Insolvenz in Eigenverwaltung - 24. Juni 2021

Erleichterter Zugang

Für Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage bietet sich auch das Verfahren nach der früheren Rechtslage an. Ist die Krise des Betriebs Corona-bedingt, kommen die verschärften Zugangsvoraussetzungen nicht zum Tragen.

Neben dem neu geschaffenen, am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen – kurz StaRUG – wurde die Insolvenzordnung in einigen wichtigen Punkten angepasst. Diese Änderungen betreffen auch die Zugangsvoraussetzungen für eine Insolvenz in Eigenverwaltung, die anhand eines konkreten Fallbeispiels beleuchtet werden sollen.

Ausgangsfall

Die H-GmbH betreibt ein Hotel in Berlin und wird von Steuerberater S beraten. Die Geschäfte laufen gut, sodass die H-GmbH im Jahr 2018 ein Darlehen bei der B-Bank aufnimmt, um damit ein weiteres Hotel in Köln zu erwerben. Um im Jahr 2020 die pandemiebedingten Umsatzeinbrüche ausgleichen zu können, nimmt die H-GmbH weitere (KfW-)Darlehen auf. Doch auch im Frühjahr 2021 erholt sich die Umsatzsituation nicht, sodass Anpassungen der Arbeitnehmerstruktur sowie Nachverhandlungen eines langfristigen und unvorteilhaften Bierlieferungsvertrags erforderlich werden könnten. Ausweislich der Liquiditätsplanung kann die H-GmbH aufgrund von 100-prozentiger Kurzarbeit sowie dank der Überbrückungshilfen I bis III zunächst die gegenwärtigen sowie die innerhalb eines Prognosezeitraums von zwölf Monaten fällig werdenden Verbindlichkeiten fristgemäß erfüllen.

Unerwartete Komplikationen

Die Schwierigkeiten der H-GmbH haben sich wegen der pandemiebedingten Beschränkungen weiter verschärft. Nachdem S die neuen Möglichkeiten eines Restrukturierungsrahmens nach dem StaRUG mit seiner Mandantin erörtert hat, zeigt sich, dass die Probleme so nicht lösbar sind. Da der Gesellschafter der H-GmbH überraschend eine Finanzierungszusage zurückgezogen hat, wird eine Zahlungsunfähigkeit in spätestens zwei Monaten eintreten. Die H-GmbH wird nur überleben, wenn am Standort Berlin Angestellte entlassen und die zukünftigen Verpflichtungen aus dem Bierliefervertrag reduziert werden. Der Standort Köln muss aufgegeben werden. Nach Gesprächen mit dem Vermieter, dem Bierlieferanten und den Mitarbeitervertreterinnen und -vertretern wird klar, dass eine einvernehmliche Sanierung unwahrscheinlich ist. Da bei der Sanierung der H-GmbH neben der Reduzierung von Finanzverbindlichkeiten auch die Beendigung von unwirtschaftlichen Verträgen nötig wird, ist ein Insolvenzverfahren unvermeidbar. Der Geschäftsführer der H-GmbH und S prüfen nun, ob ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchführbar ist.

Sanierungsmöglichkeiten in der Eigenverwaltung

Sobald die bloße Schuldenreduktion für eine nachhaltige Sanierung nicht ausreicht und zusätzlich Verträge wie etwa Miet-, Arbeits- oder Lieferverträge beendet werden müssen, sind Maßnahmen des StaRUG nicht Erfolg versprechend. Es bedarf anderer Werkzeuge, sofern eine einvernehmliche Sanierung am Willen der Gläubiger scheitert. Hier bietet sich eine gerichtliche Sanierung durch ein Eigenverwaltungsverfahren an. Sofern die H-GmbH lediglich drohend zahlungsunfähig beziehungsweise überschuldet ist, kann auch ein Schutzschirmverfahren als Sonderform der Insolvenz in Eigenverwaltung gewählt werden. In beiden Fällen kann sich die H-GmbH über einen Insolvenzplan sanieren oder den Geschäftsbetrieb durch eine übertragende Sanierung an einen leistungsfähigen Neugesellschafter weitergeben. Bedeutsam für eine erfolgreiche Vorbereitung und Durchführung der Eigenverwaltung ist die intensive Unterstützung durch S, der die Zahlen und Besonderheiten der H-GmbH bestens kennt. Selbstredend werden alle während der laufenden Eigenverwaltung anfallenden Leistungen des S von der H-GmbH bezahlt. Ziel ist die nachhaltige Sanierung der H-GmbH und damit auch deren langfristiger Erhalt als Mandantin des S. In der Eigenverwaltung stehen die Werkzeuge der Insolvenzordnung vollumfänglich zur Verfügung. Dies gilt besonders für das scharfe Schwert der Vertragsbeendigung nach §§ 103 ff. Insolvenzordnung (InsO). Hierdurch wird der H-GmbH die verkürzte Kündigung von Arbeitsverhältnissen nebst einer Deckelung von Sozialplankosten sowie die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags in Köln mit einer Frist von nur drei Monaten ermöglicht. Zudem kann die Erfüllung und damit die Fortführung des unvorteilhaften Bierlieferungsvertrags abgelehnt werden.

