Fragen zur Arbeit­nehmer­überlassung - 20. Dezember 2013

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Gesetzliche Neuerungen und die neueste Recht­sprechung rund um die Leiharbeit be­schäftigen nicht nur die Unter­nehmen, sondern auch deren Berater. Nicht selten sind An­passungen in der bisherigen Praxis geboten.

Zum 1. Dezember 2011 wurde das wichtigste Gesetz zur Leiharbeit – das Arbeit­nehmer­überlassungs­gesetz (AÜG) – in entscheidenden Punkten geändert. Die Novelle erfolgte, um das Gesetz an die Vorgaben der Europäischen Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG anzupassen. Mit den Änderungen haben sich aber neben ohnehin schon bestehenden, teils schwierigen Rechtsfragen neue ungeklärte Fragen ergeben.
Zudem hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit zwei Entscheidungen Anfang 2012 seine Rechtsprechung dazu geändert, ob Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung sogenannten Schwellenwerte mitgezählt werden. Gemeint sind Fälle, in denen anhand der Mitarbeiterzahl die Betriebsgröße ermittelt wird.

Kündigungsschutz

Das ist vor allem für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes von Bedeutung. Grundsätzlich genießen Arbeitnehmer erst in Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Mitarbeitern Kündigungsschutz. Mit Urteil vom 24. Januar 2013 hat das BAG nun entschieden, dass bei der Berechnung dieses Schwellenwerts auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind – sofern ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht.
Das bedeutet, dass die Arbeitnehmer eines an sich kleinen Betriebs, in dem zum Beispiel lediglich sieben feste Mitarbeiter, aber vier Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, unter Umständen allein durch den Einsatz dieser Leiharbeitnehmer künftig allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießen.
Eine ausführliche Begründung des Urteils liegt noch nicht vor. Aus dem Leitsatz der Entscheidung wird aber deutlich, dass es auch insoweit zumindest mit darauf ankommen wird, ob die Leiharbeitnehmer auf einem sogenannten Dauerarbeitsplatz beschäftigt werden, also einem Arbeitsplatz, der einen stetigen Bedarf und nicht nur einzelne Spitzen abdeckt.

Betriebsrat

Darüber hinaus sind Leiharbeitnehmer nun auch bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Unternehmens grundsätzlich zu berücksichtigen. Im zugrunde liegenden Fall waren zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl neben 879 Stammarbeitnehmern regelmäßig 292 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Das BAG entschied, dass gemäß § 9 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) statt eines 13-köpfigen Betriebsrats ein Betriebsrat mit 15 Mitgliedern hätte gewählt werden müssen. Letztlich sind Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind, auch bei der Ermittlung der Unternehmensgröße gemäß § 111 S. 1 BetrVG und somit für die Frage, ob der Betriebsrat bei Betriebsänderungen einen Sozialplan fordern kann, mitzuzählen.

Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis

Erfolgt die Arbeitnehmer­überlassung ohne Erlaubnis, ist gemäß § 9 Nr. 1 AÜG nicht nur die Überlassungs­vereinbarung zwischen Verleiher und Entleiher, sondern auch der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmer unwirksam. Daraus ergeben sich sowohl für den Entleiher als auch den Verleiher Risiken.
Das wohl gravierendste Risiko für den Entleiher ist, dass in diesen Fällen gemäß § 10 Abs. 1 AÜG kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Leiharbeitnehmer entsteht.
Schließlich drohen bei „Überlassungen ohne Erlaubnis“ sowohl für den Entleiher als auch den Verleiher nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 1a AÜG Bußgelder von bis zu 30.000 Euro pro Einzelfall.

Wegfall des Konzernprivilegs

Bis zum 1. Dezember 2011 war Leiharbeit zwischen Unternehmen bzw. Gesellschaften, die zu demselben Konzern gehören, in den meisten Fällen ohne besondere Erlaubnis möglich (Konzernprivileg). Das hat sich geändert. Seit dem 1. Dezember 2011 sind sogenannte konzerninterne Überlassungen nur dann noch ohne Erlaubnis möglich, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Bisher ist aber noch völlig unklar, wie genau diese Regelung in der Praxis umzusetzen ist und wo konkret die Grenze zu einer erlaubnispflichtigen Arbeitnehmer­überlassung zu ziehen ist.
Teilweise wird die Regelung sogar für verfehlt gehalten, weil sie den Vorgaben der zugrunde liegenden EU-Richtlinie widerspreche.

Neue Recht­sprechung und be­stehende Unklar­heiten machen in vielen Fällen eine Änderung der bestehenden Praxis nötig.

Fazit

Aktuell kann man jedem Unter­nehmen, das Leih­arbeit­nehmer einsetzt, nur raten, sich ein­gehend juristisch beraten zu lassen. Mit Blick auf die neueste Recht­sprechung und die noch bestehenden Unklar­heiten aufgrund der geänderten gesetz­lichen Regelungen kann in vielen Fällen eine Änderung der bisherigen Praxis geboten sein.

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Zum Autor

Jan-Jacob Roeder

Rechtsanwalt und seit 2013 in der Kanzlei Steinkühler Fachanwälte für Arbeitsrecht in Berlin tätig. Er berät nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte zu allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, dies auch mit Bezug zum Gesellschaftsrecht.

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