Beendigung des Arbeitsverhältnisses - 3. März 2022

Ein Schritt, der wohlüberlegt sein will

Kündigungen stellen für fast jeden Arbeitgeber ein schwer kalkulierbares, hohes wirtschaftliches Risiko dar. Ohne eingehende Prüfung im Vorfeld und entsprechende Vorbereitung sind die anschließenden Prozesse für die Arbeitgeber kaum zu gewinnen.

Unterliegt der Arbeitgeber in einem Prozess über die Kündi­gung eines Arbeitsverhältnisses, muss er im Regelfall das bis dahin offene Gehalt des Arbeitnehmers nachträglich zahlen, ohne die Gegenleistung zu erhalten. Zudem ist die klagende Partei nach dem Urteil zu beschäftigen, wenn sie nicht selbst kündigt. Die Signalwirkung im Betrieb lässt sich kaum kalkulieren. Jüngere Entscheidungen des Bun­desarbeitsgerichts (BAG) zeigen zwar, dass auch die klagenden Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter nicht einfach den Prozessausgang abwarten können, denn sie müssen vor Gericht nachweisen können, dass sie sich um eine ander­weitige Stelle bemüht haben, wenn sie vom Arbeitgeber am Ende des Kündi­gungsprozesses auch das offene Gehalt bekommen möchten (BAG 27.05.2020 – 5AZR 378/19). Dem Arbeitgeber müssen sie daher auf sein Verlangen Auskunft geben über die von der Arbeitsagentur mitgeteilten Vermittlungsvorschläge, ihre Bewerbungen und Absagen. In einer weiteren Entscheidung hat das BAG gerade festgestellt, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfä­higkeitsbescheinigung erheblich erschüt­tert ist, wenn ein Arbeitnehmer selbst kündigt und vom Tag der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durch­gängig arbeitsunfähig krankgeschrieben wird (BAG 08.09.2021 – 5 AZR 149/21). Der geltend gemachte Anspruch auf Ent­geltfortzahlung wurde – erst – vom BAG abgewiesen; die Vorinstanzen hatten der Klägerin den Anspruch noch zuerkannt. Gleichzeitig gilt: Diese Entscheidungen reduzieren das wirt­schaftliche Risiko der Arbeitgeber nicht.

Statistiken

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat zuletzt für 2019 die Statistiken zu der Zahl der Klageverfahren vor den Arbeitsgerichten veröffentlicht. 2019 waren 178.797 Klagen gegen Kündigungen anhängig. 47.674 waren schon nach einem Monat erledigt. Weitere 86.688 nach ein bis drei Monaten. Gut 75 Prozent der Kündigungsschutzklagen waren also spätestens nach drei Monaten erledigt. Zwar sagt die Statistik nichts darüber, ob es sich um Vergleiche, Urteile oder Klagerücknahmen handelt, jedoch wurden im Jahr 2019 insgesamt 206.648 Vergleiche geschlossen bei insgesamt 426.108 im gleichen Jahr anhängigen Klagever­fahren. Einiges spricht daher dafür, dass der überwiegende Teil der Kündigungsprozesse in den ersten drei Monaten durch Vergleich beendet wurde.

