Windkraft- und Solaranlagen - 26. Oktober 2023

Schnellere Verfahren

Die von der Politik forcierte Energiewende soll durch zahlreiche Neuerungen sowie rechtliche Änderungen bei den Genehmigungsverfahren einen neuen Schub bekommen.

Der Bund hat sich in § 1 Abs. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzielten Stroms 80 Prozent beträgt. Laut Bundesumweltamt lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr 2022 bei gerade einmal 46,2 Prozent. Es gibt also noch viel zu tun, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Die Ampelkoalition ist 2021 mit dem Ziel angetreten, die Energiewende zu beschleunigen. Ein großes Vorhaben in Anbetracht der kurzen Dauer einer Legislatur. Wichtige Bausteine sind dabei vor allem der Ausbau der Windkraftanlagen sowie der solaren Energiegewinnung. Mit zahlreichen gesetzlichen Änderungen und Neuerungen wurden seit 2022 bereits wichtige Weichen für den zügigeren Ausbau regenerativer Energieerzeugung gestellt.

Windenergie

Um das Ziel zu erreichen, dass 2 Prozent des Bundesgebiets bis 2032 für Windkraftanlagen verfügbar sind, müssen die bislang ausgewiesenen Flächen mehr als verdoppelt werden. Nicht zuletzt der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts sowie die Versorgungsengpässe durch den russischen Angriffskrieg haben den Gesetzgeber dazu bewogen, 2022 das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (Wind-an-Land-Gesetz) zu erlassen, das neben dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) auch Änderungen unter anderem des EEG sowie des Baugesetzbuchs (BauGB) zur Förderung des Ausbaus der Windenergie umfasst. Mit diesen Maßnahmen sollen Genehmigungsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden.

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit

Der Gesetzgeber machte für den stockenden Ausbau von Windkraftanlagen vor allem das Fehlen verfügbarer Flächen aus. Mit dem seit Anfang des Jahres geltenden WindBG wurden nun verbindliche Vorgaben festgeschrieben, wie viel Flächen in jedem Bundesland für Windenergieanlagen verfügbar sein sollen, um das Ziel von bundesweit 2 Prozent der Flächen für Windenergie zu erreichen. Dazu werden im Anhang zum WindBG die Flächen in Quadratkilometern detailliert bestimmt. Vom Erreichen dieser Flächenziele hängt maßgeblich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen ab. Solange die Zielvorgaben im jeweiligen Bundesland nicht erreicht sind, gelten Windenergieanlagen nicht nur als privilegierte Vorhaben im Außenbereich, sondern sind dort auch unter erheblich erleichterten Bedingungen zulässig (§ 249 Abs. 7 BauGB). Insbesondere lässt sich nicht entgegenhalten, dass Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans dem Vorhaben widersprechen [§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB (Planvorbehalt)]. Ist das Flächenziel erreicht, sind Windkraftanlagen nicht mehr als privilegierte Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zulässig. Sie können dann nur unter den erschwerten Voraussetzungen nach Abs. 2 als sonstige Vorhaben zugelassen werden (§ 249 Abs. 2 BauGB). Damit trägt der Gesetzgeber dem Ziel Rechnung, den Außenbereich von Bebauung prinzipiell freizuhalten und davon nur so lange abzuweichen, bis die Zielwerte der verfügbaren Flächen für Windenergieanlagen erreicht sind.

Windenergie und Naturschutz

Der Bau von Windenergieanlagen scheitert oder verzögert sich häufig wegen naturschutzrechtlicher Konflikte, die im Außenbereich zwangsläufig auftreten. Von besonderer Bedeutung ist das artenschutzrechtliche Tötungsverbot, weil die Rotoren das Tötungsrisiko geschützter Vogelarten erhöhen können. Für die Zulässigkeit von Windkraftanlagen ist die Frage, wann dieses Tötungsrisiko signifikant erhöht sein kann, eine bedeutsame Zulassungsvoraussetzung. Die Abgrenzung gestaltete sich jedoch lange Zeit sehr schwierig und führte zu rechtlichen Unwägbarkeiten beim Neubau von Windenergieanlagen. Mit der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) im Sommer 2022 wurden nun aber konkrete Kriterien aufgestellt, wodurch sich das Tötungsrisiko zuverlässiger ermitteln lässt (§ 45b Abs. 1 bis 5 BNatSchG). Das Tötungs- und Verletzungsrisiko geschützter Vogelarten ermittelt sich danach anhand des Abstands zwischen Brutplätzen und einzelnen Anlagen. Dazu wird zwischen dem Nahbereich, einem zentralen Prüfbereich sowie dem erweiterten Prüfbereich unterschieden. Diese Bereiche variieren für die einzelnen Brutvogelarten und sind in Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG aufgelistet. Im Nahbereich gilt das Tötungs- und Verletzungsrisiko als signifikant erhöht, im Prüfbereich gibt es widerlegbare Regelvermutungen und im erweiterten Prüfbereich wird das Risiko grundsätzlich verneint. Damit hat der Gesetzgeber Maßstäbe geschaffen, die eine Beurteilung von Ausnahmen nach
§ 44 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BNatSchG erheblich vereinfachen. Zu naturschutzrechtlichen Schwierigkeiten kann der Standort von Windenergieanlagen zudem führen, wenn die Anlagen in geschützten Gebieten entstehen sollen. Nach dem politischen Willen sollen möglichst keine naturschutzrechtlichen Schutzgebiete für das Zwei-Prozent-Ziel in Anspruch genommen werden. Vermeidbar ist diese Kollision jedoch nicht. Sofern für die betroffenen Schutzgebiete keine Ausnahmen zugunsten von Windkraftanlagen vorgesehen sind, ist eine Befreiung nach § 67 BNatSchG von den naturschutzrechtlichen Verboten erforderlich. Eine solche Befreiung kommt vor allem dann in Betracht, wenn sie aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist. Als öffentliches Interesse ist der Ausbau von Windenergieanlagen anerkannt. Durch § 2 EEG ist nun auch klargestellt, dass der Bau von Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energie im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Deswegen wird die bei der Befreiungsentscheidung erforderliche Abwägung regelmäßig zugunsten von Windenergieanlagen ausfallen.

