Beim sogenannten Green Deal der Europäischen Kommission handelt es sich um ein ambitioniertes Vorhaben, sowohl hinsichtlich der damit verfolgten Ziele als auch mit Blick auf die teilweise komplexen Regelungen. Daher verwundert es nicht, dass jetzt schon Widerstand in einigen EU-Mitgliedstaaten zu bemerken ist.
Mit dem European Green Deal schafft die EU-Kommission eine konzeptionelle Grundlage, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2050 klimaneutral auszurichten. Die EU-Mitgliedstaaten haben hierzu vereinbart, dass der Gesamtausstoß an CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 reduziert werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die EU-Kommission dem EU-Parlament, dem Rat, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie dem Ausschuss der Regionen einen Plan vorgelegt, wie diese Klimaziele erreicht werden können [vgl. COM (2021) 550 final vom 14.07.2021 – „Fit for 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umsetzung des EU-Klimaziels für 2030]. Das „Fit for 55“-Paket besteht dabei aus miteinander verbundenen Vorschlägen, die nach Auffassung der EU-Kommission ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gerechtigkeit, Emissionsreduktion und Wettbewerbsfähigkeit erreichen werden. Insgesamt umfasst das Paket acht Vorschläge für den Ausbau bestehender Rechtsakte, also bestehender Richtlinien und Verordnungen, sowie fünf neue Initiativen, deren Rechtsnatur noch unklar ist.
Im Wesentlichen geht es um Maßnahmen, mit denen fossile durch erneuerbare Energien zunehmend ersetzt werden sollen. Fossile Energien sind im Wesentlichen Stein- und Braunkohle, fossile Mineralöle und Erdgas. Deutschland hat hierzu bereits in der Vergangenheit Vorarbeit geleistet und beispielsweise den Steinkohleabbau zum 31. Dezember 2018 eingestellt. Der Ausstieg aus der Braunkohle wird politisch diskutiert. Fossile Energien sollen durch nachwachsende Rohstoffe (erneuerbare Energien) oder solche ersetzt werden, die kein CO2 emittieren. In der EU wird deshalb auch darüber gestritten, ob Strom aus Kernkraftwerken nachhaltig ist. Dieser Strom wird ohne den Ausstoß von CO2 erzeugt, sodass die Kernenergie in diesem Sinne als nachhaltig gelten könnte. Ob dies aber tatsächlich so sein wird, ist höchst fragwürdig und entzündet sich an der Frage der nuklearen Sicherheit und Endlagerung von radioaktiven Brennelementen. Deutschland lässt deshalb die Betriebsgenehmigungen der letzten deutschen Kernkraftwerke auslaufen, die bald endgültig vom Netz genommen werden müssen.
EU-Taxonomie
Die Maßnahmenpakete des European Green Deal umfassen neben dem „Fit for 55“-Paket zudem neue Regelungen, Unternehmen nachhaltig führen zu können [vgl. Verordnung (EU 2020/852) mit Entwürfen zu delegierten Verordnungen und Anhängen]. Die Regelungen enthalten Kriterien, ob Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch und sozial nachhaltig einzustufen sind. Damit soll der Grad der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit von Investitionen ermittelt werden können. Die Verordnung gilt für Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer und für Unternehmen, die eine nicht finanzielle Erklärung nach Art. 19a und 29a der Richtlinie (RL) 2013/34/EU abgeben müssen. Die Regelungen sind noch nicht alle verabschiedet, sollen aber für das Berichtsjahr 2022 bis zum 31. Dezember 2023 vollständig vorliegen.
Konkrete Maßnahmen zur Emissionsminderung
Für alle Mitgliedstaaten werden nach der überarbeiteten Lastenverteilungsverordnung nationale Emissionsziele für 2030 vorgegeben. Dabei sollen sich die Emissionsmengen prozentual gegenüber 2005 verringern. Die EU-Kommission hat dafür drei verschiedene Maßnahmenpakete entworfen:
1. die CO2-Emissionen sollen verteuert werden,
2. die Reduktionsziele werden ambitionierter vorgegeben und
3. neue Regelungen zum Schutz der Umwelt werden eingeführt.
Höhere Preise für CO2-Emissionen sollen sich aus einem verschärften Emissionshandel ergeben. Der Emissionshandel soll erstmals auf den Luftverkehr, den See- und den Straßenverkehr sowie auf Gebäude ausgeweitet werden. Die ausgegebenen Zertifikate werden zudem schrittweise minimiert, was im Handelssystem zu Preissteigerungen führen wird. Die Energiesteuerrichtlinie wird aktualisiert und ein CO2-Grenzausgleichssystem wird eingeführt. Auch diese Maßnahmen werden den CO2-Preis ansteigen lassen. Richtlinien und Verordnungen, die konkrete Maßnahmen zu mehr Klimaneutralität enthalten, sind nach Aktualisierungen die Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft, die Erneuerbare-Energien-Richtlinie und die Energieeffizienz-Richtlinie. Darüber hinaus sind strengere CO2-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen und neue Regelungen für alternative Kraftstoffe, nachhaltige Flugzeugtreibstoffe und umweltfreundliche Schiffskraftstoffe.
Ambitioniertes Vorhaben
Der European Green Deal ist außerordentlich ambitioniert, hinsichtlich der Reduktionsziele, aber auch hinsichtlich der komplexen Regelungen, die ineinandergreifen und den Mitgliedstaaten auch einen gewissen Gestaltungsspielraum lassen. Dabei unterliegt ausschließlich die neue Energiesteuerrichtlinie der Einstimmigkeit der EU-Mitgliedstaaten. Alle anderen Regelungen können mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden.
