Ökosystem-Management - 24. August 2023

Es kommt nicht auf die Größe an

Ökosysteme sind nur etwas für große Kanzleien? Ein Vorurteil, auch wenn große Kanzleien als Vorbilder wirken können. Jede Kanzlei, gleich welcher Größe, verfügt über ein eigenes Ökosystem – und ist Teil anderer Ökosysteme.

Christian Echterling hat für einen bekannten Pay-TV-Sender gearbeitet und für einen noch bekannteren Online-Versandhändler. Vor sieben Jahren tauchte Echterling in die Steuerberatung ein – nicht in einer ganz klassischen Kanzlei, sondern bei der Treuhand Hannover. Eine Kanzlei, die sich dadurch hervorhebt, dass sie sich auf die Steuer- und Wirtschaftsberatung für Heilberufe spezialisiert hat. Drei sehr unterschiedliche Geschäftsfelder, in denen Christian Echterling bislang unterwegs war. Bei allen drei Arbeitgebern aber hatte und hat der studierte Wirtschaftswissenschaftler mit einer Gemeinsamkeit zu tun: Sie alle drei sind Bestandteil von und verfügen über ein eigenes Ökosystem.
Bei der Treuhand Hannover ist Christian Echterling kaufmännischer Leiter. Sein Aufgabenspektrum umfasst unter anderem das Finanzwesen, die IT, die Verwaltung und das Personal. Zudem verantwortet Christian Echterling Großprojekte. Eines davon ist die Umstellung auf DATEV. Den Lohn rechnet die Treuhand Hannover schon seit vielen Jahren über DATEV ab, seit 2022 folgt sukzessive das Rechnungswesen und die Finanzbuchhaltung. Nun soll es in diesem Beitrag nicht um Umstellungen von Software A auf Software B gehen, sondern um Ökosysteme – und doch sind wir schon mittendrin im Thema. Denn die IT-Landschaft ist im digitalen Zeitalter der Kern des Ökosystems der meisten Unternehmen, und damit auch Steuerberatungskanzleien.

DATEV im Zentrum des IT-Ökosystems

Bei der Treuhand Hannover sieht das in der Praxis so aus: Für das interne Rechnungswesen bildet SAP das IT-Zentrum, in der Zusammenarbeit mit den Mandantinnen und Mandanten und der Leistungserstellung von DATEV. Neben diesen beiden wichtigsten Partnern im IT-Ökosystem tummeln sich mehrere kleinere IT-Partner. „Wir nutzen beispielsweise TrustStone/kanzlei.land als Marktplatz-Partner von DATEV für die Zusammenarbeit mit Mandanten. Dazu gibt es Lösungen wie Outlook für den Mailverkehr und ein eigenes Wiki. Das sind große Bausteine, die wir an DATEV herangebaut haben. Und jedes Mal haben wir uns im Vorfeld gefragt, was denn an Bord von DATEV schon vorhanden ist und was nicht. Der erste Blick geht immer zur DATEV. Sind wir nicht restlos von der integrierten Lösung überzeugt, schauen wir auf Lösungen, die aus unserer Sicht für unsere Zwecke gut funktionieren und die es sogar Wert sind, dass wir für sie Geld in die Hand nehmen und sie uns zusätzlich leisten. Das ist aber jedes Mal eine Einzelabwägung“, berichtet Christian Echterling.
Bei der Suche nach neuen Partnern ist der DATEV-Marktplatz die erste Anlaufstelle, „weil der uns die Sicherheit bietet, dass die Partner eine Schnittstelle zu DATEV haben und dass DATEV Erfahrungen mit diesen Partnern gemacht hat. Eine vorhandene Schnittstelle zur DATEV ist für uns ein wesentliches Entscheidungskriterium bei der Wahl eines Dienstleisters“, sagt Echterling und ergänzt: „Jede erfolgreiche Lösung in Deutschland haben wir auf dem Schirm. Für neue Lösungen nutzen wir zum Beispiel Messen oder klassische Internetrecherche. Außerdem stehen wir im Austausch mit anderen Beratungsunternehmen und lernen über diese Wege neue Anbieter kennen.“

Das Ökosystem pflegen – aber wie?