Solarenergie im Privat- und Außenbereich

Im Gegensatz zu Windenergieanlagen lassen sich Solaranlagen sowohl als großflächige Solarparks als auch auf einzelnen Gebäuden und somit im Privatbereich errichten. Die Energiewende lässt sich somit auch im Kleinen voranbringen. Der rechtliche Rahmen erschwert die Installation von Photovoltaik (PV) vielerorts noch, was sich aber in absehbarer Zeit ändern soll. Anders als Windkraftanlagen sind Solaranlagen im Außenbereich bislang weniger umfangreich privilegiert. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB dürfen Solaranlagen dort nur auf oder an Gebäuden installiert werden. Größere Anlagen lassen sich nur entlang und in einer maximalen Entfernung von 200 Metern von Autobahnen und Schienenwegen errichten. Ansonsten sind sie im Außenbereich unzulässig. Diese Rechtslage hält mit der technischen Entwicklung nicht mehr mit. Solaranlagen müssen mittlerweile nämlich nicht mehr zwangsläufig zu einer Konkurrenz von Landwirtschaft und solarer Energiegewinnung führen. Denn sogenannte Agri-PV-Anlagen ermöglichen es, dass zum Beispiel unterhalb von lichtdurchlässigen PV-Anlagen landwirtschaftliche Nutzungen weiterbestehen können. Die Bundesregierung plant deswegen eine Ausweitung der Außenbereichsprivilegierung für Agri-PV-Anlagen. Ansonsten bleibt es dabei, dass PV-Freiflächenanlagen nur in Gewerbe- oder Industriegebieten zulässig sind. Dies erfordert in der Regel die langwierige Aufstellung eines Bebauungsplans mit all seinen Unwägbarkeiten, wodurch sich der Ausbau großflächiger Solarparks verzögert.

Installationspflicht bei Bauvorhaben

Beschleunigt wird der Ausbau von Solaranlagen im Gebäudesektor. In zunehmend mehr Bundesländern gilt mittlerweile eine Installationspflicht für Solaranlagen auf Dächern. Vorreiter war Baden-Württemberg, wo bereits seit Anfang 2022 die Installationspflicht von PV-Anlagen auf Dächern gilt. Zahlreiche Bundesländer haben mittlerweile nachgezogen, begrenzen die Installationspflicht teilweise aber, wie zum Beispiel Hessen, auf gewerblich genutzte oder öffentliche Gebäude. Die Installationspflicht gilt in jedem Fall beim Neubau von Gebäuden, aber häufig auch bei Dachsanierungen. Die Installation einer PV-Anlage ist jedoch mit hohen Investitionskosten verbunden. Dies verteuert und erschwert den Wohnungsbau in Zeiten der extremen Baukostensteigerungen erheblich. Für den Fall, dass die Installation wirtschaftlich unzumutbar ist, sehen die Landesgesetze Ausnahmen von der Installationspflicht vor. Allerdings lassen diese Ausnahmen die Installationspflicht nicht immer entfallen und muten den Bauherren häufig immer noch erhebliche Baukostensteigerungen zu. Die Installationspflicht kann jedoch mit anderen rechtlichen Interessen kollidieren. Rechtliche Fragen treten insbesondere dann auf, wenn PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden installiert werden sollen oder die Dachflächen durch Bäume verschattet werden. Für denkmalgeschützte Gebäude gibt es mittlerweile, wie etwa in Niedersachsen, vereinzelte Regelungen [§ 7 Abs. 2 S. 2 Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz (NDSchG)] oder Leitfäden der Landesdenkmalämter, die den Denkmalschutz zurücktreten lassen. Verschatten Bäume Dachflächen, kommt es darauf an, ob die Bäume rechtlich geschützt sind oder nicht. Ungeschützte Bäume können ohne Weiteres gefällt oder zurückgeschnitten werden. Durch Baumschutzsatzungen oder Bebauungspläne geschützte Bäume erfordern hingegen eine Erlaubnis. Hierbei wird wegen § 2 EEG aber regelmäßig der Baumschutz hinter das Interesse am Bau von Solaranlagen zurücktreten müssen.

Fazit

Der zügige Ausbau von Windenergie- und Solaranlagen ist für die Umsetzung der Energiewende besonders bedeutsam. Bislang ging der Ausbau nicht so schnell wie erhofft voran. Durch zahlreiche rechtliche Änderungen und Neuerungen sollen Genehmigungsverfahren und der Ausbau insgesamt beschleunigt werden. Ob diese rechtlichen Stellschrauben den gewünschten Effekt haben werden, wird man in absehbarer Zeit anhand konkreter Zahlen zu neugebauten Anlagen messen können.

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Zum Autor

CV
Dr. Cedric Vornholt

Rechtsanwalt in der Kanzlei FPS Rechtsanwälte in Frankfurt am Main. Er berät Unternehmen und Behörden zu öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, insbesondere im Bau- und Umweltrecht.

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