Sportvereine vor der Insolvenz - 23. September 2021

FC-Pleite verhindern

Gerade die unzähligen Vereine des Breitensports leiden massiv unter der Corona-Pandemie. Da die oft ehrenamtlichen Vorstände mit dieser Situation hoffnungslos überfordert sind, bedarf es der Unterstützung durch fachkundige Berater.

Die rund 90.000 Sportvereine und ihre 27 Millionen Mit­glieder in Deutschland leiden unter den Folgen der an­haltenden Lockdown-Regeln. Mehr noch: Viele Vereine sind an einem existenziellen Scheideweg angekommen. Weil Sponsoren und Werbepartner selbst ins Trudeln geraten, kündigen sie ihr Engagement oftmals auf oder legen es zu­mindest auf Eis. Fehlende Ticketeinnahmen und Mitglieder­kündigungen tun dann ihr Übriges, um den jeweiligen Sport­verein in finanzielle Schieflage zu bringen. Der Vorstand steht in dieser prekären Situation unter besonderem Druck. Er muss frühzeitig gegenlenken, die Kosten des Vereins an die neuen Umstände anpassen, Rettungspakete beantragen und, wenn die Sanierung nicht gelingt, einen Insolvenzan­trag stellen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, droht ihm wegen Insolvenzverschleppung Schadener­satz. Gleiches gilt, wenn der Vorstand verfrüht einen Insol­venzantrag stellt und dadurch die Chance einer Sanierung vertan wird.

Fatale Gemengelage

Manchmal kommt die Insolvenz auf Raten daher. Im letzten Jahr dachten noch viele Verantwortliche in deutschen Sportverei­nen: „Ach, wird schon nicht so schlimm.“ Schließlich kamen nach dem ersten Shut­down der Wirtschaft die heiß ersehnten Lockerungen. Doch dann folgte im Herbst die zweite Welle. Die Vereinskassen waren plötzlich leer, Absagen und Kündi­gungen von allen Seiten. Und auch die Rettungspakete wur­den oft nicht in Anspruch genommen. Erstens waren nicht alle Verantwortlichen in den Vereinen ausreichend über die Hilfen für Vereine informiert – jedenfalls im Breitensport – und zweitens fühlte sich niemand so richtig zuständig. Dar­über hinaus vertrieb auch die zunächst bis zum 30. Septem­ber 2020 für beide zum Insolvenzantrag verpflichtenden Insolvenzgründe – Überschuldung und Zahlungsunfähig­keit – und im Anschluss die für den Insolvenzgrund der Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 gesetzlich an­geordnete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht die Sor­gen der Entscheidungsträgerinnen und -träger. Doch diese fatale Gemengelage rächt sich seit Jahresbeginn und noch gravierender seit dem 1. Mai 2021. Denn seit dem 1. Januar 2021 war die Pflicht zur Stellung eines eigentlich gebotenen Insolvenzantrags – zeitlich befristet bis zum 30. April 2021 – nur noch unter den Voraussetzungen ausgesetzt, dass der Verein im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Feb­ruar 2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hil­feleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Ab­milderung der Folgen der Covid-19-Pandemie gestellt hat, das Erhalten dieser Hilfen nicht offensichtlich aussichtslos war und die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife ausreichend ist. Seit dem 1. Mai 2021 gilt in­des die in § 42 Abs. 2 BGB statuierte Insolvenzantragspflicht uneingeschränkt.

Fremde Expertise in Anspruch nehmen

Überschuldung oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit – die­se beiden Parameter muss der Vorstand eines Sportvereins in einer Krise, wie sie Corona darstellt, im Grunde genommen taggenau prüfen und dokumentieren. Damit sind allerdings viele Vorstände in den Vereinen überfordert. Wann genau die Insolvenzreife eines Sportvereins eintritt und wie es gelingt, einen finanzschwachen Sportverein rechtzeitig zu sanieren und alle Handlungsoptionen auszuschöpfen, sollte im Zweifel von einem erfahrenen Insolvenzrechtsberater beantwortet werden. Da die Vorstände bislang meist wenig mit Insolven­zen zu tun gehabt haben, lautet daher ein erster Ratschlag: fremde Expertise in den Verein holen – auch deshalb, weil man in eigenen Angele­genheiten schnell betriebsblind wird, sich die finanzielle Lage insgeheim schönredet und so vor der bitteren Wahrheit zurück­schreckt.

Rechtzeitig Antrag stellen

Wenn der Verein nicht mehr in der Lage ist, seinen fälligen Verbindlichkeiten nach­zukommen, oder Überschuldung eingetreten ist, dann ist der Vorstand verpflichtet, unverzüglich beim zuständigen Amts­gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. So steht es in § 42 Abs. 2 BGB. Wird der Antrag verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner. Ein Insolven­zantrag ist in Deutschland nach wie vor mit einem Stigma be­haftet – zu Unrecht. In Wahrheit verhält es sich nämlich genau umgekehrt: Wer keinen Insolvenzantrag stellt, lässt die prekä­ren finanziellen Verhältnisse einfach unkontrolliert weiterlau­fen und verursacht dadurch noch größere wirtschaftliche Schäden. Wer dagegen die Verantwortung für die desolaten Finanzen übernimmt, der wählt das dafür vorgesehene Insol­venzantragsverfahren. Das verdient Anerkennung und Res­pekt – insbesondere in Zeiten von Corona. Hinzu kommt auch, dass gemeinnützige Vereine keine Wirtschaftsunternehmen sind und deshalb keine großen Umsätze generieren und keine nennenswerten Rücklagen bilden können.

Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Und wann genau liegen nun Überschuldung oder Zahlungs­unfähigkeit vor? Grundsätzlich gilt: Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vereinsvermögen nicht mehr ausreicht, um bestehende Verbindlichkeiten zu begleichen, es sei denn, die Fortführung des Vereins ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Zahlungsunfähigkeit liegt hingegen vor, wenn die laufenden Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt werden können. Das heißt, dass Rechnungen nicht fristgerecht zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit bezahlt werden können. Oft ist die Zahlungsunfähigkeit schon in der Gegenwart abzusehen. Deshalb nützt es den Vorstands­mitgliedern nichts, einfach wegzusehen. Unwissenheit schützt eben nicht vor den Konsequenzen. Daher liegt es im eigenen Interesse des Vorstands, den finanziellen Stand, also Liquiditäts- und Überschuldungsstatus ihres Vereins, fortlaufend zu überprüfen.

Insolvenzverschleppung verhindern

Im Falle einer nicht zu lösenden Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung muss der haupt- oder ehrenamtliche Vorstand einen Insolvenzantrag stellen, wenn aus der Sicht eines ordentlichen Vereinsvorstands der Verein nicht sanie­rungsfähig ist. Tut er dies nicht, so macht er sich wegen In­solvenzverschleppung haftbar und haftet mit dem Privatver­mögen für den Schaden. Dies gilt auch für den ehrenamtlich tätigen Vorstand, da die Haftungsprivilegierung des § 31a BGB im Ergebnis nicht greift. Auch bei der Insolvenzantrags­stellung sollten sich die Vorstände von einem Rechtsanwalt oder fachkundigen Steuerberater unterstützen lassen. Fol­gende Unterlagen werden insbesondere benötigt: eine Über­sicht des Vereinsvermögens, eine Liste der Verbindlichkeiten mit dem jeweiligen Betrag und dem jeweiligen Gläubiger so­wie eine Liste der Schuldner mit Angabe der jeweiligen Höhe der Forderungen. Die Insolvenzgerichte stellen entsprechen­de Formulare zur Verfügung. Doch zuvor sollten der oder die Vorstände alles unternehmen, um die Liquidität des Vereins zu erhalten oder wieder aufzustocken. In diesem Zusammen­hang kommen sowohl den staatlichen Corona-Hilfen als auch den Mitgliedsbeiträgen besondere Bedeutung zu.

Staatliche Corona-Hilfen

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags hat am 5. März 2021 nicht nur eine 200 Millionen Euro umfassende Corona-Überbrückungshilfe für Profisportvereine beschlos­sen – antragsberechtigt sind die Vereine der Ersten und Zweiten Liga (Männer und Frauen in Individual- und Mann­schaftssportarten, exklusive der Fußballbundesligen der Männer) und der Dritten Liga im Männerfußball. Darüber hi­naus kann der Sportverein auch Anträge für die im Bun­desministerium für Wirtschaft und Energie ange­siedelte, 25 Milliarden Euro umfassende, Überbrückungshilfe für kleine und mittle­re Betriebe bis 249 Mitarbeiter stel­len. Neben den Programmen des Bundes sind in den vergange­nen Wochen und Monaten für Sportvereine zudem zahlreiche Unterstützungsprogramme in den Bundesländern aufgelegt worden. Hier besteht die Aufgabe der Vorstände darin, alle infrage kommenden Fördertöpfe zu ermitteln und die ent­sprechenden Förderanträge zu stellen. Dadurch kann in eini­gen Fällen die Insolvenz noch abgewendet werden.

Vereinsspezifische Besonderheiten

Wird ein eröffnetes Insolvenzverfahren auf Antrag des Ver­eins wegen Wegfalls des Insolvenzgrunds oder mit Zustim­mung aller Gläubiger eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand des Vereins vor­sieht, aufgehoben, so kann die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins beschließen. Durch die Satzung kann ferner bestimmt werden, dass der Verein im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als nicht rechtsfähiger Verein fortbesteht; auch in diesem Falle kann unter den vor­genannten Voraussetzungen die Fortsetzung als rechtsfähi­ger Verein beschlossen werden; § 42 Abschn. 1 S. 2–3 BGB. Ob Vereinsmitglieder in der Insolvenz des Vereins weitere Mitgliedsbeiträge zahlen müssen und wer wann die Mitglied­schaft aufkündigen darf, ergibt sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls und der Besonderheiten in der jeweiligen Ver­einssatzung. Auch diese Fakten sollte der Vorstand frühzeitig zusammenstellen, damit der Insolvenzberater einen maßge­schneiderten Sanierungsplan ausarbeiten kann, aufgrund dessen der Verein dann hoffentlich schnell wieder aus dem Mangel in die Fülle gelangt.

Mehr dazu

Abrechnung der Vereine:
Dialogseminar online, www.datev.de/shop/77343 und Präsenzseminar, www.datev.de/shop/70630

Informationen zur Beratung der Branche Vereine unter www.datev.de/branchenberatung.

Zum Autor

TF
Dr. Timo Floren

Rechtsanwalt und Partner bei Spieker & Jaeger Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater PartGmbB in Dortmund.

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