European Green Deal - 25. Mai 2022

Ziele und Herausforderungen

Beim sogenannten Green Deal der Europäischen Kommission handelt es sich um ein ambitioniertes Vorhaben, sowohl hinsichtlich der damit verfolgten Ziele als auch mit Blick auf die teilweise komplexen Regelungen. Daher verwundert es nicht, dass jetzt schon Widerstand in einigen EU-Mitgliedstaaten zu bemerken ist.

Mit dem European Green Deal schafft die EU-Kommis­sion eine konzeptionelle Grundlage, die Mitglied­staaten der Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2050 klimaneutral auszurichten. Die EU-Mitgliedstaaten haben hierzu vereinbart, dass der Gesamtausstoß an CO2-Emissi­onen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegen­über dem Stand von 1990 reduziert werden soll. Um die­ses Ziel zu erreichen, hat die EU-Kommission dem EU-Parlament, dem Rat, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie dem Ausschuss der Regionen ei­nen Plan vorgelegt, wie diese Klimaziele erreicht wer­den können [vgl. COM (2021) 550 final vom 14.07.2021 – „Fit for 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umset­zung des EU-Klimaziels für 2030]. Das „Fit for 55“-Paket besteht dabei aus miteinander verbundenen Vorschlägen, die nach Auffassung der EU-Kommission ein ausgewoge­nes Verhältnis zwischen Gerechtigkeit, Emissionsredukti­on und Wettbewerbsfähigkeit erreichen werden. Insgesamt umfasst das Paket acht Vorschläge für den Ausbau beste­hender Rechtsakte, also bestehender Richtlinien und Ver­ordnungen, sowie fünf neue Initiativen, deren Rechtsnatur noch unklar ist.

Im Wesentlichen geht es um Maßnahmen, mit denen fossile durch erneuerbare Energien zunehmend ersetzt werden sollen. Fossile Energien sind im Wesentli­chen Stein- und Braunkohle, fossile Mineralöle und Erdgas. Deutschland hat hierzu bereits in der Vergangenheit Vor­arbeit geleistet und beispielsweise den Steinkohleabbau zum 31. Dezember 2018 eingestellt. Der Ausstieg aus der Braun­kohle wird politisch diskutiert. Fossile Energien sollen durch nachwachsende Rohstoffe (erneuerbare Energien) oder solche ersetzt werden, die kein CO2 emit­tieren. In der EU wird deshalb auch dar­über gestritten, ob Strom aus Kernkraft­werken nachhaltig ist. Dieser Strom wird ohne den Ausstoß von CO2 erzeugt, so­dass die Kernenergie in diesem Sinne als nachhaltig gelten könnte. Ob dies aber tatsächlich so sein wird, ist höchst fragwürdig und entzündet sich an der Fra­ge der nuklearen Sicherheit und Endlagerung von radioak­tiven Brennelementen. Deutschland lässt deshalb die Be­triebsgenehmigungen der letzten deutschen Kernkraftwer­ke auslaufen, die bald endgültig vom Netz genommen wer­den müssen.

EU-Taxonomie

Die Maßnahmenpakete des European Green Deal umfassen neben dem „Fit for 55“-Paket zudem neue Regelungen, Un­ternehmen nachhaltig führen zu können [vgl. Verordnung (EU 2020/852) mit Entwürfen zu delegierten Verordnungen und Anhängen]. Die Regelungen enthalten Kriterien, ob Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch und sozial nachhaltig einzustufen sind. Damit soll der Grad der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit von Investitionen ermittelt werden können. Die Verordnung gilt für Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer und für Unternehmen, die eine nicht finanzielle Erklärung nach Art. 19a und 29a der Richtlinie (RL) 2013/34/EU abgeben müssen. Die Regelungen sind noch nicht alle verabschiedet, sollen aber für das Berichts­jahr 2022 bis zum 31. Dezember 2023 vollständig vorliegen.

