeweils örtlich zuständigen Gutachterausschuss beispielsweise eine Musterwohnung als Normobjekt mit klar definierten Objekteigenschaften zuzüglich entsprechender Korrekturfaktoren bezüglich des jeweiligen Bewertungsobjekts vorhanden sein muss. Da dies derzeit nicht der Fall ist, kann das Vergleichswertverfahren jedenfalls bis auf Weiteres nicht angewendet werden (vgl. FG Niedersachsen vom 11.04.2014, 1 K 107/11, EFG 2014, 1364). Beim Ertragswertverfahren handelt es sich nicht um das Ertragswertverfahren nach der ImmoWertV, sondern um ein vereinfachtes Ertragswertverfahren nach §§ 184 ff. Bewertungsgesetz (BewG). Es erfüllt bereits deshalb nicht die Vorgaben aus der BFH-Rechtsprechung. Ebenso entspricht das in der BMF-Arbeitshilfe 2.0 vorgeschlagene vereinfachte Sachwertverfahren nicht der Immo-WertV und ist auch mit der zusätzlichen Ausstattung eines gegebenenfalls optional eingebbaren Regionalfaktors für die Kaufpreisaufteilung ungeeignet. Denn die sogenannten marktangepassten Orts- und Regionalisierungsfaktoren liegen nach heutigem Stand bei den Gutachterausschüssen nicht vor und eine Anwendung kann daher kurz- bis mittelfristig nicht erwartet werden. Dies gilt ebenso für die bisherige Anwendung von sogenannten Regionalfaktoren in Bayern, da diese keine, vom BFH allerdings geforderte Marktanpassung enthalten, sondern lediglich die Gebäudekostenerhöhungen aufgrund regionaler Baukostenunterschiede. Daher ist die vom BFH geforderte Marktanpassung nicht gegeben und auch der bayerische Sonderweg letztendlich eine Sackgasse. Schließlich ist anzumerken, dass sowohl die schlichte Aufteilung des Gesamtkaufpreises nach fixen Prozentsätzen – in der Praxis häufig anzutreffen sind zum Beispiel 80/20 oder 70/30 – als auch die sogenannte Restwertmethode als Differenz nach Abzug des Bodenwerts (= Bodenrichtwert x Grundstücksfläche) vom objektspezifisch angepassten Vergleichsfaktor (Euro/m²) beziehungsweise vom individuell vereinbarten Gesamtkaufpreis unseres Erachtens auch weiterhin nicht zulässig sind.

Beispielhafte Berechnung

Umgekehrtes Ertragswertverfahren

Es stellt sich nun die Frage, welche Lösungsmöglichkeiten bestehen – abseits der BMF-Arbeitshilfe 2.0 oder eines eingeholten kostspieligen Gutachtens, das der BFH aufgrund seines Urteils vom 21. Juli 2020 im finanzgerichtlichen Verfahren fordert. Eine Lösung könnte das sogenannte umgekehrte Ertragswertverfahren sein. Es ist derzeit das einzige Berechnungsmodell, das der ImmoWertV entspricht und sowohl in Gutachten als auch im steuerlichen Massenverfahren angewendet werden kann. Den Auftakt des Verfahrens macht der notariell vereinbarte Kaufpreis, sofern dieser im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt wurde und er in einen jährlichen Reinertrag gemäß § 17 ImmoWertV umgerechnet wird. Hieran werden der Bodenanteil pro Jahr und der Gebäudeanteil pro Jahr ermittelt, wobei – als Herzstück der Methode – der reduzierte Bodenwert, der erst nach Ablauf der Restnutzungsdauer der darauf befindlichen baulichen Anlagen erzielt wird, ausschließlich dem Bodenanteil am notariell vereinbarten Kaufpreis zugeordnet wird. Große Vorteile der Methode sind die einfache und damit massenhafte Anwendbarkeit im Veranlagungsverfahren sowie die Übereinstimmung mit der Immo-WertV. Damit steht der Praxis ein Aufteilungsverfahren zur Verfügung, das selbst bei hohen Bodenrichtwerten sowohl der Finanzverwaltung als auch den Steuerpflichtigen reale und objektive Kaufpreisaufteilungsergebnisse liefert. Ein ausführliches Beispiel zur Anwendung des umgekehrten Ertragswertverfahrens findet sich in der Online-Version dieses Beitrags sowie in der Zeitschrift DStR 2020, 481.

