Präventiver Restrukturierungsrahmen - 5. Juli 2021

Closed Jobs?

Ob die neuen Regeln zur Sanierung und Restrukturierung zu neuen Betätigungsfeldern für steuerliche Berater werden, ist zumindest fraglich. Aktuell dürften als Beauftragte sicherlich nur die Personen in Betracht kommen, die bei den Gerichten als Sachwalter beziehungsweise Insolvenzverwalter bekannt sind.

Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz – kurz StaRUG – als Teil des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG), das Anfang des Jahres in Kraft trat, hat der Gesetzgeber auch auf die Auswirkungen der Corona Pandemie reagiert. Primäres Ziel war aber, die bisherige Lücke zwischen außergerichtlicher Sanierung und Insolvenzverfahren zu schließen und Sanierungsmaßnahmen unter Umständen sogar gegen den Willen einzelner Gläubiger zu ermöglichen. Ob diese Regelungen zu neuen Beschäftigungsfeldern für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer führen, wird von manchen Experten ob der Komplexität des neuen Verfahrens zumindest bezweifelt.

Beteiligung des Restrukturierungsgerichts

Eine Restrukturierung nach dem StaRUG soll grundsätzlich nur zwischen Schuldner und Gläubiger verlaufen, eben gerade ohne die Einleitung eines Verfahrens bei Gericht oder die Einsetzung eines neutralen Dritten als Verwalter. Allerdings ist jetzt schon absehbar, dass viele StaRUG-Verfahren wegen ihrer Komplexität ohne Hilfe des Restrukturierungsgerichts keinen Erfolg haben werden, allein schon mit Blick auf die vielen damit verbundenen Fragen und den Schutz berechtigter Gläubigerinteressen. Ob der Schuldner nun ein Restrukturierungsplanverfahren oder eine Sanierungsmoderation beantragt, das Restrukturierungsgericht ist in jedem Fall verpflichtet oder berechtigt, eine unabhängige natürliche Person als Restrukturierungsbeauftragten oder Sanierungsmoderator zu bestellen. Die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten richtet sich nach §§ 73 ff./ 77 ff. StaRUG. Danach hat das Gericht in den Fällen gemäß § 73 Absatz 1 von Amts wegen einen solchen einzusetzen, wohingegen es einen solchen im Fall des Absatzes 3 auch bestellen kann. Gleiches gilt bei dem sogenannten fakultativen Restrukturierungsbeauftragen gemäß § 77 Abs. 1 StaRUG.

Der Restrukturierungsbeauftragte von Amts wegen

Sollen die Rechte von Verbrauchern sowie mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen im Rahmen der Restrukturierung berührt werden (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) oder soll sich die beantragte Stabilisierungsanordnung (Vollstreckungsaussetzung) gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten (§ 73 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), ist ein Restrukturierungsbeauftragter zum Schutz der Gläubigerinteressen zu bestellen. Des Weiteren soll es zu einer Bestellung kommen, wenn der Restrukturierungsplan eine Überwachung der Erfüllung der Gläubigeransprüche vorsieht (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). Die Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten sind vergleichbar mit denen eines vorläufigen Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren nach der Insolvenzordnung (InsO).

Aufgaben und Befugnisse

Er hat daher im Kern eine überwachende Funktion. Insbesondere ist er zur Anzeige gegenüber dem Restrukturierungsgericht verpflichtet, wenn er Umstände feststellt, die eine Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens rechtfertigen (§ 33 StaRUG). Wurde zudem eine Stabilisierungsanordnung erlassen, ist er ferner zur fortlaufenden Prüfung verpflichtet, ob auch weiterhin die Voraussetzungen für die Anordnung bestehen oder ob sie aufgehoben werden muss. Im Einzelfall kann dem Restrukturierungsbeauftragten sogar die Kassenführungsbefugnis des Schuldners übertragen werden (§ 76 Abs. 2, Nr. 2b StaRUG), womit alle Zahlungen des Schuldners vom Konto des Restrukturierungsbeauftragten erfolgen müssen und die Gläubiger des Schuldners ihre Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur noch auf dieses Konto leisten können. Dies überrascht, zumal der präventive Restrukturierungsrahmen nach dem Willen des Gesetzgebers gerade ermöglichen soll, ein Verfahren nur mit den beteiligten Gläubigern zu betreiben. Um der Übertragung der Kassenführungsbefugnis Rechnung zu tragen, bedarf es aber einer Nachricht an alle Gläubiger und Kunden, womit allen wesentlichen Stakeholdern das Verfahren letztlich doch bekannt zu machen wäre.

