Lohnsteuer-Außenprüfung - 27. Mai 2021

Aus Compliance-Sicht vernachlässigt

Die Lohnsteuer betrifft jedes Unternehmen. Dennoch sind die damit verbundenen Tücken und Risiken in der Praxis oft nicht hinreichend bekannt. Zu komplex ist diese Materie, deren Rechtsgrundlagen immer umfangreicher werden und schwer zu überschauen sind.

Vorsicht ist vor allem geboten, da die Finanzverwaltung die Lohnsteuer zunehmend in den Fokus gerückt hat. Dies zeigen die entsprechenden hohen Steuernachzahlungen im Rahmen von Lohnsteuer-Außenprüfungen. Durch die inzwischen standardmäßige Nutzung von Prüfungs-Software kann die Finanzverwaltung zudem Daten in großen Mengen effizient analysieren und Unregelmäßigkeiten identifizieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, sich damit näher auseinanderzusetzen. Infolge von Lohnsteuer-Außenprüfungen durch das Finanzamt sowie Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung kann es neben hohen Steuer- und Beitragsnachzahlungen zuzüglich Säumniszuschlägen sowie Geldbußen sogar zu einer persönlichen Haftung beziehungsweise steuerstrafrechtlichen Inanspruchnahme der Geschäftsleitung kommen, wenn dieser Organisationsverschulden nachgewiesen wird. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Geschäftsleitung bereits strukturell aufgrund der vorhandenen Abläufe im Unternehmen nicht sicherstellt und kontrolliert, dass der gesetzmäßige Lohnsteuerabzug durchgeführt werden kann, und zwar für alle Gehaltsbestandteile.

Hohe Anforderungen

Die Unternehmen müssen sich in ihrer Rolle als Arbeitgeber einem Konglomerat von verschiedenartigen Interessen und Verpflichtungen stellen. Die Anforderungen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind sehr herausfordernd und teilweise gegenläufig, vor allem bei dem Spagat, ein attraktiver Arbeitgeber mit fairen Löhnen und Gehältern zu sein und gleichzeitig die Abgabenbelastung für das Unternehmen möglichst gering zu halten. Die Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, den Lohnsteuerabzug ordnungsgemäß durchzuführen. Auf Gesamtunternehmensebene ist es bereits schwierig, von lohnsteuerrechtlich relevanten Sachverhalten, die nicht klassische Gehaltszahlungen sind, überhaupt zu erfahren, um sie dann in einem weiteren Schritt zutreffend lohnsteuerrechtlich auszuwerten und gegebenenfalls zu versteuern. Vor allem dann, wenn größere Unternehmen dezentral organisiert sind und beispielsweise Kommunikations- und Meldeprozesse nicht eindeutig festgelegt sind. Weiter unterliegt man als Unternehmen umfangreichen Aufzeichnungspflichten. Diese können beispielsweise arbeitsrechtlich beziehungsweise rechtlich bedingt die Arbeitszeit oder den Mindestlohn betreffen oder aber aus steuerlichen Pflichten bei branchenspezifischen Leistungen resultieren. Als Beispiele sind hier das Gesundheitswesen oder der Finanzsektor zu nennen. Insbesondere, wenn lohnsteuerrechtliche Vergünstigungen, wie etwa steuerfreie Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge im Sinne des § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) oder die Sachbezugsfreigrenze in Höhe von 44 Euro monatlich je Arbeitnehmer gemäß § 8 Abs. 2 S. 11 EStG, in Anspruch genommen werden sollen. Das setzt nämlich unter anderem voraus, dass der Arbeitgeber durch entsprechende Aufzeichnungen und Belege nachweisen kann, dass der gesetzlich begünstigte Tatbestand tatsächlich vorliegt.

Rechtliche Folgen

Fehler beim Lohnsteuerabzug können – in der Regel anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber – die Festsetzung und Nachzahlung von Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer durch Haftungs- oder Nachforderungsbescheid zur Folge haben. Insbesondere führt ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug in der Regel auch zu Beitragsnachzahlungen zuzüglich Säumniszuschlägen in der Sozialversicherung. Zudem wertet das Finanzamt den Bericht über eine durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung beim betreffenden Unternehmen auch in Hinblick auf die Umsatzsteuer aus. Hier geht es vor allem um die nachträgliche Erhebung von Umsatzsteuerbeträgen auf im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung nachversteuerte Sachbezüge, wie etwa Dienstwagen. Aber auch beim Vorsteuerabzug kann es zu nachträglichen Kürzungen und damit zu Nachzahlungen kommen. Beispielsweise wird bei Betriebsveranstaltungen der Vorsteuerabzug aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen wie beispielsweise Aufwendungen fürs Catering oder Kosten für Saalmiete insgesamt versagt, wenn bei der Lohnsteuer-Außenprüfung festgestellt wurde, dass der für lohnsteuerrechtliche Zwecke in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 3 EStG normierte Freibetrag von 110 Euro pro Person und Veranstaltung überschritten wurde.

Vorsicht: Haftung

Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben gemäß § 34 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Verletzen sie diese steuerlichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig und kommt es dadurch zu einer verspäteten oder zu niedrigen Versteuerung oder unterbleibt sie sogar ganz, haften sie gemäß § 69 AO mit ihrem Vermögen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme kann es vor allem aber zu einer steuerstrafrechtlichen beziehungsweise strafrechtlichen Verfolgung der gesetzlichen Vertreter des Unternehmens kommen.

