Kündigungen stellen für fast jeden Arbeitgeber ein schwer kalkulierbares, hohes wirtschaftliches Risiko dar. Ohne eingehende Prüfung im Vorfeld und entsprechende Vorbereitung sind die anschließenden Prozesse für die Arbeitgeber kaum zu gewinnen.
Unterliegt der Arbeitgeber in einem Prozess über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, muss er im Regelfall das bis dahin offene Gehalt des Arbeitnehmers nachträglich zahlen, ohne die Gegenleistung zu erhalten. Zudem ist die klagende Partei nach dem Urteil zu beschäftigen, wenn sie nicht selbst kündigt. Die Signalwirkung im Betrieb lässt sich kaum kalkulieren. Jüngere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigen zwar, dass auch die klagenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht einfach den Prozessausgang abwarten können, denn sie müssen vor Gericht nachweisen können, dass sie sich um eine anderweitige Stelle bemüht haben, wenn sie vom Arbeitgeber am Ende des Kündigungsprozesses auch das offene Gehalt bekommen möchten (BAG 27.05.2020 – 5AZR 378/19). Dem Arbeitgeber müssen sie daher auf sein Verlangen Auskunft geben über die von der Arbeitsagentur mitgeteilten Vermittlungsvorschläge, ihre Bewerbungen und Absagen. In einer weiteren Entscheidung hat das BAG gerade festgestellt, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erheblich erschüttert ist, wenn ein Arbeitnehmer selbst kündigt und vom Tag der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchgängig arbeitsunfähig krankgeschrieben wird (BAG 08.09.2021 – 5 AZR 149/21). Der geltend gemachte Anspruch auf Entgeltfortzahlung wurde – erst – vom BAG abgewiesen; die Vorinstanzen hatten der Klägerin den Anspruch noch zuerkannt. Gleichzeitig gilt: Diese Entscheidungen reduzieren das wirtschaftliche Risiko der Arbeitgeber nicht.
Statistiken
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat zuletzt für 2019 die Statistiken zu der Zahl der Klageverfahren vor den Arbeitsgerichten veröffentlicht. 2019 waren 178.797 Klagen gegen Kündigungen anhängig. 47.674 waren schon nach einem Monat erledigt. Weitere 86.688 nach ein bis drei Monaten. Gut 75 Prozent der Kündigungsschutzklagen waren also spätestens nach drei Monaten erledigt. Zwar sagt die Statistik nichts darüber, ob es sich um Vergleiche, Urteile oder Klagerücknahmen handelt, jedoch wurden im Jahr 2019 insgesamt 206.648 Vergleiche geschlossen bei insgesamt 426.108 im gleichen Jahr anhängigen Klageverfahren. Einiges spricht daher dafür, dass der überwiegende Teil der Kündigungsprozesse in den ersten drei Monaten durch Vergleich beendet wurde.