Konsistenz der Instrumente
Die Vielzahl an Maßnahmen muss umgesetzt werden. Dabei wird es zwingend erforderlich sein, die Vorschriften in ihrer Fülle stringent zu gestalten. Das wird bereits heute deutlich. Seit dem 1. Januar 2021 startete in Deutschland die schrittweise Einführung eines nationalen Emissionshandels bezüglich der CO2-Emissionen aus Brennstoffen. Dabei handelt es sich um Erzeugnisse, die dem Energiesteuergesetz unterliegen, namentlich dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG). Im Rahmen des „Green Deal – Fit for 55“-Pakets sollen alle Mitgliedstaaten einen europäischen Zertifikatehandel nach diesem deutschen Modell einführen. Deshalb wird Deutschland den nationalen auf einen europäischen Zertifikatehandel umstellen müssen. Ungeklärt ist, ob Deutschland die Einnahmen aus dem jetzt noch nationalen Zertifikateverkauf (circa sieben Milliarden Euro pro Jahr) dann weiterhin selbst vereinnahmen darf oder diese Einnahmen mit der Überlagerung durch einen europäischen Zertifikatehandel zumindest teilweise der EU zustehen. Die Kommission schlägt vor, dass in Zukunft ein Viertel der Einnahmen in den EU-Haushalt fließt. Die Frage der Einnahmenkompetenz könnte zudem aufkommen, wenn die Anforderungen des europäischen Zertifikatehandels nicht den ökologischen Ambitionen eines einzelnen Mitgliedstaats entsprechen und dieser den Zertifikatepreis individuell höhersetzen möchte. Die Regelungen werden damit komplexer, das ist bereits jetzt absehbar. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die Regelungen des Zertifikatehandels mit der Energiebesteuerung in ein konsistentes Verhältnis gesetzt werden können.
Der Entwurf der Energiesteuerrichtlinie sieht keine Besteuerung nach dem CO2-Äquivalent vor wie beim Zertifikatehandel, sondern nach dem Heizwert eines Energieerzeugnisses. Ökologisch wertvolle Energieerzeugnisse werden dabei geringer besteuert als ökologisch weniger wertvolle Erzeugnisse (Spreizungssystem). Dabei betont der Gesetzgeber aber auch, dass mit der Energiesteuer das Steuereinkommen gesichert werden soll. Die Energiesteuer dient nicht ausschließlich der ökologischen Steuerung hin zu erneuerbaren Energien. Das zeigt sich auch daran, dass zum Beispiel eine erneuerbare Energie wie Wasserstoff – der bislang nicht besteuert wird – zukünftig einer Besteuerung unterzogen werden soll. Damit stellt sich die Frage nach einem widerspruchsfreien Regelungskonzept, insbesondere wenn die Besteuerung von Wasserstoff mit einem hohen administrativen Aufwand einhergehen sollte. Das ist nicht unwahrscheinlich, weil ein niedriger Steuersatz für Wasserstoff nur dann ökologisch nach dem Spreizungssystem der Steuersätze gerechtfertigt ist, wenn es sich um grünen Wasserstoff handelt. Steigen die administrativen Hürden für erneuerbare Energien, wird der Transformationsprozess behindert. Die Konsistenz der Instrumente beginnt zu haken. Bereits heute sind Regelungen zur Stromsteuerbefreiung von Strom aus Photovoltaik-Anlagen (PV-A) unübersichtlich und ein administrativer Moloch. Die steuerlichen Anträge sind mittlerweile so kompliziert, dass Unternehmen Investitionen in weitere PV-A infrage stellen. Vergleichbare Gefahren könnten durch die Reformpakete des European Green Deal drohen.
Vermeidung des Carbon Leakage
Die EU-Kommission hat mit der Veröffentlichung des „Green Deal – Fit for 55“ ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleiben muss. Die Wettbewerbsfähigkeit kann aber nur dann gesichert werden, wenn die hohen CO2-Preise in der EU nicht dazu führen, dass CO2-Emissionen in Drittländer verlagert werden. Die Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BECV) wurde zum Beispiel mit diesem Ziel 2021 verabschiedet. Unternehmen erhalten Vergünstigungen und zahlen den vollen CO2-Preis dann nicht, wenn sie eine gewisse Emissionsintensität erreichen und im internationalen Wettbewerb stehen. Im Bereich der Energie- und Stromsteuer müssen die Steuerentlastungen für Unternehmen aufgrund auslaufender beihilferechtlicher Genehmigungen der EU-Kommission bis zum 31. Dezember 2022 neu konzipiert werden, um eine Verlagerung der CO2-Emissionen zu vermeiden. Bei der Neukonzeption wäre zudem zu überlegen, die Instrumente miteinander zu verbinden. Bei der Neugestaltung von Steuerentlastungen könnten etwa auch Kriterien aus der EU-Taxonomie herangezogen werden, um nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten steuerlich besserzustellen.
Fazit
Der European Green Deal der EU-Kommission muss sich daran messen lassen, ob er alle diese Ziele erreicht. Schon jetzt wird aufgrund der steigenden Energiepreise auf dem Weltmarkt der Widerstand in den Mitgliedstaaten gegen weitere Preissteigerungen deutlich.