Imageschaden

Neben unmittelbaren finanziellen Schäden können Fehler beim Lohnsteuerabzug, gerade wenn die steuerlichen Auswirkungen gravierend sind, zu Reputationsschäden zum Nachteil des Unternehmens, aber auch der Geschäftsleitung führen. Im ungünstigsten Fall gelangen vertrauliche Informationen beispielsweise zu Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung an die Öffentlichkeit und werden durch Medienberichte verbreitet.

Steuerpflichtigen Arbeitslohn erkennen

Auch wenn der Arbeitgeber an sich für pünktliche Lohnsteueranmeldungen und -zahlungen sorgt, bestehen zahlreiche weitere lohnsteuerrechtliche Themenfelder, die zu Beanstandungen seitens der Finanzbehörden führen können. Klassische Beispiele finden sich rund um das Thema Betriebsveranstaltung samt Behandlung von Zuwendungen und Incentives nach § 37 EStG. Ebenso relevant ist die korrekte lohnsteuerrechtliche Behandlung der Mahlzeitengewährung an Arbeitnehmer, bei der vor allem das Verständnis für die Systematik der hierzu bestehenden rechtlichen Vorschriften essenziell ist. So muss man sich zu Beginn der lohnsteuerrechtlichen Beurteilung die Frage stellen, ob die Mahlzeitengewährung zu Arbeitslohn führt oder gegebenenfalls ausnahmsweise im ganz überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Sofern feststeht, dass die Mahlzeitengewährung grundsätzlich zu Arbeitslohn führt, ist die Höhe des Arbeitslohns zu bestimmen – also eine Bewertung durchzuführen. Dabei muss insbesondere unterschieden werden, ob es sich um eine arbeitstägliche Mahlzeit, eine Mahlzeit bei Auswärtstätigkeiten oder ein Belohnungsessen handelt.

Praxisbeispiel Personalrabatt

Unternehmen, die für den freien Markt Leistungen anbieten oder Waren herstellen, bieten ihren eigenen Arbeitnehmern diese Produkte meist zu günstigeren Konditionen, gewähren also den sogenannten Personalrabatt. Beispiele hierfür sind Personaleinkäufe im Handel oder Zinsvorteile bei Krediten für Arbeitnehmer einer Bank. Den gewährten Preisvorteil hat der Arbeitgeber zu erfassen und lohnsteuerrechtlich auszuwerten, gegebenenfalls liegt Arbeitslohn vor, der als Lohnvorteil versteuert werden muss. Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 3 EStG geregelt, wie die Höhe des Arbeitslohns zu bestimmen ist. Für die Ermittlung hat der Arbeitgeber den Endpreis, den fremde Kunden – gegebenenfalls nach Abzug üblicher Rabatte – bei ihm zahlen müssen, um einen Bewertungsabschlag in Höhe von vier Prozent zu mindern. Zu einer Versteuerung kommt es jedoch nur insoweit, als der grundsätzlich steuerpflichtige Arbeitslohn insgesamt 1.080 Euro je Kalenderjahr und Arbeitnehmer übersteigt – Stichwort: Rabattfreibetrag. In der Praxis ist schon die bloße Erfassung gewährter Rabatte sehr aufwendig. So können insbesondere größere Einzelhandelsunternehmen mit Filialgeschäft oft nur mit kostspieligen technischen Lösungen die Daten aus jedem einzelnen Personaleinkauf jeweils arbeitnehmerbezogen erfassen und zentral zur lohnsteuerrechtlichen Auswertung zusammenführen. Weitere Schwierigkeiten bestehen beispielsweise bei der Ermittlung und Aufzeichnung des maßgeblichen Endpreises, wenn die Preise auch gegenüber fremden Kunden tagesaktuellen Schwankungen unterliegen oder von individuellen Faktoren auf Kundenseite abhängen können.

Ursachen für falschen Lohnsteuerabzug

Dass lohnsteuerrechtlich relevante Sachverhalte nicht oder nicht rechtzeitig zutreffend behandelt werden, ist oft unzureichenden internen organisatorischen Melde- und Kommunikationsprozessen, fehlenden technischen Lösungen oder schlicht der mangelnden Kenntnis der Entscheidungsträger oder zuständigen Bearbeiter über relevante Sachverhalte und deren lohnsteuerrechtliche Folgen geschuldet. In Großunternehmen wird die Problematik verstärkt, wenn einzelne Abteilungen weitestgehend autark und räumlich von der Unternehmenszentrale getrennt in dezentralen Strukturen, wie etwa bei Kliniken in großen Krankenhausunternehmen oder Finanz-Center bei Banken, agieren. Eine nicht vollständige oder fehlende Dokumentation, aber auch ein mangelndes Bewusstsein beziehungsweise keine Sensibilität sowie fehlendes Know-how der zuständigen Mitarbeiter, sind als weitere Ursachen für Störungen zu benennen.

Lösungsansätze

Um ein sicheres und gut funktionierendes Lohnsteuer-Compliance-System im Unternehmen zu implementieren, ist es notwendig, sich zunächst einen Überblick über den Status quo zu verschaffen. Als Instrument eignet sich hierfür eine umfangreiche Risikoanalyse.

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Zu den Autoren

GA
Gülperi Atalay-Akgün

Rechtsanwältin und Steuerberaterin in der Vierhaus Steuerberatungsgesellschaft mbH in Berlin.

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MV
Maximilian Vierhaus

Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Vierhaus Lohnkostenmanagement GmbH in Berlin

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