Handlungsdruck für Arbeitgeber - 6. Juli 2022

Das neue Nachweisgesetz

Nach einer kurzen Atempause, bedingt durch die Corona-Pandemie, stellt der Gesetzgeber die Unternehmen nun im Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen.

Am 23. Juni dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments sowie des Rats vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Arbeitsbedingungenrichtlinie) verabschiedet. Zum 1. August 2022 wird das Gesetz in Kraft treten. Das sogenannte Nachweisgesetz (NachwG) wird daher, nachdem es bislang eher ein Schattendasein geführt und in der betrieblichen Praxis kaum Beachtung gefunden hat, künftig eine bedeutendere Rolle einnehmen. Wesentlicher Treiber dieser Richtlinie war ausweislich europäischer Vorgaben unter anderem auch der Wunsch zur Entwicklung neuer Arbeitsformen, wodurch eine erheblich größere Notwendigkeit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestehen soll, umfassend, zeitnah und schriftlich über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet zu werden. Doch damit nicht genug. Denn die deutsche Umsetzung geht hier deutlich über die europäischen Mindestvorgaben hinaus und wird deshalb wider Erwarten doch noch Handlungsbedarf bei der Frage der Gestaltung von Arbeitsverträgen und -bedingungen auslösen.

Welche Regelungen gelten bisher?

Das NachwG sieht bereits in seiner aktuell gültigen Fassung Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern vor. Derzeit muss dieser seinen Arbeitnehmern innerhalb eines Monats nach vereinbartem Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen, die Niederschrift unterzeichnen und dem Arbeitnehmer aushändigen. Die Information kann durch den Arbeitsvertrag erfolgen oder durch eine gesonderte Niederschrift. Bisher sah das NachwG keine unmittelbare Sanktion vor, wenn der Arbeitgeber die Informationspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt hatte.

Regelungen der Arbeitsbedingungenrichtlinie

Die Arbeitsbedingungenrichtlinie normiert nun weitergehende Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers über die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses und führt so zu einer Änderung und Ausweitung im deutschen NachwG. Die ergänzte Neufassung des Gesetzes hat außerdem zur Folge, dass der Anteil beschreibender und gleichsam aufklärender Inhalte deutlich gestiegen ist.

Kreis der Betroffenen

Es gilt der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Damit fallen neben klassischen Arbeitnehmern auch Fremdgeschäftsführer und Beamte unter die Richtlinie beziehungsweise das neue NachwG. Entgegen der bisherigen Regelung gilt das neue NachwG darüber hinaus auch für Aushilfen, die vorübergehend für höchstens einen Monat eingestellt werden. Auch die Anforderungen an den Nachweis gegenüber Auszubildenden gemäß § 11 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) werden verschärft.

Welche Arbeitsverträge sind betroffen?

Potenziell sind zunächst alle Arbeitsverträge von den Änderungen im NachwG betroffen. Dennoch müssen die Arbeitgeber nur bei Neuverträgen initiativ tätig werden. Hier gilt es, bei Arbeitsverhältnissen, die ab dem 1. August 2022 beginnen, aktiv zu handeln, weil den Arbeitgeber dann weitgehende Unterrichtungspflichten treffen. Dies gilt im Übrigen auch für Arbeitsverträge, die zwar einen Tätigkeitsbeginn ab dem 1. August 2022 vorsehen, aber bereits zuvor vereinbart und/oder abgeschlossen wurden. Insoweit sollte man gegebenenfalls rasch nachjustieren. Bei Altverträgen, also Arbeitnehmern, die bereits vor dem 1. August 2022 tätig waren, müssen die Arbeitgeber tätig werden und die Arbeitnehmer zusätzlich zum bestehenden Vertrag über die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich unterrichten, sofern eine solche Niederschrift explizit vom Arbeitnehmer verlangt wird.

Unterrichtungspflichten von besonderer Bedeutung

Arbeitgeber müssen in Zukunft die Zusammensetzung der Vergütung sowie deren Höhe einschließlich der Vergütung von Überstunden sowie von Zuschlägen, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie andere Bestandteile des Arbeitsentgelts jeweils getrennt voneinander angeben. Außerdem sind die Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung anzugeben.