Kündigungsschutzgesetz
Besteht das Arbeitsverhältnis im Betrieb des Arbeitgebers – nicht gemeint ist das Unternehmen, sondern der unter einer personellen Leitung stehende Betrieb eines Unternehmens – ohne Unterbrechung länger als sechs Monate und werden in diesem Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter auf Vollzeitstellen dauerhaft beschäftigt, greift das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und der Arbeitnehmer genießt Kündigungsschutz (§§ 1, 23 KSchG). Der Betriebsbegriff des KSchG unterscheidet sich von dem des Steuerrechts. Jede Filiale in derselben Stadt kann daher ein eigenständiger Betrieb sein, wenn es dort eine Personalleitung gibt, die allein über Einstellungen und Kündigungen sowie Urlaub und Überstunden entscheidet, solange es nicht zum Austausch von Mitarbeitern mit anderen Filialen kommt; daran scheitert es dann häufig. Geschäftsführer, Vorstände und Auszubildende sind keine Arbeitnehmer im Sinne des KSchG und zählen bei der Berechnung der Stellen nicht mit. Um eine Vollzeitstelle handelt es sich, wenn mehr als 30 Stunden in der Woche dauerhaft gearbeitet wird. Hat ein Betrieb also 20 Mitarbeiter je auf einer 20-Stunden-Stelle und vielleicht noch vier Auszubildende und zwei Geschäftsführer, dann kommt gleichwohl keiner der 20 Mitarbeiter in den Schutzbereich des KSchG. Aushilfen und Minijobber, auch studentische Aushilfen und jede Stelle unter 20 Stunden, auch die geringfügig Beschäftigten, sind mit 0,5 Stellen zu berücksichtigen. Das Gericht prüft bei rückschauender Betrachtung (sechs bis neun Monate) die Entwicklung der Stellen bis zum Zugang der Kündigung prognostisch mit Blick darauf, ob es sich um dauerhaft im Betrieb vorhandene Stellen handelt. Im Geltungsbereich des KSchG ist eine Kündigung nur wirksam, wenn einer der anerkannten Kündigungsgründe nach § 1 KSchG vorliegt. Ohne eingehende Prüfung und Vorbereitung im Vorfeld sind diese Prozesse für Arbeitgeber kaum zu gewinnen.
Betriebsbedingte Kündigungen
Jede betriebsbedingte Kündigung ist wirksam, sagen die Arbeitsgerichte. Gleichwohl verlieren Arbeitgeber diese Prozesse häufig. Das liegt daran, dass sie die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der Kündigung trifft. Bekanntermaßen unterliegt im Zweifel die im Zivilprozess beweisbelastete Partei. In der Praxis scheitern betriebsbedingte Kündigungen, weil sie entweder den endgültigen Wegfall von Tätigkeiten oder die Verdichtung von Tätigkeiten (betrieblicher Grund) nicht so substantiiert darlegen, dass die Arbeitsgerichte das auch tatsächlich überprüfen könnten, oder die Kündigung trifft ganz bewusst zuvor ausgesuchte Mitarbeiter, sodass die Sozialauswahl fehlerhaft ist. Darin kann dann zugleich ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) liegen, sofern beispielsweise bewusst nur Mitarbeiter einer bestimmten Altersgruppe gekündigt werden. Fallen hingegen Tätigkeiten im Umfang einer oder mehrerer Stellen weg und wird das nachprüfbar dargelegt, dann ist das ein ausreichender Kündigungsgrund. Werden alle betroffenen und alle mittels Versetzung austauschbaren Mitarbeiter in eine Sozialauswahl einbezogen und die Sozialdaten nachvollziehbar gewichtet und trifft eine betriebsbedingte Kündigung den oder die Mitarbeiter mit den schlechtesten Sozialdaten, dann ist diese Kündigung wirksam.
Verhaltensbedingte Kündigungen
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist im Regelfall nur wirksam, wenn zuvor wirksame Abmahnungen zeitnahgleichartige Pflichtverletzungen bereits gerügt haben. Hier gibt es zwar keine Faustformel, doch verlangen die Arbeitsgerichte je nach Schwere der Pflichtverletzung, dass diese vorher ein- oder zweimal abgemahnt worden ist. Aus Beweiszwecken empfiehlt sich die schriftliche Abmahnung. Handelt es sich um schwere Pflichtverletzungen wie eine Straftat (Arbeitszeitbetrug, Diebstahl, Unterschlagung) bedarf es keiner Abmahnung. In allen Fällen gilt: Der Sachverhalt ist vorher präzise zu erfassen und der Mitarbeiter sollte vorher angehört werden und Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Hierdurch gewinnt der Arbeitgeber regelmäßig weitere Erkenntnisse, die er auch für die Rechtfertigung der Kündigung nutzen kann.