Partner zu gewinnen, ist das eine. Sie und damit das gesamte Ökosystem zu pflegen und nachzuhalten, der nächste, mitunter schwierigere Schritt. Bei der Treuhand Hannover „stellen wir uns regelmäßig und konsequent die Frage, wie wir unsere IT-Lösungen weiterentwickeln. Die aktuelle Umstellung auf DATEV erfordert jedoch unsere volle Aufmerksamkeit, um die erwarteten Vorteile für Mitarbeiter und Mandanten möglichst schnell spürbar werden zu lassen. Ein wichtiger Faktor ist dabei auch, dass wir unseren Mitarbeitern derzeit keine weiteren Veränderungen zumuten wollen. Daher haben wir uns bei der Vorbereitung der Umstellung alle Lösungen angeschaut, ob sie noch eine adäquate Lösung sind, ob wir sie in DATEV integrieren können oder ob wir das Momentum nutzen, um die Lösung zu überdenken. Und wir haben für verschiedenste Anwendungen alle drei Optionen genutzt.“
Welche Punkte sieht Christian Echterling unterm Strich als besonders wichtig an bei Aufbau und Pflege des Ökosystems? „Wichtig ist vor allem die ganzheitliche Bewertung einer Lösung aus Sicht der IT, der Wirtschaftlichkeit, der Mitarbeiter und der Mandanten unter Einbezug aller relevanten Stakeholder in den Prozess. Außerdem sollte man immer wieder hinterfragen, ob die aktuelle Lösung noch die beste Lösung ist. Die Welt dreht sich weiter, neue Anbieter betreten den Markt, Bedürfnisse verändern sich. An alten Lösungen festzuhalten, weil die mal gut waren, führt unter Garantie zu Unzufriedenheit bei Mitarbeitern und Mandanten.“

Fünf Teilbereiche des Ökosystems

Ganz ähnlich sieht das Dennis Gebhard. Gebhard ist gemeinsam mit einem Kollegen Kanzleimanager bei der Steuerberatungsgesellschaft Schröder & Partner in Berlin. Die Kanzleimanager kümmern sich um alles Nichtfachliche, also sämtliche kaufmännischen Prozesse wie Personal, Einkauf, Führung und Strategie. In den vergangenen Jahren haben die Kanzleiinhaber viel in Digitalisierung und Prozesse investiert und so den Weg bereitet – weg von einer Steuerberatung hin zu einem Beratungsunternehmen, in dem eben auch Steuerberatung angeboten wird.
Auch bei Schröder & Partner mit seinen 26 Mitarbeitern steht die IT-Landschaft im Mittelpunkt des Ökosystems, drumherum kreisen weitere Teilbereiche des kanzleieigenen Ökosystems. „Es gibt insgesamt fünf Bereiche, in denen uns Partnering wichtig ist: die IT-Administration mit unserem Solution Partner conNect. Als zweiter und dritter Punkt kommen die Standardprozesse in den Kerndienstleistungen Rechnungswesen, Lohn, Jahresabschluss sowie diverse Beratungs-Tools hinzu. Den vierten Bereich bilden Unterstützungsprozesse wie zum Beispiel für die digitale Signatur oder auch unser externer Datenschutzbeauftragter. Und der fünfte Bereich sind die Netzwerke in die Branche hinein, am am Puls der Zeit zu bleiben. Wir sind zum Beispiel Mitglied im DITAXNetzwerk“, berichtet Dennis Gebhard.

Schnittstellen zu DATEV wichtig

In diesem Ökosystem ist, wie Gebhard sagt, DATEV das zentrale Software-Tool. „Im Idealszenario verfügen alle anderen Software-Partner über Schnittstellen zu DATEV. Dafür ist der Marktplatz die beste Informationsquelle, was aber nicht heißt, dass wir Partner, die noch keine DATEV-Anbindung haben, komplett ausschließen. Ziel muss aber sein, über Schnittstellen, mindestens aber über csv-Austausch, Daten transportieren zu können. Zudem können wir, wenn wir einen neuen Player kennenlernen, DATEV auf ihn aufmerksam machen, um ihn gegebenenfalls auf den Marktplatz heben zu lassen.“
Neben einer „Handvoll großer Software-Partner“, wie Dennis Gebhard quantifiziert, arbeitet Schröder & Partner mit vielen weiteren Tools wie Pleo, Fastdocs oder Finmatics, allesamt DATEV-Schnittstellenpartner, weil Mandanten diese Tools nutzen. Das eigene Ökosystem wird also auch durch die Ökosysteme von Mandanten beeinflusst und erweitert. Partner findet die Kanzlei vor allem über den Austausch mit anderen Kanzleien, Netzwerktreffen, DATEV-Veranstaltungen wie die Regional-Info-Tage oder über Marktplatz-Recherche. Dabei müssen Partner teilweise aus externen Anforderungen heraus gefunden werden, Stichwort Grundsteuer, oder „aus intrinsischer Motivation heraus, wenn wir merken, dass wir irgendwo eine offene Flanke haben“, so Dennis Gebhard. Als Beispiel nennt er Fastdocs. „Das Onboarding von neuen Mitarbeitern beim Mandanten mit diesen Excel-Personalfragebogen hat bei uns nicht funktioniert. Also sind wir auf die Suche gegangen, wie das besser funktioniert, haben bei Berufskollegen nachgefragt und Fastdocs als DATEV-Schnittstellenpartner als Antwort erhalten.“

