Green Finance - 23. Juni 2022

Grundlegender Wandel

Die Banken- und Finanzbranche steht vor einem gewaltigen Umbruch. Das betrifft nicht nur die Kunden- und Produktseite, sondern auch Aspekte des internen Risikomanagements.

Vor nicht allzu langer Zeit hat Frankfurt am Main den Zu­schlag für das neue International Sustainability Standards Board erhalten. Es soll zukünftig globale Mindeststandards im Bereich der finanziellen Nachhaltigkeitsberichterstattung set­zen. Dieser Umstand zeigt bereits, dass sich die Bundesrepub­lik Deutschland für eine Vorreiterrolle in diesem Bereich ent­schieden hat, die auch die Finanzbranche nicht unberührt lässt. Der Wandel birgt ungeahnte Chancen in Form von effizienterer und effektiverer Nutzung knapper Umweltressourcen, innovati­ven Produkten und Dienstleistungen sowie einer breiteren ge­sellschaftlichen Möglichkeit der Investmentbeteiligung. Als Fi­nanzintermediär ist es der Finanzbranche möglich, die klima­bedingten Chancen und Risiken für die Kapitalbereitstellung zu identifizieren, zu steuern und zu überwachen.

Neuaufstellung der Banken- und Finanzbranche

Auf regulatorischer und politischer Seite stehen die Einsatz­möglichkeiten für Green Finance als einer der obersten Punkte auf der Agenda. Das ist unter anderem den Arbeiten auf G-20-Ebene (Green/Sustainable Finance Study Group), der Euro­päischen Kommission, aber auch der Bundesanstalt für Fi­nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie der Deutschen Bundesbank zu verdanken. Die Europäische Kommission hat ihre Entwürfe einer Überarbeitung der Capital Requirements Directive (CRD) und der Capital Requirements Regulation (CRR) ergänzt; dazu wurde ein weiterer Vorschlag zu Abwick­lungsregeln für global systemrelevante Institute am 27. Okto­ber 2021 veröffentlicht. Das Paket deckt eine ganze Reihe von Änderungen ab. Einer der wesentlichen Aspekte ist die Implementierung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen beziehungs­weise -Risiken (ESG-Themen/ESG-Risi­ken).

Risikomanagementanalyse

Banken werden darin verpflichtet, die ESG-Risiken bei ihrem Risikomanage­ment systematisch zu ermitteln, offenzulegen und zu steuern. Das beinhaltet eine regelmäßi­ge Durchführung von Klimastresstests sowohl durch die Auf­sichtsbehörden als auch durch die Banken. Die Aufsichtsbe­hörden werden die ESG-Risiken in Form regelmäßiger Über­prüfungen bewerten. Die Banken hingegen müssen offenle­gen und zum Teil auch melden, inwieweit sie ESG-Risiken ausgesetzt sind. Um ein angemessenes Verständnis und Ma­nagement der Nachhaltigkeitsrisiken (ESG-Risiken) zu för­dern, müssen die in der Union niedergelassenen Institute diese Risiken auf ihrer individuellen Ebene systematisch er­mitteln, offenlegen und managen.

Übergangsphase zu nachhaltigem Wirtschaften

Da die ESG-Risiken und ihre Besonderheiten relativ neu sind, wird das Verständnis dieser Risiken von Institut zu Institut sehr unterschiedlich beurteilt. Die bankbasierte Intermediati­on wird nach politischer Meinung eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigeren Wirtschaft spielen. Gleichzeitig wird der Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft wahrscheinlich Risiken für die Institute mit sich bringen, die sie angemessen handhaben müs­sen. Nur so ist sicherzustellen, dass die Risiken für die Fi­nanzstabilität minimiert werden. Die Strategie für eine Finan­zierung des Übergangs zu nachhaltigem Wirtschaften be­rücksichtigt dies und hält es für nötig, ESG-Risiken besser in den aufsichtsrechtlichen Rahmen der EU zu integrieren. Denn die aktuellen rechtlichen Gegebenheiten allein werden als unzureichend angesehen, um Anreize für ein systemati­sches und konsistentes Management von ESG-Risiken durch die Institute zu schaffen.

Regulatorische Hilfen

Daher ist angedacht, Art. 4 CRR zu ändern, um neue harmo­nisierte Definitionen für die verschiedenen Arten von Ge­fahren im Bereich der ESG-Risiken einzuführen (Art. 4, Abs. 1, Nr. 52 d–i). Die Definitionen sind an die von der Eu­ropean Banking Authority in ihrem Bericht über ESG-Risi­ken vorgeschlagenen Definitionen angeglichen. Darin wird das ESG-Risiko als das Risiko von Ver­lusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf die Einrichtung, die sich aus den aktuellen oder künftigen Auswirkungen von Umwelt-, Sozial- oder Governance-Faktoren (ESG-Fak­toren) auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte der Ein­richtung ergeben, bezeichnet. Das Umweltrisiko ist das Risiko von Verlus­ten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder künftigen Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts erge­ben, einschließlich der Faktoren im Zusammenhang mit dem Übergang zu den folgenden Umweltzielen:

  • Eindämmung des Klimawandels,
  • Anpassung an den Klimawandel,
  • nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Mee­resressourcen,
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmut­zung und
  • Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie der Ökosysteme.

Umweltrisiko

Das Umweltrisiko umfasst sowohl den physischen Bereich als auch die Übergangsphase. Daher besteht das physische Risiko als Teil des gesamten Umweltrisikos in der Gefahr von Verlus­ten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder voraussichtlichen physischen Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die Gegen­parteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ergeben. Demgegenüber ist das Übergangsrisiko als Teil des gesamten Umweltrisikos die Gefahr von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder voraussichtlichen Auswirkungen des Übergangs von Geschäftstätigkeiten und Sektoren zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft auf die Gegen­parteien oder die investierten Vermögenswerte des Insti­tuts ergeben.

Governance- und soziales Risiko

Die Gefahr von Verlusten aufgrund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den aktuellen oder voraussichtlichen Auswirkungen sozialer Faktoren auf seine Gegenparteien oder die investierten Vermö­genswerte ergeben, wird als soziales Risiko definiert. Und schlussendlich wird das Risiko von Verlusten auf­grund negativer finanzieller Auswirkungen auf das Insti­tut, die sich aus den gegenwärtigen oder künftigen Aus­wirkungen von Governance-Faktoren auf die Gegenpar­teien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ergeben, als Governance-Risiko festgelegt.

Meldepflicht

Um eine bessere Beaufsichtigung von ESG-Risiken zu er­möglichen, wird Art. 430 CRR geändert. Die Institute wer­den verpflichtet, ihre Positionen bezüglich ESG-Risiken den für sie zuständigen Behörden zu melden. Durch diesen engmaschigen Definitions- und Anforderungskatalog wer­den den Marktteilnehmern Leitplanken zur Verfügung ge­stellt, die ihnen sowohl die regulatorische Anwendung als auch die Finanzproduktentwicklung erheblich erleichtern.

Fazit

Gerade die verschiedenen Regulierungsebenen zeigen, dass nachhaltige Finanzierungen für die Banken- und Fi­nanzbranche eine gewichtige Rolle in der Zukunft spie­len werden, die nicht nur die Kunden- beziehungsweise Produktseite, sondern auch die Risikomanagementebene betrifft.

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Zum Autor

SG
Dr. Simon G. Grieser

Partner bei Reed Smith LLP am Standort in Frankfurt am Main

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