In der Rolle eines Gutachters

Neben den Regelungen des § 73 Abs. 1, 2 StaRUG kann ein Restrukturierungsbeauftragter eingesetzt werden. Gemäß § 73 Abs. 3 StaRUG soll es dazu kommen, wenn das Restrukturierungsgericht es als nötig erachtet, dass über das Vorliegen der Voraussetzungen des Restrukturierungsplanverfahrens ein Gutachten eingeholt werden soll. Der Restrukturierungsbeauftragte wird dann damit beauftragt – ähnlich einem Insolvenzgutachten im Eigenverwaltungsverfahren – gutachterlich Stellung zu nehmen, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist und ob das Verfahren Aussicht auf Erfolg hat.

Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte

Daneben sieht das Gesetz auch die Bestellung eines fakultativen Restrukturierungsbeauftragten vor. Auf Antrag des Schuldners soll das Restrukturierungsgericht eine Bestellung vornehmen, wenn dies die Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger fördert (§ 77 Abs. 1 StaRUG). Dieses Antragsrecht steht auch den betroffenen Gläubigern zur Verfügung, wenn auf sie mindestens 25 Prozent der Stimmrechte entfallen. Das Gesetz ermöglicht es dem Gericht dann, dem fakultativen Beauftragten zusätzlich eine oder mehrere Aufgaben nach § 76 StaRUG zu übertragen.

Wer kann beauftragt werden?

Das StaRUG regelt nicht ausdrücklich, wer Restrukturierungsbeauftragter sein kann. Insbesondere gibt es (noch) kein einschlägiges Berufsrecht. Der § 74 Abs. 1 StaRUG normiert nur, dass es eine natürliche Person sein muss, die geeignet, unabhängig und in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahren ist. Exemplarisch, aber nicht abschließend, nennt das Gesetz die Berufsgruppen der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte. Bevor die Person jedoch als Beauftragter bestellt werden kann, muss sie sich bei dem jeweiligen Restrukturierungsgericht – mit Nachweis über die Qualifikation – in eine spezielle Vorauswahlliste aufnehmen lassen. Nur aus dieser Liste kann das Gericht dann im Falle einer Bestellung auswählen. Das gilt grundsätzlich auch, wenn die zu bestellende Person nach § 74 Abs. 2 StaRUG durch die am Verfahren Beteiligten vorgeschlagen wird.

Neues Terrain für Prüfer und Berater

Von einem neuen Tätigkeitsfeld für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu sprechen, ist derzeit eher schwierig. Als Beauftragte kommen aktuell sicherlich nur Personen infrage, die bei den jeweiligen Gerichten bereits als Sachwalter und Insolvenzverwalter bekannt und bewährt sind. Somit wäre die Voraussetzung der Erfahrenheit in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfüllt, würde jedoch den Zugang für nicht täglich im Umfeld von Sanierungen tätigen Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern verschließen. Womöglich ergibt sich hierbei aber auch noch eine andere Praxis. Soll eine Bestellung die Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger fördern, könnten auch noch nicht im Sanierungswesen tätige Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nach erfolgreicher Aufnahme in die Vorauswahlliste infrage kommen – das Know-how wäre schließlich vorhanden.

Fazit

Die Praxis wird zeigen, ob hier ein weiterer „closed job“ für die arrivierten Sachwalter eröffnet wurde oder ob neue Spieler den Rasen der außergerichtlichen Sanierung betreten werden. Vielleicht wird in Zukunft das bereits durch den Gesetzgeber angekündigte Berufsrecht Klarheit schaffen.

Zu den Autoren

MW
Marcus Winkler

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und für Steuerrecht. Er ist Partner der WINKLER GOSSAK Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Stuttgart, aber überregional und branchenunabhängig als Insolvenzverwalter, Sachwalter und Treuhänder bestellt.

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SW
Sascha Wein

Rechtsanwalt bei der WINKLER GOSSAK Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Stuttgart. Er ist auf Unternehmenssanierungen und -restrukturierungen in unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen, aber mit deutlichem Schwerpunkt im Automobilsektor spezialisiert.

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