Ziel definieren und damit wohlfühlen

Welche Punkte erachtet Dennis Gebhard als wesentlich beim bewussten Auf- und Ausbau des kanzleieigenen Ökosystems? „Wichtig ist, dass Kanzleien ein Ziel definieren, mit dem sie sich wohlfühlen. Wo will ich eigentlich hin? Wen habe ich, mit wem kann ich das angehen? Vielleicht hat man einen digital affinen Azubi. Und ebenso wichtig ist es, sich in der Führungsebene Zeit zu schaffen. Die meisten nachhaltigen Veränderungen scheitern am Faktor Zeit. Da kann ich nur jedem empfehlen, lieber ein, zwei Mandate weniger anzunehmen und dafür zu schauen, wie weit man in der Digitalisierung und Automatisierung ist und welche nächsten Schritte man gehen sollte. Denn dann kann man nach einem Jahr nicht nur ein, zwei neue Mandate annehmen, sondern fünf, sechs und hat nachhaltig einen viel, viel größeren Gewinn.“
Ökosystemmanagement ist also eine Ressourcenfrage, und nicht jede Kanzlei kann sich eigene Kanzleimanager leisten. Dennoch müssen auch kleinere Kanzleien beim Thema Ökosystem nicht den Kopf in den Sand stecken, denn mittendrin statt nur dabei sind sie in gleich mehreren Ökosystemen sowieso – ihrem eigenen und den von Partnern. Bei DATEV befasst sich unter anderem Jonas Koch mit Kanzleiökosystemen und deren Management, als Key Account Manager vor allem mit Fokus auf größeren Kanzleien. Doch von denen lassen sich laut Jonas Koch auch Ableitungen für kleinere Kanzleien treffen. „Vielleicht ist dem einen oder anderen Mitglied noch gar nicht bewusst, dass es über ein eigenes Kanzeleiökosystem verfügt. Allerdings sollte ein Bewusstsein darüber bestehen, dass es viele Möglichkeiten gibt, das eigene Ökosystem zu gestalten. Unser DATEV-Marktplatz bietet einen perfekten Einstieg, um Lösungen für das eigene Ökosystem zu identifizieren. Außerdem sollte jede Kanzlei dem eigenen Kundenverantwortlichen von DATEV Einblick in das Kanzleiökosystem geben, da so Ansatzpunkte für die weitere gemeinsame Gestaltung des Kanzleiökosystems identifiziert werden.“

Alle Aspekte des Ökosystems betrachten

Doch woran merken Kanzleiinhaber, dass sie in Sachen Auf- und Ausbau des eigenen Ökosystems auf dem richtigen Weg sind? „Das Ökosystem einer Kanzlei umfasst für mich alle Bereiche, die für das Geschäftsmodell der Kanzlei relevant sind. Es ist wichtig, neben der IT-Landschaft andere Aspekte im Ökosystem einer Kanzlei zu betrachten, um die Auswirkungen auf das IT-Ökosystem verstehen und analysieren zu können“, so Jonas Koch. Zu den anderen Aspekten gehören in erster Linie die Mandanten und die Mitarbeiter, aber auch andere Kanzleien, Bildungsinstitute, Kammer und Verband bis hin zum Internet- und Telefonanbieter. Wesentlich bleibt aber vor allem das IT-Ökosystem, mit dem vielfach der Kanzleialltag steht und fällt. „Ein gutes IT-Ökosystem ermöglicht ein optimales Zusammenspiel von allen Komponenten wie IT-Infrastruktur, DATEV-Software, Software- und Schnittstellenpartnern im Ökosystem. Wir müssen hier also eine möglichst fortgeschrittene Vernetzung aller Komponenten anstreben. Ein Zielbild bezogen auf das IT-Ökosystem ist, dass durchgehende digitale Datenflüsse ohne Medienbrüche etabliert sind“, skizziert Jonas Koch ein gewachsenes IT-Ökosystem.

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TG
Thomas Günther

Redaktion DATEV magazin

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