Konkrete Maßnahmen zur Emissionsminderung

Für alle Mitgliedstaaten werden nach der überarbeiteten Las­tenverteilungsverordnung nationale Emissionsziele für 2030 vorgegeben. Dabei sollen sich die Emissionsmengen prozen­tual gegenüber 2005 verringern. Die EU-Kommission hat da­für drei verschiedene Maßnahmenpakete entworfen:

1. die CO2-Emissionen sollen verteuert werden,

2. die Reduktionsziele werden ambitionierter vorgegeben und

3. neue Regelungen zum Schutz der Umwelt werden ein­geführt.

Höhere Preise für CO2-Emissionen sollen sich aus einem verschärften Emissionshandel ergeben. Der Emissionshan­del soll erstmals auf den Luftverkehr, den See- und den Straßenverkehr sowie auf Gebäude ausgeweitet werden. Die ausgegebenen Zertifikate werden zu­dem schrittweise minimiert, was im Han­delssystem zu Preissteigerungen führen wird. Die Energiesteuerrichtlinie wird ak­tualisiert und ein CO2-Grenzausgleichs­system wird eingeführt. Auch diese Maß­nahmen werden den CO2-Preis ansteigen lassen. Richtlinien und Verordnungen, die konkrete Maßnahmen zu mehr Kli­maneutralität enthalten, sind nach Aktua­lisierungen die Verordnung über Land­nutzung und Forstwirtschaft, die Erneu­erbare-Energien-Richtlinie und die Energieeffizienz-Richt­linie. Darüber hinaus sind strengere CO2-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen und neue Regelungen für alternative Kraftstoffe, nachhaltige Flug­zeugtreibstoffe und umweltfreundliche Schiffskraftstoffe.

Ambitioniertes Vorhaben

Der European Green Deal ist außerordentlich ambitioniert, hinsichtlich der Reduktionsziele, aber auch hinsichtlich der komplexen Regelungen, die ineinandergreifen und den Mitgliedstaaten auch einen gewissen Gestaltungsspielraum lassen. Dabei unterliegt ausschließlich die neue Energie­steuerrichtlinie der Einstimmigkeit der EU-Mitgliedstaa­ten. Alle anderen Regelungen können mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden.

Konsistenz der Instrumente

Die Vielzahl an Maßnahmen muss umgesetzt werden. Da­bei wird es zwingend erforderlich sein, die Vorschriften in ihrer Fülle stringent zu gestalten. Das wird bereits heute deutlich. Seit dem 1. Januar 2021 startete in Deutschland die schrittweise Einführung eines nationalen Emissionshandels bezüglich der CO2-Emissionen aus Brennstoffen. Dabei handelt es sich um Erzeugnisse, die dem Energie­steuergesetz unterliegen, namentlich dem Brennstoffemis­sionshandelsgesetz (BEHG). Im Rahmen des „Green Deal – Fit for 55“-Pakets sollen alle Mitgliedstaaten einen europä­ischen Zertifikatehandel nach diesem deutschen Modell einführen. Deshalb wird Deutschland den nationalen auf ei­nen europäischen Zertifikatehandel umstellen müssen. Un­geklärt ist, ob Deutschland die Einnahmen aus dem jetzt noch nationalen Zertifikateverkauf (circa sieben Milliarden Euro pro Jahr) dann weiterhin selbst vereinnahmen darf oder diese Einnahmen mit der Überlagerung durch einen europäischen Zertifikatehandel zumindest teilweise der EU zustehen. Die Kommission schlägt vor, dass in Zukunft ein Viertel der Einnahmen in den EU-Haushalt fließt. Die Frage der Einnahmenkompetenz könnte zudem aufkommen, wenn die Anforderungen des europäischen Zertifikatehan­dels nicht den ökologischen Ambitionen eines einzelnen Mitgliedstaats entsprechen und dieser den Zertifikatepreis individuell höhersetzen möchte. Die Regelungen werden damit komplexer, das ist bereits jetzt absehbar. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die Regelungen des Zertifi­katehandels mit der Energiebesteuerung in ein konsisten­tes Verhältnis gesetzt werden können.

