Verbundeinsätze - 25. Mai 2023

Legitimes Mittel?

Konzentrierte Aktionen diverser Behörden gegen bargeldintensive Betriebe nehmen zu. Hierbei stellt sich die Frage, ob die zu beobachtenden Abläufe legal oder doch eher als rechtswidrige Praxis einzustufen sind.

Bundesweit kommt es wieder vermehrt zu sogenannten Verbundeinsätzen. Dabei handelt es sich um groß angelegte Kontrollen, bei denen ein Verbund unterschiedlicher Behörden – beispielsweise Gewerbe- und Gaststättenaufsicht,
Ordnungs- und Gesundheitsamt sowie Steuerfahndung, Zoll und Polizei – ohne konkreten Anlass, aber mit hoher Personenstärke gegen Gewerbebetriebe vorgeht. Betroffen sind Restaurants, Cafés, Juweliere, Supermärkte, Reisebüros, Kioske, Imbisse, Friseure, Spielhallen und andere Gewerbe – vor allem in Großstädten.

Strategie gegen die Clankriminalität

Was sich nach einem profanen Geschehen anhört, bedeutet in der Praxis, dass mitunter ganze Straßenzüge gesperrt werden und Dutzende, teils bewaffnete und gepanzerte Beamtinnen und Beamte die Betriebe stürmen, den Geschäftsbetrieb zum Erliegen bringen, Gäste und Kunden festsetzen und befragen sowie ganze Nachbarschaften verunsichern. Diese von der Politik erdachte Praxis diente im Zuge einer Strategie der 1.000 Nadelstiche ursprünglich der Bekämpfung von sogenannter Clankriminalität. Mittlerweile sind aber ganz unterschiedliche Zielgruppen betroffen. Im Jahr 2021 haben allein in Berlin 178 derartige Kontrolleinsätze stattgefunden. Während die Berliner Polizei erklärt, die Verbundeinsätze hätten „deutliche Erfolge gezeigt“, weil eine „spürbare Verunsicherung der kriminellen Szene“ festzustellen sei, gibt es auch Kritik.

Methode des Trojanischen Pferds

So wird vorgebracht, die Kontrollen seien rassistisch motiviert, verstärkten Vorurteile in der Bevölkerung und basierten letztlich auf einer rechtsstaatsfremden Vorverurteilung bestimmter Gruppen und Gewerbezweige. So war einer Pressemitteilung vom 20. Oktober 2022 zu entnehmen, dass ein Berliner Ordnungsamt einen „Verbundeinsatz zur Kontrolle nicht gesetzeskonform handelnder Gewerbebetriebe“ durchgeführt habe. Merkwürdig, denn ob ein Betrieb gesetzeskonform handelt oder nicht, soll doch die Kontrolle erst klären. Die Formulierung ist gewissermaßen entlarvend, zeigt sie doch, dass die Behörden schon von vorneherein gar nicht zwischen anlasslosen Kontrollen und verdachtsbasierten Razzien unterscheiden. Faktisch erinnern Verbundeinsätze eher an die Methode des Trojanischen Pferds.

Gängelei aus sachfremden Motiven?

Auch juristisch liegt an dieser Stelle der sprichwörtliche Hase im Pfeffer: Denn die Verfolgung von etwaigen Straftaten ist von präventiven Ordnungsaufgaben strikt zu trennen. Wird eine verdachtsunabhängige Gewerbekontrolle nur vorgeschoben, um eine strafprozessuale (Zwangs-)Maßnahme ohne Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen durchzuführen, geht es nicht mehr um rechtmäßiges Verwaltungshandeln, sondern um eine willkürliche Gängelei aus sachfremden Motiven.

Gesetzliche Grundlagen

Verbundeinsätze werden auf unterschiedliche Betretungsrechte in gefahrenabwehrrechtlichen Spezialgesetzen gestützt. Derartige Betretungsrechte hat nicht nur die Gewerbeaufsicht [§ 29 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO)], sondern auch der Zoll zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Mindestlohnverstößen [§ 3 f. Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG); § 15 Mindestlohngesetz (MiLoG)] sowie im Rahmen seiner Steueraufsicht [§ 210 Abs. 1 Abgabenordnung (AO)], außerdem die Gaststättenaufsicht [§ 22 Abs. 2 Gaststättengesetz (GastG)] sowie das Finanzamt im Rahmen der Umsatzsteuerbeziehungsweise Lohnsteuer- Nachschau [§ 27b Umsatzsteuergesetz (UStG); § 42g Einkommensteuergesetz (EStG)] sowie der Kassen-Nachschau (§ 146b AO). Die Polizei selbst hat kein anlassloses Betretungsrecht. Sie leistet den anderen Behörden lediglich Vollzugshilfe [vgl. für Berlin §§ 52 ff. Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG)] und soll Störungen unterbinden. Tatsächlich steht die Anwesenheit einer Vielzahl von gerüsteten Polizeibeamten aber im Fokus der Verbundeinsätze: Man will schlicht Eindruck machen und wenn dann noch etwas gefunden wird, umso besser.

