Lohnsteuer - 28. Juli 2022

Extras mit Tücken

Das Angebot von Extras zum Lohn und Gehalt ist bei vielen Unternehmen mittlerweile gängige Übung. Doch ein steueroptimierter Einsatz von Mitarbeiterextras führt gerade im Lohnsteuerrecht häufig zu Fehlern. Daher können sich Steuerberater mit ihrer Fachkompetenz hier sehr gut positionieren.

Beinahe jede Branche leidet unter dem Mangel an Fachkräften. Laut Prognosen wird sich die Lage in Zukunft eher noch weiter verschärfen als entspannen. Die Schwierigkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, veranlasst Unternehmen, völlig neue Wege bei der Personalsuche zu gehen. Eine sehr beliebte Maßnahme zur Attraktivitätssteigerung ist der Einsatz von Vorteilen. Doch die gut gemeinte Geste, dem Mitarbeiter steuerbegünstigte Zuwendungen zukommen zu lassen, kann bei nicht ordnungsgemäßer lohnsteuerlicher Handhabe unangenehme Folgen haben. Der Mandant ist auf diesem Gebiet oft unsicher und befragt seinen Steuerberater. Schließlich ist das Lohnsteuerrecht komplex und eine Fehleinschätzung der Lohnsteuerpflicht beziehungsweise einer steuerlichen Begünstigung führt zu beträchtlichen Risiken und unter Umständen zu hohen Nachzahlungen. Auch wenn das Unternehmen für die korrekte Abführung haftet, könnten Geschäftsführer oder Vorstände zudem persönlich belangt werden. Umso wichtiger, einen kompetenten Steuerberater an seiner Seite zu haben, für den dies gleichzeitig ein interessantes Handlungsfeld sein kann.

Experten erkennen Fehlerquellen

Die Ursachen der Fehlerquellen sind sehr vielseitig. Mangelt es an Sensibilität für das Thema, fehlt es regelmäßig an entsprechenden Kontrollmechanismen und Strukturen zur Vermeidung von Abrechnungsfehlern im Unternehmen. Unter Umständen ist man dann auch nicht mit der aktuellen Gesetzeslage und den Entwicklungen in der Rechtsprechung sowie Dokumentationserfordernissen vertraut. Besonders kritisch wird es, wenn weitere Rechtsgebiete, wie etwa die Umsatzsteuer und Sozialversicherung, Einfluss auf die Mitarbeiterextras haben. Es empfiehlt sich daher, auf die fachliche Kompetenz eines Steuerberaters oder eines Vergütungsexperten zurückzugreifen.

Der Sachbezug als Klassiker

Unter der großen Auswahl an Mitarbeiterextras gibt es einige Klassiker, die besonders gerne zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität eingesetzt werden. Ein gutes Beispiel ist der Sachbezug. Hier können dem Mitarbeiter zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Sachwerte oder Warengutscheine zur Einlösung bei Dritten ausgegeben werden. Innerhalb einer Freigrenze von 50 Euro ab diesem Jahr pro Kalendermonat sind nach § 8 Abs. 2 S. 11 Einkommensteuergesetz (EStG) alle dem Mitarbeiter gewährten Sachzuwendungen steuer- und beitragsfrei. Genau diese Freigrenze wird von Unternehmen immer wieder überschritten und vom Fiskus beanstandet, weil dem Mitarbeiter gewährte andere Sachbezüge nicht in die Prüfung der Freigrenze einbezogen werden, wie zum Beispiel Geschenke zu Ostern oder das Pizzaessen am Freitag. Der Steuerberater muss deswegen über alle Sachbezüge im Bilde sein, damit es später zu keinen Beanstandungen kommt. Besonders der Einsatz von Gutscheinen und Geldkarten ist nach aktuellen Vorgaben stark eingeschränkt und somit besonders vom Steuerberater zu beachten. Ab 2022 werden sie nur noch dann steuerlich als Sachbezug anerkannt und begünstigt, wenn sie ausschließlich zum Bezug von Waren und Dienstleistungen berechtigen und zudem die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) erfüllen. Danach müssen sie mit einer der vorgegebenen Kategorien (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a, b oder c ZAG) zwingend übereinstimmen, um Anwendung zu finden. So gibt eine Kategorie beispielsweise einen begrenzten regionalen Kreis von Akzeptanzstellen vor, was sich zum Beispiel auf Gutscheinkarten von Einkaufscentern, auf Einzelhandelsketten oder auf regionale City-Cards auswirkt. Eine weitere Kategorie bezieht sich auf die limitierte Produktpalette, in der nur aus einem begrenzten Waren- oder Dienstleistungssortiment ausgewählt werden darf. Hierunter fallen zum Beispiel Tankkarten, Gutscheinkarten für den Erwerb von Büchern und Beauty-Produkten oder Tickets für Theater- oder Kinobesuche. Zusätzlich zu den ohnehin schwierigen Voraussetzungen bei diesem Vorteil werden in der Praxis manchmal Geldkarten falsch beladen. Statt korrekt eine monatliche Beladung vorzunehmen, geschieht dies oft als Einmalzahlung zum Ende des Jahres, beispielsweise als Weihnachtsgratifikation.

