Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise - 9. November 2020

Niemanden übersehen

Aufgrund der steigenden Infektionszahlen war nach Ansicht der Politik ein zweiter Lockdown unvermeidlich. Die einschneidenden Maßnahmen treffen nicht nur das Hotel- und Gaststättengewerbe, sondern vor allem auch die Kultur- und Veranstaltungsbranche sowie Freizeiteinrichtungen und Vereine. Um die Einbußen zu lindern, haben Bund und Länder weitgehende Hilfsmaßnahmen beschlossen.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sagt man. Für die meisten von uns haben Kunst und Kultur mindestens eine genauso wichtige Bedeutung wie soziale Kontakte, die man im Sportverein oder beim Besuch seiner Stammkneipe pflegt. So überrascht es schon, dass im Verlauf der Corona-Pandemie eine spezielle Branche sehr stiefmütterlich behandelt wurde, als es um Fragen der Systemrelevanz und/oder Überbrückungshilfen ging. Tatsache ist, dass die weitreichenden Absagen von Veranstaltungen im Bereich Kunst und Kultur infolge des Corona-Virus (COVID-19) bei vielen Vertretern dieser Branche zu massiven finanziellen Einschnitten geführt haben, ja, existenzbedrohend sind.

Prominente Fürsprecher

So verständigte sich am 28. Oktober die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder auf den „Lockdown Light“ – für die Vertreter der betroffenen Branchen ein durch-aus zynischer Begriff. Tausende Künstler und Veranstalter in Berlin demonstrierten. Kaum Konzerte oder Theatervorstellungen – die Veranstaltungsbranche befindet sich – insgesamt gesehen – infolge der Corona-Pandemie in einer noch ernsteren Lage als das Hotel- und Gaststättengewerbe. Zahlreiche Künstler wie Dieter Hallervorden oder Frank Zander nahmen an der Demo teil, und Campino, der Frontmann der „Toten Hosen“, kritisierte die beschlossenen Maßnahmen als eine Lockdown-Strategie in Schwarz-Weiß, da es längst nicht mehr um das Geschäft zur Weihnachtszeit gehe, sondern das gesamte Jahr 2020.

Die bisherigen Hilfen reichen der Branche nicht

Weil Großveranstaltungen kaum stattfinden dürfen, bedarf es gezielterer Hilfsprogramme als den bisher bewilligten. Die gebeutelte Branche hat daher zahlreiche bekannte Unterstützer, wie etwa Roland Kaiser, der erwartet, dass man Freiberufler und Solo-Selbstständige nicht zwingt, Arbeitslosengeld II zu beantragen, sondern ihnen ebenso wie anderen Berufsgruppen hilft. Schließlich sei die Veranstaltungsbranche mit einem Jahresumsatz von mehr als 130 Milliarden Euro der sechststärkste Wirtschaftszweig in Deutschland.

Außerordentliche Wirtschaftshilfe

Infolge des von der Politik verordneten Lockdown Light kommt es nun zu einer „außerordentlichen Wirtschaftshilfe“ für den November dieses Jahres. Antragsberechtigt sind direkt und indirekt betroffene Unternehmen. Direkt betroffen sind diejenigen Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen, die aufgrund der staatlichen Anordnung, also der Verordnung der Bundesländer zur Betriebsschließung den Geschäftsbe-trieb einstellen mussten. Indirekt betroffen sind demgegenüber Unternehmen, die nach-weislich und regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit den direkt betroffenen Unternehmen erzielen. Die bewilligte Wirtschaftshilfe wird als einmalige Kostenpauschale ausbezahlt. Um das Verfahren so einfach wie möglich zu halten, werden diese Kosten über den Umsatz angenähert beziehungsweise pauschaliert. Bezugspunkt ist der durchschnittliche wöchentliche Umsatz im November des vergangenen Jahres. Der Erstattungsbetrag beträgt 75 Prozent des entsprechenden Umsatzes für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter. Die Förderhöchstgrenze bietet der beihilferechtliche Rahmen. Beihilfen bis eine Million Euro, gestützt auf der Kleinbeihilferegelung und der De-Minimis-Verordnung, sowie Beihilfen über eine Million Euro nach Notifizierung bei der EU-Kommission, voraussichtlich nach Art. 107 Abs. 2 b AEUV.

