Die Banken- und Finanzbranche steht vor einem gewaltigen Umbruch. Das betrifft nicht nur die Kunden- und Produktseite, sondern auch Aspekte des internen Risikomanagements.
Vor nicht allzu langer Zeit hat Frankfurt am Main den Zuschlag für das neue International Sustainability Standards Board erhalten. Es soll zukünftig globale Mindeststandards im Bereich der finanziellen Nachhaltigkeitsberichterstattung setzen. Dieser Umstand zeigt bereits, dass sich die Bundesrepublik Deutschland für eine Vorreiterrolle in diesem Bereich entschieden hat, die auch die Finanzbranche nicht unberührt lässt. Der Wandel birgt ungeahnte Chancen in Form von effizienterer und effektiverer Nutzung knapper Umweltressourcen, innovativen Produkten und Dienstleistungen sowie einer breiteren gesellschaftlichen Möglichkeit der Investmentbeteiligung. Als Finanzintermediär ist es der Finanzbranche möglich, die klimabedingten Chancen und Risiken für die Kapitalbereitstellung zu identifizieren, zu steuern und zu überwachen.
Neuaufstellung der Banken- und Finanzbranche
Auf regulatorischer und politischer Seite stehen die Einsatzmöglichkeiten für Green Finance als einer der obersten Punkte auf der Agenda. Das ist unter anderem den Arbeiten auf G-20-Ebene (Green/Sustainable Finance Study Group), der Europäischen Kommission, aber auch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie der Deutschen Bundesbank zu verdanken. Die Europäische Kommission hat ihre Entwürfe einer Überarbeitung der Capital Requirements Directive (CRD) und der Capital Requirements Regulation (CRR) ergänzt; dazu wurde ein weiterer Vorschlag zu Abwicklungsregeln für global systemrelevante Institute am 27. Oktober 2021 veröffentlicht. Das Paket deckt eine ganze Reihe von Änderungen ab. Einer der wesentlichen Aspekte ist die Implementierung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen beziehungsweise -Risiken (ESG-Themen/ESG-Risiken).
Risikomanagementanalyse
Banken werden darin verpflichtet, die ESG-Risiken bei ihrem Risikomanagement systematisch zu ermitteln, offenzulegen und zu steuern. Das beinhaltet eine regelmäßige Durchführung von Klimastresstests sowohl durch die Aufsichtsbehörden als auch durch die Banken. Die Aufsichtsbehörden werden die ESG-Risiken in Form regelmäßiger Überprüfungen bewerten. Die Banken hingegen müssen offenlegen und zum Teil auch melden, inwieweit sie ESG-Risiken ausgesetzt sind. Um ein angemessenes Verständnis und Management der Nachhaltigkeitsrisiken (ESG-Risiken) zu fördern, müssen die in der Union niedergelassenen Institute diese Risiken auf ihrer individuellen Ebene systematisch ermitteln, offenlegen und managen.
Übergangsphase zu nachhaltigem Wirtschaften
Da die ESG-Risiken und ihre Besonderheiten relativ neu sind, wird das Verständnis dieser Risiken von Institut zu Institut sehr unterschiedlich beurteilt. Die bankbasierte Intermediation wird nach politischer Meinung eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigeren Wirtschaft spielen. Gleichzeitig wird der Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft wahrscheinlich Risiken für die Institute mit sich bringen, die sie angemessen handhaben müssen. Nur so ist sicherzustellen, dass die Risiken für die Finanzstabilität minimiert werden. Die Strategie für eine Finanzierung des Übergangs zu nachhaltigem Wirtschaften berücksichtigt dies und hält es für nötig, ESG-Risiken besser in den aufsichtsrechtlichen Rahmen der EU zu integrieren. Denn die aktuellen rechtlichen Gegebenheiten allein werden als unzureichend angesehen, um Anreize für ein systematisches und konsistentes Management von ESG-Risiken durch die Institute zu schaffen.
Regulatorische Hilfen
Daher ist angedacht, Art. 4 CRR zu ändern, um neue harmonisierte Definitionen für die verschiedenen Arten von Gefahren im Bereich der ESG-Risiken einzuführen (Art. 4, Abs. 1, Nr. 52 d–i). Die Definitionen sind an die von der European Banking Authority in ihrem Bericht über ESG-Risiken vorgeschlagenen Definitionen angeglichen. Darin wird das ESG-Risiko als das Risiko von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf die Einrichtung, die sich aus den aktuellen oder künftigen Auswirkungen von Umwelt-, Sozial- oder Governance-Faktoren (ESG-Faktoren) auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte der Einrichtung ergeben, bezeichnet. Das Umweltrisiko ist das Risiko von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder künftigen Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ergeben, einschließlich der Faktoren im Zusammenhang mit dem Übergang zu den folgenden Umweltzielen:
- Eindämmung des Klimawandels,
- Anpassung an den Klimawandel,
- nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und
- Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie der Ökosysteme.
Umweltrisiko
Das Umweltrisiko umfasst sowohl den physischen Bereich als auch die Übergangsphase. Daher besteht das physische Risiko als Teil des gesamten Umweltrisikos in der Gefahr von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder voraussichtlichen physischen Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ergeben. Demgegenüber ist das Übergangsrisiko als Teil des gesamten Umweltrisikos die Gefahr von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder voraussichtlichen Auswirkungen des Übergangs von Geschäftstätigkeiten und Sektoren zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ergeben.
Governance- und soziales Risiko
Die Gefahr von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den aktuellen oder voraussichtlichen Auswirkungen sozialer Faktoren auf seine Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte ergeben, wird als soziales Risiko definiert. Und schlussendlich wird das Risiko von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder künftigen Auswirkungen von Governance-Faktoren auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ergeben, als Governance-Risiko festgelegt.
Meldepflicht
Um eine bessere Beaufsichtigung von ESG-Risiken zu ermöglichen, wird Art. 430 CRR geändert. Die Institute werden verpflichtet, ihre Positionen bezüglich ESG-Risiken den für sie zuständigen Behörden zu melden. Durch diesen engmaschigen Definitions- und Anforderungskatalog werden den Marktteilnehmern Leitplanken zur Verfügung gestellt, die ihnen sowohl die regulatorische Anwendung als auch die Finanzproduktentwicklung erheblich erleichtern.
Fazit
Gerade die verschiedenen Regulierungsebenen zeigen, dass nachhaltige Finanzierungen für die Banken- und Finanzbranche eine gewichtige Rolle in der Zukunft spielen werden, die nicht nur die Kunden- beziehungsweise Produktseite, sondern auch die Risikomanagementebene betrifft.
MEHR DAZU
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