Außerdem müssen Arbeitgeber das vereinbarte Arbeitszeitsystem mit den dazu gehörenden Pausenzeiten darstellen und sollten ergänzend auch auf die Rahmenvorgaben des Arbeitszeitgesetzes verweisen. Bei Schichtarbeit sind umfassende Angaben zum Schichtsystem, Schichtrhythmus sowie zu den Voraussetzungen für Schichtänderungen zu machen. Sofern vereinbart, sind zukünftig auch die Voraussetzungen für die Anordnung von Überstunden in die Niederschrift aufzunehmen. Neben dem Hinweis auf die zwingende Schriftform einer Kündigung sowie die Kündigungsfrist muss künftig zudem eine Übersicht über das Verfahren bei Kündigungen sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage enthalten sein. Eine Missachtung führt zwar nicht zur Unwirksamkeit etwaiger Kündigungen, ist aber eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit.

Weitere Änderungen

Unter anderem ist nach dem neuen NachwG auch über die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart, über die detaillierten Regelungen zur Arbeit auf Abruf gemäß § 12 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) sowie über einen etwaigen Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellter Fortbildungen zu unterrichten. Bei Zusage einer betrieblichen Altersversorgung ist außerdem über den Namen sowie die Anschrift des Versorgungsträgers zu informieren.

Zeitpunkt der Unterrichtung

Das neue NachwG sieht leider eine komplizierte, dreistufige Frist vor. Einige Informationen beziehungsweise Angaben (Name und Anschrift der Vertragsparteien, Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts, vereinbarte Arbeitszeit sowie Ruhepausen) sollen bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung, andere am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn (zum Beispiel Arbeitsort und Tätigkeitsbeschreibung) und weitere (etwa Urlaubsdauer oder Informationen zum Kündigungsverfahren) spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn erfolgen. Die Nachweisverpflichtung besteht entsprechend der Übergangsregelung des § 5 NachwG n.F. für Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. August 2022 bereits bestanden haben, erst nach entsprechendem Verlangen durch die Arbeitnehmer. Dann gilt aber ebenfalls eine Frist von sieben Tagen beziehungsweise einem Monat ab Zugang der Aufforderung. Für die Praxis führt dies dazu, dass der vollständige Nachweis bei jeder Neueinstellung ab dem 1. August 2022 am ersten Tag der Arbeitsleistung sowie bei Altverträgen sieben Tage nach Aufforderung dem Arbeitnehmer übergeben werden sollte, weil eine fristentechnische Stückelung der Nachweise höchst unpraktisch ist und zu noch mehr Aufwand führen würde.  

Form der Unterrichtung

Obwohl die Richtlinie dies explizit zugelassen hätte, bleibt die Erteilung des Nachweises in elektronischer Form auch im neuen NachwG ausgeschlossen. Auch in Zeiten der fortgeschrittenen Digitalisierung unterliegt der Nachweis daher bedauerlicherweise weiterhin der strengen Schriftform, es wird also eine eigenhändige Originalunterschrift vorausgesetzt.

Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Arbeitsverträgen?

Verstöße gegen die Nachweis- und Unterrichtungspflichten führen nicht zur Unwirksamkeit von Arbeitsverträgen. Die Informationen müssen auch nicht allesamt im Arbeitsvertrag enthalten sein. Stattdessen ist es auch möglich und empfehlenswert, Arbeitnehmer in einem gesonderten Schreiben über die wesentlichen Vertragsbedingungen zu unterrichten.

Was passiert bei Verstößen?

Eine bedeutsame Neuerung im Nachweisgesetz ist die Sanktionierung von Verstößen. § 4 NachwG n.F. sieht bei fehlender oder unzureichender Erfüllung der Nachweispflicht eine Sanktion als Ordnungswidrigkeit vor, die mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 Euro pro Verstoß bewehrt ist. Vor diesem Hintergrund muss künftig unter anderem den leicht   zu übersehenden neuen Fristen für die Nachweispflicht besondere Beachtung geschenkt werden.

Fazit

Die Arbeitsvertragsgestaltung sowie der Nachweis wesentlicher Arbeitsbedingungen gewinnen weiter an Bedeutung. Verantwortlich dafür ist die weitreichende Umsetzung der europäischen Arbeitsbedingungenrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber, die zu erheblichem administrativen Mehraufwand führt und die Unternehmen nun zumindest kurzfristig vor zu bewältigende Herausforderungen stellt. Vor dem Hintergrund drohender Sanktionen müssen Arbeitgeber daher ihre arbeitsvertraglichen Mustervorlagen überprüfen und in der Lage sein, die wesentlichen Arbeitsbedingungen gegebenenfalls gesondert nachzuweisen.

Zum Autor

Hannah Anhorn

Rechtsanwältin in der Kanzlei DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Reutlingen.

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