Spezielle Regeln für Gastronomie und Hotellerie

Für Gastronomen gelten besondere Regelungen. Die Wirte dürfen unter den verschärften Corona-Regeln auch weiterhin Speisen außer Haus verkaufen. Nur Umsätze von mehr als 25 Prozent werden auf die Wirtschaftshilfe angerechnet, damit eine Überförderung von mehr als 100 Prozent des Vergleichsumsatzes unterbleibt. Die Hilfe im November wird allein nach dem Umsatz berechnet, den der jeweilige Gastronom im November 2019 an seinen Restauranttischen erzielt hat (Stichwort: voller Umsatzsteuersteuersatz). Damit soll sichergestellt werden, dass die Laufkundschaft in unbegrenztem Umfang bedient werden kann, ohne dass sich dadurch der Anspruch insgesamt verringert. Ähnliches gilt für Hotels, die in diesem Monat noch Geschäftsreisende beherbergen dürfen. Solange sie damit nicht mehr als 25 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019 generieren, bleibt ihr Anspruch ungeschmälert.

Besonderheiten bei Neugründungen

Für Unternehmen, die nach dem 31. Oktober 2019 gegründet wurden, wird als Richtwert ein vergleichbarer Umsatz des Monats Oktober 2020 herangezogen. Es kann auch der monatliche Durchschnittsumsatz seit Gründung gewählt werden. Solo-Selbständige haben generell ein Wahlrecht: Sie können als Bezugsrahmen für den Umsatz auch den durchschnittlichen Vorjahresumsatz 2019 zugrunde legen.

Verrechnung mit anderen Leistungen

Bei der außerordentlichen Wirtschaftshilfe, die nun gewährt wird, kommt es, wie nicht anders zu erwarten war, zu einer Verrechnung mit bereits erhaltenen staatlichen Leistungen für den Zeitraum, wie etwa Kurzarbeitergeld oder Überbrückungshilfe, oder mit eventuell späteren Leistungen aus der Überbrückungshilfe.

Anträge online stellen

Ab Mitte November sollen die Anträge über eine bundeseinheitliche IT-Plattform gestellt werden können, wie bisher läuft also diese Überbrückungshilfe ebenfalls über den steuerlichen Berater. Solo-Selbstständige bis zu einem Förderhöchstsatz von 5.000 Euro sollen jedoch unter Beachtung besonderer Identifizierungspflichten direkt antragsberechtigt sein.

Weitere Maßnahmen

Darüber hinaus will der Bund die bestehenden Hilfsmaßnahmen für Unternehmen mit einer sogenannten Überbrückungshilfe III für den Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 verlängern und die Konditionen für die am meisten betroffenen Wirtschaftsbereiche verbessern. Das betrifft zum Beispiel den Bereich der Kultur und Veranstaltungswirtschaft sowie die Solo-Selbstständigen. An den Details wird noch gearbeitet. Zusätzlich soll der KfW-Schnellkredit für Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und Solo-Selbständige geöffnet und angepasst werden. Über die Hausbanken können die Unternehmen diese KfW-Schnellkredite mit einer Höhe von bis zu 300.000 Euro beantragen, abhängig vom Umsatz, der 2019 erzielt wurde. Der Bund übernimmt dafür das vollständige Risiko und stellt die Hausbanken von der Haftung frei.

Fazit und Ausblick

Nahezu die gesamte Veranstaltungsbranche steht still. Die vielen Künstler vor und hinter der Bühne sind häufig Solo-Selbständige, die von der Politik im Rahmen der Corona-Soforthilfe bisher praktisch übersehen wurden. Daher mahnte Trompeter und Komponist Till Brönner mehr Augenmaß an. Für viele Vertreter der Branche ist es nicht nachvollziehbar, dass man im Flugzeug dicht an dicht sitzen darf, im Konzert jedoch nicht. Wenn die Branche der Kulturschaffenden Corona-bedingte Veranstaltungsverbote akzeptieren soll, dann muss die Politik auch diesem Wirtschaftszweig helfen, andernfalls droht eine Welle von Privatinsolvenzen. Zudem stellt sich die Frage, was die Politik tun wird, wenn die Ansteckungszahlen im November nicht zurückgehen, sondern vielleicht sogar noch steigen. Folgt dann im Dezember ein „Lockdown Medium“? Wie lange kann sich unsere Volkswirtschaft die immensen Kosten für die Wirtschaftshilfen noch leisten? Immerhin weisen viele Virologen darauf hin, dass die aktuell geschlossenen Branchen gar nicht die wesentlichen Ansteckungsherde sind. Vor diesem Hintergrund sollte man bedenken, dass einige Branchen infolge der beschlossenen Maßnahmen vielleicht einen dauerhaften Schaden erlei-den.

Aktuelle Informationen, wie z. B. zur Novemberhilfe, sind auf www.datev.de/corona zu finden.

Zu den Autoren

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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Dieter Höhne

Steuerberater in eigener Kanzlei in Hennef

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