Im Verhältnis zur klassischen Insolvenz sind die modernen Instrumente Schutzschirm, Sanierung in Eigenverwaltung und das ganz neue Restrukturierungsverfahren Optionen, das betroffene Unternehmen nachhaltig zu retten.
Als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sehen Sie es täglich: Die Krisen der jüngsten Zeit gehen an kaum einem Unternehmen spurlos vorbei. Wurden viele schon von den Lockdowns arg gebeutelt, sitzt nun das Geld der Kunden der Mandantschaft alles andere als locker. Gleichzeitig laufen die Betriebskosten weiter. Da können selbst eigentlich solide Unternehmen ins Trudeln geraten – und Sie fragen sich beim Blick in die Bücher: Sind die eigentlich noch zu retten? Zum Glück lautet die Antwort in den meisten Fällen: Ja! Und zwar oft leichter als gedacht. Die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer in Schwierigkeiten probieren zunächst klassische betriebswirtschaftliche Maßnahmen, um wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Dazu gehören Kosteneinsparung, frisches Kapital, Umsatzsteigerung oder auch der Verkauf zum Beispiel besonders unrentabler Filialen oder eines Teils des Fuhrparks. Schwinden die roten Zahlen dennoch nicht, sehen die Geschäftsführer den Abgrund ungebremst auf sich zukommen. Sie sind überzeugt, dass diese Situation der Anfang vom Ende ist. Und vor etwas mehr als einer Dekade wäre das wohl oft auch so gewesen. Doch die Zeiten haben sich geändert – in diesem Fall zum Positiven.
Schuldenschnitt ohne Insolvenz
Heute stehen die Chancen, ein Unternehmen zu retten, besser als je zuvor. Hier hat sich in den vergangenen Jahren vonseiten des Gesetzgebers viel getan, der spannende neue Möglichkeiten zum Schuldenschnitt geschaffen hat. Dieser ist nicht nur ein hoffnungsvoller Silberstreif am Horizont. Er ist die Rettungsboje, die das Unternehmen sofort wieder über Wasser zieht. In vielen Fällen wird die Liquidität durch diese Maßnahme kurzfristig wiederhergestellt, denn beim Schuldenschnitt werden die Forderungen der Gläubiger stark gekürzt. Statt 100 Prozent der ursprünglichen Schulden muss nur noch eine auszuhandelnde Quote bezahlt werden, beispielsweise von zehn Prozent oder sogar weniger. Die Restschuld wird dem Unternehmen erlassen. Noch bis Ende 2020 war es für das Erreichen eines Schuldenschnitts notwendig, Insolvenz anzumelden.
Restrukturierungsverfahren
Mit dem 1. Januar 2021 hat sich das geändert. Seitdem gibt es das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Dieses neue Gesetz ist so etwas wie eine kleine Revolution, denn es ermöglicht das Kappen der Schulden ganz ohne Insolvenz – im sogenannten Restrukturierungsverfahren. Das leider selbst in Fachkreisen noch unbekannte Verfahren bietet vielen Betrieben schnelle und weitgehend unbürokratische Hilfe. Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen vor allem durch Finanzverbindlichkeiten in die Bredouille geraten ist, denn nur für derartige Schieflagen ist der Schuldenschnitt im Restrukturierungsverfahren ohne Insolvenz zugelassen.
Corona-Kredite ohne Insolvenz reduzieren
Gerade wenn eine Firma die staatlichen sogenannten Corona-Kredite in Anspruch genommen hat und nun vor allem mit deren Tilgung überfordert ist, ansonsten aber schon wieder gut läuft, kann das Restrukturierungsverfahren schnell, unkompliziert und ohne bei den Kunden das geringste Aufsehen zu erregen das Unternehmen wieder auf stabile Füße stellen. Der Vorteil der staatlichen Kredite: Sie sind nicht durch Sachwerte oder Zessionen gesichert, wie das häufig bei regulären Bankkrediten der Fall ist. Dadurch lassen sie sich mit dem Restrukturierungsverfahren effektiv reduzieren. Doch nicht nur auf die staatlichen Hilfen trifft dies zu, auch aufgelaufene Rechnungen, zum Beispiel von Lieferanten und Dienstleistern, verlieren mit dem neuen Verfahren ihren Schrecken in Sekunden.
Reduzierung der KfW-Kredite
Ein typisches Beispiel für eine erfolgreiche Sanierung mithilfe des Restrukturierungsverfahrens ist der Fall einer Spedition. Deren Geschäftsführung hatte Corona-Hilfen der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Anspruch genommen, um die Lockdowns zu überstehen. Sobald es möglich war, nahm die Spedition ihren Betrieb wieder auf. Doch auch wenn dieser sich schnell wieder in etwa auf dem Niveau von vor der Pandemie einpendelte, reichten die Einnahmen nicht, um die Kreditraten zu tilgen. Ohne Restrukturierungsverfahren wäre das Unternehmen binnen eines halben Jahres zahlungsunfähig geworden. Mit Restrukturierungsverfahren hingegen konnten die KfW-Kredite um 92 Prozent gekürzt werden. Diese Maßnahme reichte aus, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Dabei dauerte das Verfahren lediglich zweieinhalb Monate.
