Phantomlohn - 21. Dezember 2020

Eine Frage der Zeit

Im Falle von Arbeitszeitfiktion oder auch beim Minijob können abzuführende Sozialversicherungsbeiträge unter gewissen Umständen zum Problem werden.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem ­Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Verein­barung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Aufgrund der Änderung von § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 11. Dezember 2018 entsteht dem Arbeitgeber jedoch ein neues Problem, wenn er mit seinem Arbeitnehmer keine klaren Regelungen über die Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden getroffen hat.

Phantomlohn durch Arbeitszeitfiktion

Falls keine Arbeitszeit vereinbart wurde, unterstellte das Gesetz bisher, dass zehn Stunden geleistet wurden. Seit dem 1. Januar 2019 ist die vermutete wöchentliche Arbeitszeit per Gesetz auf 20 Stunden angehoben worden mit der Folge, dass Sozialversicherungsbeiträge für die Anzahl von 20 Stunden geschuldet sind, auch wenn der Arbeitnehmer im gegenseitigen Einvernehmen weniger gearbeitet hat. Entscheidend ist also, dass der Arbeitgeber gemäß der neuen Gesetzeslage schriftlich mit dem Arbeitnehmer eine Mindest- oder Höchstarbeitszeit der wöchentlichen Stunden festlegt. Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit beinhalten, von der nur geringfügig abgewichen werden kann. Sowohl bei der Vereinbarung der Mindest- als auch der Höchstarbeitszeit gibt es nur einen Spielraum von 25 Prozent nach unten oder von 20 Prozent nach oben. Um einen Phantomlohn zu vermeiden, ist dringend erforderlich, jede Arbeitszeitvereinbarung sorgfältig zu prüfen und notfalls anzupassen.

Phantomlohn beim Minijobber

Mit der Neuregelung von § 12 TzBfG droht wegen der Verdoppelung der wöchentlich vermuteten Arbeitszeit von zehn auf 20 Stunden auch den Minijobbern Gefahr. Wenn keine schriftliche Vereinbarung existiert, hat die Sozialversicherung Anspruch auf die vermuteten wöchentlichen 20 Arbeitsstunden, gleichgültig wie viele Stunden tatsächlich gearbeitet wurden. Im Übrigen entfallen die Vorteile des Minijobs, wenn die Grenze von 450 Euro überschritten wird. Grund ist der seit 2015 geltende Mindestlohn, der auch für Minijobber gilt. Dieser beträgt ab 2020 9,35 Euro pro Stunde, 2019 waren es noch 9,19 Euro. Auch für Minijobs sind deshalb ab dem 1. Januar 2020 pro Stunde 9,35 Euro zu bezahlen. Das bedeutet, der Vorteil des Minijobs von 450 Euro entfällt automatisch, falls keine Regelung getroffen wurde. Denn dann greift die Vermutung des § 12 TzBfG, die unterstellt, das wöchentlich 20 Stunden à 9,35 Euro geleistet wurden. Das hat zur Folge, dass Arbeitgeber und Minijobber automatisch sozialversicherungspflichtig sind.

Zu beachten ist, dass auch bei regulären Minijobbern seit der Einrichtung eines stetig steigenden Mindestlohns die monatlich geschuldete Arbeitszeit regelmäßig sinkt. Denn alle zwei Jahre schlägt die Mindestlohnkommission eine Anpassung des Mindestlohns vor. Die letzte Anpassung erfolgte am 28.10.2020 durch Beschluss des Bundeskabinetts. Dieser sieht eine Anpassung in vier Stufen ab 01.01.2021 auf 9,50 Euro pro Stunde, auf 9,60 Euro ab 01.07.2021, 9,82 Euro ab 01.01.2022 und schließlich auf 10,45 Euro ab 01.07.2022 vor. Das hat für den Minijobber zur Folge, dass er ab Juli 2022 im Vergleich zum Jahr 2020 fünf Stunden weniger arbeiten muss (450,00 Euro: 9,35 Euro = 48, 1 Stunden, 450,00 Euro: 10,45 Euro = 43, 1 Stunden). Unabhängig davon sollte von der Bundesregierung mittelfristig das reguläre Entgelt für den Minijob erhöht werden, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf eine monatlich kalkulierbare Stundenzahl einrichten können. 

Mehr Dazu

Kompaktwissen Lohn und Personal: Der gesetzliche Mindestlohn in der Lohnabrechnung, 5. Auflage, Art.-Nr. 31378

Zur Autorin

LL
Lilli Löbsack

Rechtsanwältin in Berlin sowie Oberstaatsanwältin i. R.

Weitere Artikel der Autorin