Personenbedingte Kündigungen
Die personenbedingte Kündigung stützt sich häufig entweder auf viele Kurzzeiterkrankungen (Entgeltfortzahlung über 42 Kalendertage pro Jahr) oder eine Langzeiterkrankung. In beiden Fällen sind die betrieblichen Auswirkungen nachprüfbar darzulegen. Bedacht werden muss, dass in diesen Fällen Mitarbeiter nicht selten bereits eine anerkannte Behinderung von 50 Prozent und mehr haben, die der Arbeitgeber erst nach der Kündigung erkennt. Hier ist gegebenenfalls vorsorglich das Integrationsamt vor Ausspruch der Kündigung anzuhören. Stets ist im Vorfeld das sogenannte Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten und sind die Betroffenen in jedem Fall zur gesundheitlichen Prognose zu befragen, am besten nach deren Rücksprache mit den behandelnden Ärzten. Gleichwohl wird es im Regelfall zu einem oder mehreren ärztlichen Gutachten im Prozess kommen, was zu einer erheblichen Verfahrensdauer von zwölf Monaten und mehr in der ersten Instanz führt.
Änderungskündigungen
Die Änderungskündigung ist im Ergebnis nichts anderes als eine Beendigungskündigung verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu geänderten Konditionen fortzusetzen (§ 2 KSchG). Insoweit gelten zunächst dieselben Voraussetzungen wie bei den voranstehend skizzierten Kündigungen, etwa die erforderliche Darlegung zum Wegfall von Tätigkeiten. Auf der zweiten Stufe der Prüfung darf das Änderungsangebot nicht sozial ungerechtfertigt sein. Mitarbeiter müssen nur solche Änderungen billigerweise hinnehmen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von den bisherigen Konditionen nicht weiter entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 10.04.2014 – 2 AZR 812/12 –, NZA 2014, 653). Schließlich gilt es auf Arbeitgeberseite zu bedenken, dass jede Kündigung, auch die Änderungskündigung des Arbeitgebers, zugleich eine negative Erklärung an die betroffene Person darstellt, was regelmäßig zu einer Distanzierung vom Arbeitgeber, gegebenenfalls zeitnah zur Kündigung auf Arbeitnehmerseite, führen wird.
Kündigung ohne Grund
In Kenntnis der Statistik sprechen Unternehmen zum Teil trotz mangelnder Erfolgsaussichten ordentliche Kündigungen aus, um sich zeitnah zu einigen. Bei einer ordentlichen Kündigung besteht regelmäßig Anspruch auf Arbeitslosengeld und es bleibt Zeit, über einen Vergleich zu verhandeln. Je nach Dauer der Kündigungsfrist geschieht das ohne, vor oder nach Erhebung einer Klage. Zum Teil wird parallel zu der Kündigung ein befristetes Vergleichsangebot überreicht. In diesen Fällen kommt es zeitnah nach der Kündigung entweder zu einem Vergleich oder der Arbeitgeber erklärt, dass er aus der Kündigung keine Rechte mehr herleite. Der Gekündigte kann zwar auch weiter die Sozialwidrigkeit der Kündigung durch das Arbeitsgericht feststellen lassen (eine Willenserklärung, die zugegangen ist, kann man formell nicht zurücknehmen), aber mit der Erklärung des Arbeitgebers, er leite keine Rechte aus der Kündigung her, ist der Gekündigte streitlos gestellt; das wirtschaftliche Risiko entfällt. Die Agentur für Arbeit wird zudem im Regelfall kein Arbeitslosengeld zahlen, nachdem der Arbeitgeber an der Kündigung nicht mehr festhält.
Abfindung und Schadenersatz
Gleichzeitig möchten viele Arbeitnehmer nach einer Kündigung nicht mehr auf ihren Arbeitsplatz zurück. Geklagt wird zwar gegen die Kündigung, aber nur, um hierdurch eine Abfindungsregelung zu erzielen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht. Gleichwohl ist Zurückhaltung geboten, denn nach § 628 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Arbeitnehmer in Ausnahmefällen Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen, etwa dann, wenn das Verhalten des Arbeitgebers zu einer Eigenkündigung des Mitarbeiters führt.
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