Perfekt für den Einzelhandel

Besonders beliebt im Einzelhandel sind die sogenannten Belegschafts- oder Personalrabatte beziehungsweise der Personalkauf. Arbeitnehmern werden hier kostenlos oder verbilligt Waren oder Dienstleistungen überlassen. Diese Vergünstigungen sind beim Arbeitnehmer grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen. Die Waren beziehungsweise Dienstleistungen sind zunächst mit dem Preis zu beziffern, der von Endabnehmern dieser Waren gewöhnlich gezahlt wird. Danach kann ein Bewertungsabschlag von vier Prozent vorgenommen werden. Steuerfrei sind die Waren oder Dienstleistungen dann bis zu einem Betrag von 1.080 Euro im Jahr.

Digitale Lösungen helfen

Das Fehlerpotenzial liegt in der Praxis vor allem bei den Aufzeichnungen. Von händisch ausgefüllten Tabellen bis zu gar keiner Dokumentation werden die Voraussetzungen der Finanzverwaltung oft nicht erfüllt. Existiert kein geordnetes System zur Erfassung, kann nicht nachvollzogen werden, welcher Mitarbeiter welche Vorteile erhalten hat, geschweige denn kontrolliert werden, ob und wann der jährliche Rabattfreibetrag erreicht ist. Zur Unterstützung und Reduzierung des internen Verwaltungsaufwands bieten sich mittlerweile digitale Lösungen an. Werden Einkäufe beispielsweise vom Mitarbeiter mit einer App auf seinem Handy erfasst, ist ein Missbrauch ausgeschlossen und die Dokumentation sowie die Kontrolle von Freibeträgen erfolgten automatisch. Steuerberater sollten sich daher mit den digitalen Lösungen vertraut machen oder zumindest über die verschiedenen Möglichkeiten Bescheid wissen.

Besonderheiten im Konzernbereich

Besondere Aufmerksamkeit gilt für Konzernunternehmen. Denn gewährt ein Konzern Mitarbeitern anderer Konzernunternehmen Rabatte, liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung Arbeitslohn durch Dritte vor, der in der Regel nach einer anderen Bewertungsvorschrift, und zwar § 8 Abs. 2 EStG, gegebenenfalls unter Anwendung der Sachbezugsfreigrenze von 50 Euro monatlich, zu bewerten und zu versteuern ist. Der Rabattfreibetrag findet hier keine Anwendung. Daher müssen Sachbezüge innerhalb eines Konzerns gemeldet und korrekt bewertet werden.

Mit Verpflegung punkten

Unternehmen können ihren Mitarbeitern arbeitstäglich verbilligte oder kostenfreie Mahlzeiten gewähren; ob in einer Kantine durch Ausgabe von Essensmarken in Papier- oder digitaler Form zur Einlösung bei Dritten oder auch über ein eigens zubereitetes Personalessen. Jede eingenommene Mahlzeit ist mit dem aktuell geltenden amtlichen Sachbezugswert zu bewerten und als geldwerter Vorteil zu versteuern und zu verbeitragen. Wird der Betrag pauschal versteuert, besteht Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung. Besonders beliebt ist die Ausgabe von Essensschecks zum Einlösen bei exter­nen Gaststätten, Bäckereien, Supermärkten oder Metzgerei­en. Dieser Vorteil bleibt ab 2022 bis zu einer Höhe von 6,67 Euro für den Mitarbeiter abgabefrei, wenn der Arbeitgeber 3,57 Euro pauschal mit 25 Prozent versteuert oder der Mitar­beiter diesen Betrag selbst zahlt. Auch bei dieser Zuwendung passieren häufig Fehler, da noch oft umständlich in Papier­form und händisch – ohne digitale Unterstützung – gearbei­tet wird. Essensschecks können falsch verteilt werden, wenn die Mitarbeiter zu viele Schecks auf einmal ausgehändigt be­kommen, aber auch falsch eingelöst werden, dies durch Mehrfacheinlösung der betreffenden Mitarbeiter an einem Tag. Eine App bietet hier ebenfalls mit ihren automatischen Kontrollfunktionen entscheidende Vorteile und vermeidet Fehler. Dazu tragen eine automatisierte Belegprüfung und die im Prozess verankerten Importdateien zur Lohnauszah­lung bei, sodass auch hier die Lohnbuchhaltung stark entlas­tet wird. Darüber hinaus werden Zuzahlungen des Mitarbei­ters zur Mahlzeit automatisch berücksichtigt und der steuer­pflichtige Vorteil wird dadurch gegebenenfalls reduziert.