Wichtige Änderungen

Nach der gesetzgeberischen Aufwertung des Eigenverwaltungsverfahrens im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber nun als Folge einer weiteren Gesetzesevaluation die Zugangsvoraussetzungen hierfür konkretisiert und verschärft. Wegen der Pandemie wurden vorübergehende Ausnahmeregelungen geschaffen, die es betroffenen Unternehmen bis zum 31. Dezember 2021 erlauben, die bisherigen, erleichterten Zugangsvoraussetzungen in Anspruch zu nehmen. Eine wesentliche Änderung ist die Konkretisierung der für den Eigenverwaltungsantrag erforderlichen Angaben und Voraussetzungen. Sofern eine Sanierung nicht bereits am Eigenverwaltungsantrag scheitern soll, muss die H-GmbH diesem eine nachvollziehbare Finanzplanung unter Insolvenzprämissen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten beifügen, aus der sich die Deckung der Verfahrenskosten sowie der Kosten einer Betriebsfortführung ergibt. Zudem muss der Antrag ein Konzept zur Durchführung der Eigenverwaltung und eine Übersicht des Stands der Verhandlungen mit den Gläubigern enthalten.

Weitere Zugangsvoraussetzungen

Die H-GmbH kann auch die weiteren Zugangsvoraussetzungen für eine Eigenverwaltung erfüllen. Dank der Hilfe durch S und weiterer spezialisierter Berater hat die H-GmbH die Insolvenz nicht verschleppt, sondern frühzeitig einen Eigenverwaltungsantrag vorbereitet. Die hierfür erforderliche Erklärung, dass bei Antragstellung keine Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern, Betriebsrentnern, Finanzamt und Sozialversicherungsträgern bestehen, kann daher guten Gewissens abgegeben werden. Zudem wurden die Jahresabschlüsse der H-GmbH in den letzten drei Jahren unter Beteiligung des S fristgemäß aufgestellt und veröffentlicht. Nachdem das Gericht die vorläufige Insolvenz in Eigenverwaltung angeordnet hat, kann die H-GmbH zusammen mit ihren Beratern einen Insolvenzplan ausarbeiten und die Gläubiger von dessen Vorteilen überzeugen. Nach Annahme des Plans sind die nötigen Sanierungsmaßnahmen wirksam geworden. Die H-GmbH kann wieder ihren Geschäften nachgehen.

Vorübergehende Ausnahme wegen der Pandemie

Die konkretisierten Zugangsvoraussetzungen gelten für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2021 nicht, wenn die Insolvenz durch die Pandemie begründet ist. Dies gilt unter anderem für solche Unternehmen, die bis zum 31. Dezember 2019 weder zahlungsunfähig noch überschuldet waren, die in dem vor dem 1. Januar 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ein positives Ergebnis erzielt haben und deren Umsatz im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen ist. Da dies bei der H-GmbH der Fall ist, kann sie ein Eigenverwaltungsverfahren auch dann durchführen, wenn sie die verschärften Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt.

Fazit

In Unternehmenskrisen bleibt das Eigenverwaltungsverfahren weiterhin ein wichtiges Instrument, um das Unternehmen nachhaltig neu aufzustellen. Für Betroffene der aktuellen Pandemie bietet sich das Verfahren nach der früheren Rechtslage mit seinen erleichterten Zugangsvoraussetzungen an.

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Zu den Autoren

SS
Stephan Strumpf

Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei FINKENHOF Rechtsanwälte in Frankfurt am Main.

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LH
Dr. Lukas Herbert

Rechtsanwalt und MBA (Edinburgh). Er ist in der Kanzlei FINKENHOF Rechtsanwälte in Frankfurt/Main ausschließlich mit den Themen Insolvenz und Sanierung befasst.

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