Kündigungsschutzgesetz

Besteht das Arbeitsverhältnis im Betrieb des Arbeitgebers – nicht gemeint ist das Unternehmen, sondern der unter einer personellen Leitung stehende Betrieb eines Unterneh­mens – ohne Unterbrechung länger als sechs Monate und werden in diesem Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter auf Vollzeitstellen dauerhaft beschäftigt, greift das Kündigungs­schutzgesetz (KSchG) und der Arbeitnehmer genießt Kündi­gungsschutz (§§ 1, 23 KSchG). Der Betriebsbegriff des KSchG unterscheidet sich von dem des Steuerrechts. Jede Filiale in derselben Stadt kann daher ein eigenständiger Be­trieb sein, wenn es dort eine Personalleitung gibt, die allein über Einstellungen und Kündigungen sowie Urlaub und Überstunden entscheidet, solange es nicht zum Austausch von Mitarbeitern mit anderen Filialen kommt; daran schei­tert es dann häufig. Geschäftsführer, Vorstände und Auszu­bildende sind keine Arbeitnehmer im Sinne des KSchG und zählen bei der Berechnung der Stellen nicht mit. Um eine Vollzeitstelle handelt es sich, wenn mehr als 30 Stunden in der Woche dauerhaft gearbeitet wird. Hat ein Betrieb also 20 Mitarbeiter je auf einer 20-Stunden-Stelle und vielleicht noch vier Auszubildende und zwei Geschäftsführer, dann kommt gleichwohl keiner der 20 Mitar­beiter in den Schutzbereich des KSchG. Aushilfen und Minijobber, auch studenti­sche Aushilfen und jede Stelle unter 20 Stunden, auch die geringfügig Beschäf­tigten, sind mit 0,5 Stellen zu berücksich­tigen. Das Gericht prüft bei rückschauen­der Betrachtung (sechs bis neun Monate) die Entwicklung der Stellen bis zum Zu­gang der Kündigung prognostisch mit Blick darauf, ob es sich um dauerhaft im Betrieb vorhande­ne Stellen handelt. Im Geltungsbereich des KSchG ist eine Kündigung nur wirksam, wenn einer der anerkannten Kün­digungsgründe nach § 1 KSchG vorliegt. Ohne eingehende Prüfung und Vorbereitung im Vorfeld sind diese Prozesse für Arbeitgeber kaum zu gewinnen.

Betriebsbedingte Kündigungen

Jede betriebsbedingte Kündigung ist wirksam, sagen die Arbeitsgerichte. Gleichwohl verlieren Arbeitgeber diese Prozesse häufig. Das liegt daran, dass sie die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der Kündi­gung trifft. Bekanntermaßen unterliegt im Zweifel die im Zivilprozess beweisbelastete Partei. In der Praxis scheitern betriebsbedingte Kündigungen, weil sie entweder den end­gültigen Wegfall von Tätigkeiten oder die Verdichtung von Tätigkeiten (betrieblicher Grund) nicht so substantiiert dar­legen, dass die Arbeitsgerichte das auch tatsächlich über­prüfen könnten, oder die Kündigung trifft ganz bewusst zu­vor ausgesuchte Mitarbeiter, sodass die Sozialauswahl feh­lerhaft ist. Darin kann dann zugleich ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) liegen, sofern beispielsweise bewusst nur Mitarbeiter einer bestimmten Altersgruppe gekündigt werden. Fallen hingegen Tätigkei­ten im Umfang einer oder mehrerer Stellen weg und wird das nachprüfbar dargelegt, dann ist das ein ausreichender Kündigungsgrund. Werden alle betroffenen und alle mittels Versetzung austauschbaren Mitarbeiter in eine Sozialaus­wahl einbezogen und die Sozialdaten nachvollziehbar ge­wichtet und trifft eine betriebsbedingte Kündigung den oder die Mitarbeiter mit den schlechtesten Sozialdaten, dann ist diese Kündigung wirksam.

Verhaltensbedingte Kündigungen

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist im Regelfall nur wirksam, wenn zuvor wirksame Abmahnungen zeitnahgleichartige Pflichtverletzungen bereits gerügt haben. Hier gibt es zwar keine Faustformel, doch verlangen die Arbeits­gerichte je nach Schwere der Pflichtverletzung, dass diese vorher ein- oder zweimal abgemahnt worden ist. Aus Be­weiszwecken empfiehlt sich die schriftliche Abmahnung. Handelt es sich um schwere Pflichtverletzungen wie eine Straftat (Arbeitszeitbetrug, Diebstahl, Unterschlagung) be­darf es keiner Abmahnung. In allen Fällen gilt: Der Sach­verhalt ist vorher präzise zu erfassen und der Mitarbeiter sollte vorher angehört werden und Gelegenheit zur Stel­lungnahme haben. Hierdurch gewinnt der Arbeitgeber re­gelmäßig weitere Erkenntnisse, die er auch für die Recht­fertigung der Kündigung nutzen kann.