Wenn Mitarbeiterextras an Attraktivität verlieren

Die Voraussetzungen bei der Einordnung von Zuwendungen ändern sich ständig. Was heute noch gilt, kann durch neue Ur­teile und Anweisungen der Finanzverwaltung in absehbarer Zeit nicht mehr möglich sein oder nur noch unter strengeren oder abgewandelten Vorgaben. Als Beispiel ist die Gehaltsum­wandlung zu nennen, also eine Umwandlung von Arbeitslohn in bestimmte steuerbegünstigte Zuschüsse, die einer soge­nannten Zusätzlichkeitsvoraussetzung unterliegen. Mit der Regelung in § 8 Abs. 4 EStG wurde klargestellt, dass nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sind. Eine Herabsetzung der bisherigen Vergütungsansprüche des Mitarbeiters oder auch eine Anrechnung einer vereinbarten Gehaltserhöhung sind somit nicht mehr möglich. Neue Vor­aussetzungen gelten auch bei der Beurteilung von Sach- und Barlohn. Nachträgliche Kostenerstattungen und zweckgebun­dene Zahlungen sind im Rahmen der beliebten Sachbezugs­freigrenze nicht mehr möglich, da sie inzwischen als Geldleis­tung angesehen werden. Der selbst gebastelte Gutschein oder Zuschüsse für das Fitnessstudio oder das Tanken zur späteren Erstattung gehören somit der Vergangenheit an. Das Glei­che gilt für sämtliche Geldkarten mit Barauszah­lungsfunktion. Ebenso sind die Hürden für die Platzierung von Firmenwerbeflächen auf Privatfahrzeugen der Mitarbeiter gegen eine monatliche Zahlung stark erschwert wor­den. Sowohl Finanzverwaltung als auch die Deutsche Rentenversicherung fordern neben einer strikten Trennung von Arbeits- und Werbevertrag samt fehlender Rückfallklausel zusätzlich auch einen sogenannten Fremdvergleich; das Werbeangebot muss auch für Dritte gel­ten. Der Steuerberater sollte seine Mandanten auf diese wich­tigen Änderungen rechtzeitig aufmerksam machen und sie bei notwendigen Umstellungen unterstützen.

Mehr Sicherheit durch Anrufungsauskunft

Bei der Einführung von Vorteilen empfiehlt es sich in der Re­gel, dass der Steuerberater eine lohnsteuerrechtliche Aus­kunft gemäß § 42 e EStG durch Anruf beim zuständigen Be­triebsstättenfinanzamt einholt, um später mögliche Bean­standungen bei Prüfungen zu vermeiden. Wichtig dabei ist, den konkret umzusetzenden Sachverhalt anzufragen und alle erforderlichen Dokumente, wie etwa arbeitsvertragliche Er­gänzungen und Erklärungen, vorzulegen, damit sie Bestand­teil der rechtsverbindlichen Auskunft sind. Auch eine Ab­stimmung mit den Sozialversicherungsträgern sollte nach Möglichkeit im Vorfeld erfolgen.

Fazit

In Zeiten des Fachkräftemangels sind die Unternehmen ge­zwungen, sich besondere Highlights einfallen zu lassen, um den Mitarbeitern und Bewerbern zu gefallen. Das Angebot von Extras zum Lohn und Gehalt gehört heute schon fast zum Standardrepertoire. Doch der steueroptimierte Einsatz von Vorteilen hat vor allem im Bereich der Lohnsteuer seine Tü­cken, sodass die fachliche Kompetenz eines Steuerberaters häufig unverzichtbar ist.

Zu den Autoren

GA
Gülperi Atalay-Akgün

Rechtsanwältin und Steuerberaterin in der Vierhaus Steuerberatungsgesellschaft mbH in Berlin.

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MV
Maximilian Vierhaus

Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Vierhaus Lohnkostenmanagement GmbH in Berlin

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