Rechtliche Probleme

Diese Gemengelage birgt in der Praxis diverse rechtliche Probleme. Denn die jeweiligen Betretungsrechte erlauben es den Ordnungsbehörden nur, Geschäftsräume ohne konkreten Anlass während der Geschäftszeiten zu betreten und sich umzusehen. Dabei dürfen die relevanten Unterlagen eingesehen werden. Was relevant ist, richtet sich nach den beteiligten Behörden und deren jeweiliger Rechtsgrundlage. Die Gaststättenaufsicht hat sich also nur für die Einhaltung des Gaststättengesetzes zu interessieren, während der Zoll nach Anhaltspunkten für Mindestlohnverstöße oder illegale Beschäftigung sucht und hierzu beispielsweise Arbeitsverträge oder Stundenaufzeichnungen einsehen darf. Verbundeinsätze sind aber keine Durchsuchungen. Die Behörden dürfen sich also nur umschauen und bestimmte Unterlagen einsehen, aber nicht unkonkret nach jedweden denkbaren Rechtsverstößen forschen oder gar gezielt nach Beweismitteln für mögliche Straftaten suchen, obwohl noch gar kein konkreter Verdacht besteht.

Auskunftspflichten

Außerdem sind grundsätzlich nur der Gewerbetreibende selbst oder ein gesetzlicher Vertreter sowie unter Umständen Mitarbeiter des Betriebs zur Auskunft beziehungsweise Mitwirkung bei der Kontrolle verpflichtet. Dritte, wie etwa Kioskkunden oder Restaurantgäste, sind nur verpflichtet, auf Nachfrage ihre Personalien zu nennen. Alle übrigen Auskünfte sind freiwillig, worauf die Behörden vor der Befragung hinzuweisen haben (vgl. für Berlin § 18 Abs. 5 ASOG). Wird ein Personalausweis mitgeführt, kann im Rahmen der Identitätsfeststellung dessen Vorlage verlangt werden. Solange der Dritte die Maßnahme nicht stört und auf Verlangen seine Personalien nennt, dürfen seine Person oder zum Beispiel sein Fahrzeug aber weder durchsucht noch festgehalten werden (vgl. für Berlin § 18 Abs. 3 ASOG).

Gefahr im Verzug

Wenn sich während des Einsatzes Anhaltspunkte für Straftaten ergeben sollten, enden zunächst einmal sämtliche Mitwirkungspflichten der Betroffenen. Doch auch dann darf nicht einfach zu einer strafprozessualen Durchsuchung übergegangen werden. Stattdessen ist dafür ein richterlicher (Durchsuchungs-)Beschluss einzuholen. Begleitet man einen Verbundeinsatz anwaltlich, bekommt man dann oft zu hören, dass ein solcher Beschluss wegen Gefahr im Verzug entbehrlich sei.

Verwertungsverbote

Dies ist allerdings fast immer falsch. Dass die Beamten gerade mal da sind und gerne gleich loslegen wollen, hat nämlich nichts mit Gefahr im Verzug zu tun. Diese erfordert vielmehr stets eine konkrete Beweismittelverlustgefahr, die angesichts der Polizeipräsenz in den Geschäftsräumen wiederum fast nie vorliegen kann. Denn bis zum gegebenenfalls telefonischen Erlass eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses werden die Beamten wohl in der Lage sein, die Beseitigung von Beweismitteln zu verhindern. Wird der Richtervorbehalt hingegen willkürlich umgangen und – gemäß dem trojanischen Grundkonzept der Verbundeinsätze – Gefahr im Verzug während der Maßnahme nur vorgeschoben, sind sogar weitreichende Verwertungsverbote denkbar.

Fazit

Wenngleich Verbundeinsätze grundsätzlich rechtlich zulässig sein mögen, stehen sie also vielfach zu Recht in der Kritik. Um den berechtigten Bedenken Geltung zu verschaffen und Auswüchsen, die in der Praxis eher die Regel als die Ausnahme sind, effektiv gegenzusteuern, sollten betroffene Gewerbetreibende stets anwaltliche Unterstützung zur Maßnahme hinzuziehen. Zufällig anwesende Dritte sollten sich ruhig verhalten, die notwendigen Angaben zur Person machen und dann den Ort verlassen, ohne weiter mitzuwirken oder gar
(Zwangs-)Maßnahmen hinzunehmen. Im Zweifel haben auch Dritte jederzeit das Recht, telefonisch einen Anwalt zu konsultieren.

Zum Autor

Manuel Operhalsky

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in der Kanzlei Danckert Bärlein & Partner in Berlin

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