Chancen bei bisher unterlassener AfA

Unabhängig von formeller und materieller Bestandskraft einer Steuerfestsetzung kann die Kaufpreisaufteilung anhand des umgekehrten Ertragswertverfahrens in späteren Veranlagungszeiträumen erneut geprüft und neu ermittelt werden. Dies ist auch die Auffassung der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit unzutreffend vorgenommenen Kaufpreisaufteilungen (vgl. H 7.4 „Unterlassene oder überhöhte AfA“ EStH 2019). Somit können in den Folgejahren versehentlich unterlassene AfA-Beträge nachgeholt werden. Die Absetzung für Abnutzung (AfA) ermittelt sich zwar weiterhin nach den gesetzlich vorgeschriebenen Prozentsätzen, aber auf der Grundlage eines durch die Änderung der Kaufpreisaufteilung erhöhten Gebäudewertanteils. Der Abschreibungszeitraum verlängert sich so um die nicht beanspruchte AfA.

Vorsicht bei einer übernommenen AfA

Darüber hinaus ist Vorsicht geboten, wenn die AfA eines Vorberaters ungeprüft übernommen wird. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig gilt dies als Verstoß gegen die Pflichten aus dem Steuerberatervertrag; begründet wird dies insbesondere damit, dass eine umfassende Beratung vom Steuerberater geschuldet wird und diejenigen Schritte anzuraten sind, die Nachteile für den Mandanten verhindern beziehungsweise die zum erstrebten Ziel führen (OLG Braunschweig vom 12.02.2020, 11 U 142/18). Der Mandant ist deshalb darüber zu belehren und es sind ihm die Wege und die dafür erforderlichen Schritte aufzuzeigen. Ebenso ist eine Haftung nicht durch das Argument eines eingetretenen Vorteilsausgleichs wegzudiskutieren, da der Vorteilsausgleich mit Inanspruchnahme der tatsächlichen und höheren AfA bestenfalls erst nach Jahrzehnten eintritt und obendrein unsicher ist, ob die unterlassene AfA überhaupt noch zu Lebzeiten des Mandanten nachgeholt werden kann. Der Beraterschaft ist deshalb zu empfehlen, Dauersachverhalte bei Übernahme eines Mandatsverhältnisses zu ermitteln und – falls erforderlich – steuerrechtlich neu zu würdigen. Mit Blick auf eine Kaufpreisaufteilung kann ein solches Handeln des Beraters geboten sein, da sich aufgrund der geänderten Wahl des Wertermittlungsverfahrens sowie des BFH-Urteils vom 21. Juli 2020 mithilfe des (umgekehrten) Ertragswertverfahrens unter Umständen wesentlich höhere Abschreibungsbemessungsgrundlagen für den Mandanten erzielen lassen.

Fazit

Es ist zwar zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung versucht, sich der Auffassung des BFH anzunähern. Dennoch verbleibt es zunächst nur bei einem verunglückten Versuch. Die Beraterschaft sollte die laufende Entwicklung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls weiter verfolgen, ihre Mandanten über die Möglichkeit einer anderen Verfahrenswahl belehren und im Falle besonders krasser Abweichungen bei einem Ergebnis der BMF-Arbeitshilfe 2.0 dies auch durchsetzen. Schließlich kann bei frühzeitiger Begleitung beim Kaufprozess des Mandanten die Rechtssicherheit der AfA durch Aufteilung im notariellen Kaufvertrag unter Zuhilfenahme des umgekehrten Ertragswertverfahrens bedeutend erhöht werden.

Zu den Autoren

SG
Stefan Geiling, LL.M., M.A.

Steuerberater und Partner der Sozietät Jürgen Geiling & Partner in Cham.

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JJ
Dr.-Ing. Jürgen Jacoby

Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Wertermittlung von bebauten sowie unbebauten Grundstücken. Er ist zudem geschäftsführender Gesellschafter der Kaufpreisaufteilung.de GmbH.

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