Rettung für visionäre Unternehmen
Ein weiteres Beispiel ist der Fall einer Marke für nachhaltige Mode. Die Geschäftsidee des Unternehmens besteht darin, hochwertige Designmode im etwas erhöhten Preissegment absolut fair und unter ökologisch nachhaltigen Bedingungen zu entwerfen und herzustellen. Zum Konzept gehören kurze Transportwege und der lückenlos nachverfolgbare Weg der Kleidung von der Herstellung in Deutschland oder dem näheren europäischen Ausland bis zum Kunden. Da die Kleidung einen exklusiven Charakter besitzt, hatte die Firma zunächst auf den Online-Handel verzichtet. Der Plan war zwar, dies langfristig zu ändern, aber dem Ausbau eines Netzwerks kleiner Filialen sowie der Etablierung des Kontakts zu ausgewählten Bekleidungshäusern wurde Vorrang eingeräumt. Bis Anfang 2020 wuchs der Umsatz kontinuierlich, doch dann führte die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns ab Frühjahr 2020 zu einem massiven Einbruch des Umsatzes. Der nun eilig eingerichtete Online-Shop konnte dies kaum abfangen. Mit dem Kredit einer Crowdinvesting-Plattform und staatlichen Corona-Hilfen hangelte sich das Unternehmen durch diese schwierige Phase. Ab dem dritten Quartal 2021 stabilisierte sich die Nachfrage wieder, seit April 2022 übertrifft sie dank eines durch den Klimawandel gewachsenen Nachhaltigkeits- und Qualitätsbewusstseins der Kunden sogar das Niveau vor der Krise. Auch der Online-Shop läuft mittlerweile gut. Dennoch wäre das Unternehmen ohne weitere Hilfe spätestens im Herbst 2022 zahlungsunfähig geworden. Ursache dafür sind die hohen Rückzahlungsraten, aber auch notwendige Investitionen, um die gestiegene Nachfrage zu bedienen. Außerdem gab es Änderungen in der Produktion. Der Schneidereibetrieb in Portugal, der als Ersatz für eine kriegsbedingt geschlossene Textilwerkstatt in der Ukraine gefunden wurde, ist deutlich teurer als sein Vorgänger.
Restrukturierungsplan
Das Restrukturierungsverfahren hilft dem Mode-Label, die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Der Restrukturierungsplan sieht vor, dass die Corona-Kredite und der Kredit von den Kleininvestoren der Crowdinvesting-Plattform mit jeweils einer Einmalzahlung abgegolten werden. Gleiches gilt für Forderungen weiterer Gläubiger, die derzeit fällig sind und denen eine Kürzung im Gesamtinteresse aller Beteiligten zugemutet werden kann. Gläubiger aus dem Gesellschafterumfeld werden sogar zu 100 Prozent gekürzt. Auf diese Weise kann der Betrieb ohne Störungen weitergeführt werden, das Unternehmen kann sich auf sein weiteres Wachstum konzentrieren und dabei sogar neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen.
Restrukturierung versus Sanierung in Eigenverwaltung
Um herauszufinden, ob sich das Restrukturierungsverfahren für die Sanierung eines Unternehmens eignet, sollte zunächst geprüft werden, welcher Art die besonders belastenden Verbindlichkeiten sind. Stellt sich bei diesem Check heraus, dass vor allem ungesicherte Finanzverbindlichkeiten die größte Hürde ausmachen, stehen die Chancen gut, die Firma durch ein Restrukturierungsverfahren in Einklang mit dem StaRUG aus der Gefahrenzone zu bringen. Ist das Unternehmen allerdings zusätzlich zu den Schulden mit zu hohen Allgemeinkosten aus langfristigen Verträgen konfrontiert, ist es wichtig, zunächst sehr sorgfältig auszurechnen und abzuwägen, ob bereits gekappte finanzielle Verbindlichkeiten ausreichen, um es erfolgreich aus der Krise zu führen. Durch das Restrukturierungsverfahren nicht verringerbare Kosten sind typischerweise längerfristige Mietverträge der Geschäfts- und Büroräume, das Leasing von Firmenwagen, Mobilfunkverträge und ähnliche Verpflichtungen.
Rettung in vielen Fällen möglich
Stellt sich bei dieser Prüfung heraus, dass auch finanzielle Verpflichtungen aus Verträgen maßgeblich zur Bedrängnis beitragen, ist aber noch lange nicht Hopfen und Malz verloren. Dann helfen meist der sogenannte Schutzschirm beziehungsweise eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Sie erlauben sowohl den Schuldenschnitt als auch zusätzlich die meist fristlose Kündigung jeder Art von Verträgen.
Fazit und Ausblick
Im Vergleich zum klassischen Insolvenzverfahren, das häufig zur Zerschlagung des Unternehmens führte, sind die 2012 ins Leben gerufenen Verfahren Schutzschirm und Insolvenz in Eigenverwaltung wesentlich sanftere Optionen. Auch sie haben eine schnelle und nachhaltige Rettung des Unternehmens zum Ziel. Weil sie aber tiefer in die Strukturen eingreifen, aufwendiger sind und über längere Zeit laufen als das Restrukturierungsverfahren, sollten betroffene Unternehmen in jedem Fall zunächst herausfinden, ob für sie die mit dem StaRUG geschaffenen neuen Möglichkeiten infrage kommen. Die ersten Erfahrungen zeigen: In einem Großteil der Fälle ist das Restrukturierungsverfahren eine echte Chance.
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