Der Entwurf der Energiesteuerrichtlinie sieht keine Besteuerung nach dem CO2-Äquivalent vor wie beim Zertifikatehandel, sondern nach dem Heizwert eines Energieerzeugnisses. Ökologisch wertvolle Energieerzeugnisse werden dabei geringer be­steuert als ökologisch weniger wertvolle Erzeugnisse (Spreizungssystem). Dabei betont der Gesetzgeber aber auch, dass mit der Energiesteuer das Steuereinkommen ge­sichert werden soll. Die Energiesteuer dient nicht aus­schließlich der ökologischen Steuerung hin zu erneuerba­ren Energien. Das zeigt sich auch daran, dass zum Beispiel eine erneuerbare Energie wie Wasserstoff – der bislang nicht besteuert wird – zukünftig einer Besteuerung unter­zogen werden soll. Damit stellt sich die Frage nach einem widerspruchsfreien Regelungskonzept, insbesondere wenn die Besteuerung von Wasserstoff mit einem hohen adminis­trativen Aufwand einhergehen sollte. Das ist nicht unwahr­scheinlich, weil ein niedriger Steuersatz für Wasserstoff nur dann ökologisch nach dem Spreizungssystem der Steu­ersätze gerechtfertigt ist, wenn es sich um grünen Wasser­stoff handelt. Steigen die administrativen Hürden für er­neuerbare Energien, wird der Transformationsprozess be­hindert. Die Konsistenz der Instrumente beginnt zu haken. Bereits heute sind Regelungen zur Stromsteuerbefreiung von Strom aus Photovoltaik-Anlagen (PV-A) unübersicht­lich und ein administrativer Moloch. Die steuerlichen An­träge sind mittlerweile so kompliziert, dass Unternehmen Investitionen in weitere PV-A infrage stellen. Vergleichbare Gefahren könnten durch die Reformpakete des European Green Deal drohen.

Vermeidung des Carbon Leakage

Die EU-Kommission hat mit der Veröffentlichung des „Green Deal – Fit for 55“ ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleiben muss. Die Wettbewerbsfähigkeit kann aber nur dann gesichert werden, wenn die hohen CO2-Preise in der EU nicht dazu führen, dass CO2-Emissionen in Drittländer verlagert werden. Die Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BECV) wurde zum Beispiel mit diesem Ziel 2021 verabschiedet. Unternehmen erhalten Vergünstigungen und zahlen den vollen CO2-Preis dann nicht, wenn sie eine gewisse Emissionsintensität erreichen und im internationalen Wettbewerb stehen. Im Bereich der Energie- und Stromsteuer müssen die Steuerentlastungen für Unternehmen aufgrund auslaufender beihilferechtli­cher Genehmigungen der EU-Kommission bis zum 31. De­zember 2022 neu konzipiert werden, um eine Verlagerung der CO2-Emissionen zu vermeiden. Bei der Neukonzeption wäre zudem zu überlegen, die Instrumente miteinander zu verbinden. Bei der Neugestaltung von Steuerentlastungen könnten etwa auch Kriterien aus der EU-Taxonomie heran­gezogen werden, um nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten steuerlich besserzustellen.

Fazit

Der European Green Deal der EU-Kommission muss sich daran messen lassen, ob er alle diese Ziele erreicht. Schon jetzt wird aufgrund der steigenden Energiepreise auf dem Weltmarkt der Widerstand in den Mitgliedstaaten gegen weitere Preissteigerungen deutlich.

Zum Autor

KM
Dr. Karen Möhlenkamp

Rechtsanwältin und Partnerin bei der WTS Group sowie Geschäftsführerin am Standort in Düsseldorf

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