Mehrstufige Beteiligungsketten - 23. Februar 2023

Zurechnung von Grundbesitz

Das Grundstück einer Untergesellschaft gehört deren Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich nur dann, wenn es der Obergesellschaft aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach den Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes zuzurechnen ist.

Ein inländisches Grundstück gehört einer Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 1. Dezember 2021.

Sachverhalt

Die Klägerin (K), eine GmbH & Co. KG (Obergesellschaft), war als Gründungsgesellschafterin zunächst zu 99,97 Prozent, nach einer Kapitalerhöhung zu 99,99 Prozent, an einer Untergesellschaft, der X-AG (X), beteiligt. X erwarb nach der Kapitalerhöhung diverse Grundstücke. Im Anschluss daran erwarb K die restlichen 0,01 Prozent der Aktien von X und war dann zu 100 Prozent beteiligt. Kommanditistin der Obergesellschaft war die A-KG (G), deren Kommanditist wiederum A. Dieser hielt darüber hinaus 100 Prozent der Anteile an einer luxemburgischen Personengesellschaft (P). Im Jahr 2011 brachte A seine Beteiligung an G in die P ein. Im Jahr 2013 verkaufte K 5,1 Prozent der Anteile an X an eine luxemburgische Kapitalgesellschaft (B), deren alleinige Gesellschafterin die P war, und wechselte ihre Rechtsform in eine KGaA. Das Finanzamt (FA) war der Auffassung, dass die Grundstücke von X der K zuzurechnen seien, und sah in der Einbringung der Beteiligung an K in die P einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG a. F., der jedoch nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG a. F. steuerbefreit sei. Den Verkauf der Anteile an der X durch die K sowie den im gleichen Jahr durchgeführten Wechsel der Rechtsform durch K qualifizierte das FA als schädliche Anteilsminderung im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG a. F. und versagte rückwirkend die Steuerfreistellung. Das Finanzgericht (FG) hingegen war der Auffassung, dass die Grundstücke von X der K grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen seien.

Entscheidungsgründe

Der BFH hat die Revision der Finanzverwaltung zurückgewiesen. Das FG habe zu Recht erkannt, dass die Übertragung der Anteile im Jahr 2011 den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG a. F. mangels Vorliegen von inländischem Grundbesitz nicht erfüllt. Maßgebend für die Zugehörigkeit eines Grundstücks im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft seien die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung (BFH-Urteil vom 11.12.2014, Az. II R 26/12). Diese zu § 1 Abs. 3 GrEStG entwickelten Grundsätze gelten auch für § 1 Abs. 2a GrEStG. Das folge aus dem insoweit identischen Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschriften zueinander. Diese Grundsätze sind auch bei mehrstöckigen Beteiligungen anzuwenden, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist.

Akt des Rechtsverkehrs erforderlich

Ein Grundstück der Untergesellschaft ist der Obergesellschaft danach grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft es selbst aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft, auch nicht im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten. Aus dem Regelungszweck des § 1 Abs. 2a GrEStG wie auch aus dem § 1 Abs. 2b bis 3a GrEStG folgt, dass hierzu die jeweiligen Erwerbstatbestände aufgrund eines Akts des Rechtsverkehrs erfüllt sein müssen. Deshalb kann einer Obergesellschaft auch nicht allein wegen der Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG zugerechnet werden. Anders als etwa einem Treugeber, der aufgrund einer Treuhandabrede bei einem Grundstückserwerb durch den Treuhänder zugleich den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht, steht einem Gesellschafter die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück der Gesellschaft nicht zu. Die Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene reichen für eine Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht aus. Das folgt aus der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts, das Gesamthandsgemeinschaften und Kapitalgesellschaften als eigene Rechtssubjekte behandelt (BFH-Urteil vom 20.04.2016, Az. II R 54/14).

Keine Zurechnung aufgrund der Beteiligungsquote

Da die Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG jeweils auch den mittelbaren Übergang von Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften erfassen, besteht auch keine Notwendigkeit, einer Obergesellschaft – allein aufgrund ihrer Beteiligung an einer Untergesellschaft – deren Grundstücke zuzurechnen. Eine Besteuerungslücke entsteht dadurch nicht. Im skizzierten Fall reichte auch die bloße Absenkung der Beteiligungsgrenze für Anteilserwerbe nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a. F. ab dem 1. Januar 2000 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 hierfür nicht aus, da es insoweit an einem Akt des Rechtsverkehrs fehlte. Der spätere Zuerwerb der 0,01 Prozent im Jahr 2002, also nach der gesetzlichen Absenkung der Beteiligungsgrenze, führte dann nicht mehr zu einer Tatbestandsverwirklichung im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a. F. (keine erstmalige Anteilsvereinigung).

Zum Autor

AB
Dr. Andreas Bock

Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner bei der WTS Group am Standort in München

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