Personenbedingte Kündigungen

Die personenbedingte Kündigung stützt sich häufig entwe­der auf viele Kurzzeiterkrankungen (Entgeltfortzahlung über 42 Kalendertage pro Jahr) oder eine Langzeiterkran­kung. In beiden Fällen sind die betrieblichen Auswirkun­gen nachprüfbar darzulegen. Bedacht werden muss, dass in diesen Fällen Mitarbeiter nicht selten bereits eine aner­kannte Behinderung von 50 Prozent und mehr haben, die der Arbeitgeber erst nach der Kündigung erkennt. Hier ist gegebenenfalls vorsorglich das Integrationsamt vor Aus­spruch der Kündigung anzuhören. Stets ist im Vorfeld das sogenannte Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten und sind die Betroffenen in jedem Fall zur gesundheitlichen Prognose zu befragen, am besten nach deren Rücksprache mit den behandelnden Ärzten. Gleichwohl wird es im Regelfall zu einem oder mehreren ärztlichen Gutachten im Prozess kommen, was zu einer er­heblichen Verfahrensdauer von zwölf Monaten und mehr in der ersten Instanz führt.

Änderungskündigungen

Die Änderungskündigung ist im Ergebnis nichts anderes als eine Beendigungskündigung verbunden mit dem Ange­bot, das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu geänderten Konditionen fortzusetzen (§ 2 KSchG). Insoweit gelten zunächst dieselben Vorausset­zungen wie bei den voranstehend skizzierten Kündigun­gen, etwa die erforderliche Darlegung zum Wegfall von Tätigkeiten. Auf der zweiten Stufe der Prüfung darf das Än­derungsangebot nicht sozial ungerechtfertigt sein. Mitar­beiter müssen nur solche Änderungen billigerweise hin­nehmen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ent­sprechen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von den bisherigen Konditionen nicht weiter entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 10.04.2014 – 2 AZR 812/12 –, NZA 2014, 653). Schließlich gilt es auf Arbeitgeberseite zu bedenken, dass jede Kündi­gung, auch die Änderungskündigung des Arbeitgebers, zu­gleich eine negative Erklärung an die betroffene Person darstellt, was regelmäßig zu einer Distanzierung vom Ar­beitgeber, gegebenenfalls zeitnah zur Kündigung auf Ar­beitnehmerseite, führen wird.

Kündigung ohne Grund

In Kenntnis der Statistik sprechen Unternehmen zum Teil trotz mangelnder Erfolgsaussichten ordentliche Kündigun­gen aus, um sich zeitnah zu einigen. Bei einer ordentlichen Kündigung besteht regelmäßig Anspruch auf Arbeitslosen­geld und es bleibt Zeit, über einen Vergleich zu verhan­deln. Je nach Dauer der Kündigungsfrist geschieht das ohne, vor oder nach Erhebung einer Klage. Zum Teil wird parallel zu der Kündigung ein befristetes Vergleichsange­bot überreicht. In diesen Fällen kommt es zeitnah nach der Kündigung entweder zu einem Vergleich oder der Arbeit­geber erklärt, dass er aus der Kündigung keine Rechte mehr herleite. Der Gekündigte kann zwar auch weiter die Sozialwidrigkeit der Kündigung durch das Arbeitsgericht feststellen lassen (eine Willenserklärung, die zugegangen ist, kann man formell nicht zurücknehmen), aber mit der Erklärung des Arbeitgebers, er leite keine Rechte aus der Kündigung her, ist der Gekündigte streitlos gestellt; das wirtschaftliche Risiko entfällt. Die Agentur für Arbeit wird zudem im Regelfall kein Arbeitslosengeld zahlen, nachdem der Arbeitgeber an der Kündigung nicht mehr festhält.

Abfindung und Schadenersatz

Gleichzeitig möchten viele Arbeitnehmer nach einer Kündi­gung nicht mehr auf ihren Arbeitsplatz zurück. Geklagt wird zwar gegen die Kündigung, aber nur, um hierdurch eine Abfindungsregelung zu erzielen, auf die kein gesetzli­cher Anspruch besteht. Gleichwohl ist Zurückhaltung ge­boten, denn nach § 628 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Arbeitnehmer in Ausnahmefällen Schadenersatz­ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen, etwa dann, wenn das Verhalten des Arbeitgebers zu einer Eigen­kündigung des Mitarbeiters führt.

MEHR DAZU

Kompaktwissen Lohn und Personal: Brennpunkt Personalabbau in der Krise,

DATEV-Fachbuch: Praxishandbuch Lohn und Personal, 3. Auflage

Zum Autor

MB
Marcus Bodem

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Ecovis in Berlin

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