Global Mobility - 23. November 2023

Arbeiten rund um die Welt

Es mag verlockend sein, an Orten zu arbeiten, wo andere ihre Ferien verbringen. Und der Wunsch nach voller Flexibilität beim Mobile Working ist längst auch keine Utopie mehr.

Während der Corona-Pandemie waren phasenweise bis zu rund 30 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am heimischen Arbeitsplatz tätig. Die Unternehmen und deren Mitarbeiter haben überwiegend positive Erfahrungen aus der angeordneten Umsetzung der Arbeitsform Homeoffice gemacht. Diese Erkenntnis, gepaart mit dem bei vielen Arbeitnehmern während der Lockdowns sowie der Einschränkungen der Reisefreiheit entstandenen Fernweh, beschert der New-Work- Bewegung einen weiteren neuen Trend: Global Mobility oder Mobile Working im Ausland. So verlockend es in der Theorie klingt, dort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen, so tückisch kann die Umsetzung mobiler Arbeit im Ausland für die Unternehmen werden. Deutsche Arbeitgeber sollten daher auf die nachfolgenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten achten, bevor sie mobile Arbeit in der Europäischen Union (EU), im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sowie in der Schweiz ermöglichen.

Kein Rechtsanspruch auf Mobile Working

Arbeitnehmer haben in Deutschland weder einen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice noch auf Mobile Working im In- und Ausland. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) München (Urteil vom 27.08.2021 – 12 Ga 62/12). Selbst wenn sich die Parteien auf eine Form des dezentralen Arbeitens verständigen sollten und der Arbeitgeber damit dem Arbeitnehmer freistellt, an welchem Ort er seine Arbeitsleistung erbringt, beschränkt sich diese Vereinbarung im Zweifel auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Mobile Arbeit kann andererseits aber auch nicht einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden [Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2018 – 17 Sa 562/18]. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat ein bestehender Betriebsrat bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit im Ausland, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, ein zwingendes Mitbestimmungsrecht.

Anzuwendendes Recht

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wie mobiler Arbeit im Ausland bestimmt sich das anzuwendende Recht nach der Rom-I-VO [VO (EG) 593/2008]. Dieser Norm zufolge unterliegen Arbeitsverträge grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. Wenn keine Rechtswahl vorgenommen wurde, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staats, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Auch bei mobiler Arbeit im Ausland kann es damit bei einer Anwendung des deutschen Rechts verbleiben – sofern dies vereinbart wurde. Allerdings hat lokales Recht mit den sogenannten Eingriffsnormen (lokales Arbeitszeit-, Feiertags- und Mindestlohnrecht) des Tätigkeitsstaats stets Vorrang.

Datenschutz

Das Risiko eines Datenverlusts ist bei mobiler Arbeit im Ausland erheblich höher als bei einer ausschließlichen Tätigkeit vor Ort im Unternehmen. Ungeachtet dessen, wo der Arbeitnehmer seine Tätigkeit verrichtet, ist und bleibt der Arbeitgeber für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen verantwortlich. Eine Delegation dieser Verantwortung auf den im Ausland arbeitenden Mitarbeiter ist ausgeschlossen. Aus Unternehmenssicht ist entscheidend, technische und organisatorische Maßnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes zu entwickeln und die betreffenden Arbeitnehmer anzuweisen, diese auch ein- beziehungsweise umzusetzen sowie entsprechende IT-Security-Systeme anzuwenden. Der im Ausland tätig werdende Mitarbeiter ist verpflichtet, diesen Anweisungen nachzukommen.

Gestaltungsoptionen

Sofern ein Unternehmen – nicht zuletzt, um seine Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen – Mobile Working im Ausland zulässt, empfiehlt es sich, hierzu mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu treffen, in der folgende (Mindest-)Inhalte geregelt werden sollten:

  • Anwendbarkeit deutschen (Arbeits-)Rechts,
  • zeitlicher Umfang der Tätigkeit,
  • zeitliche Erreichbarkeit,
  • Verteilung der Arbeit zwischen Mobile Office und Betriebsstätte,
  • Ausschluss der Vergütung von Wegezeiten, die zwischen der
    inländischen Betriebsstätte und dem Mobile Office im Ausland
    zurückgelegt werden,
  • datenschutzrechtliche Maßnahmen sowie
  • Gründe für den einseitigen Widerruf der Gestattung des Mobile
    Office, etwa aufgrund mangelnder Erreichbarkeit oder
    Schlechtleistungen.

Unabhängig davon sind auch sozialversicherungsrechtliche Aspekte zu beachten, da die Rechtslage mit Blick auf ein mobiles Arbeiten im Ausland komplex und bislang nicht eindeutig geklärt ist.

Sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Die Verordnung (VO) (EG) Nr. 883/2004 dient dazu, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zu koordinieren, und sieht insbesondere vor, dass Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats unterworfen werden. Dieser Mechanismus soll eine Kumulierung anzuwendender nationaler Rechtsvorschriften sowie die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermeiden [so der Erwägungsgrund Nr. 15 VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004]. Nach dem grundsätzlich geltenden Tätigkeitsortprinzip soll der Arbeitnehmer, der in einem Staat eine Tätigkeit ausübt, grundsätzlich auch den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegen.

Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten

Übt ein Arbeitnehmer gewöhnlich in mindestens zwei Mitgliedstaaten eine Beschäftigung aus, kommt es für die Bestimmung des maßgeblichen Sozialversicherungsrechts auf die Vorschriften des Wohnmitgliedstaats beziehungsweise des Mitgliedstaats an, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Der Mitarbeiter muss gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehrere Tätigkeiten in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten für dasselbe Unternehmen oder denselben Arbeitgeber ausüben. Dies soll der Fall sein, wenn im Beurteilungszeitpunkt damit zu rechnen ist, dass im Laufe der kommenden zwölf Kalendermonate Arbeitsperioden in mehreren Mitgliedstaaten mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufeinanderfolgen. Diese Regelmäßigkeit muss bereits im Arbeitsvertrag angelegt sein. Die Ausnahme einer regelmäßigen Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten liegt im Fall eines hin und wieder, also unregelmäßig, kurzfristig und ungeplant, mobil aus dem Ausland arbeitenden Mitarbeiters jedoch nicht vor, sondern hat nur praktische Relevanz für mobile Arbeit im Ausland im Falle der Regelmäßigkeit, wie etwa bei Aufenthalten im Ferienhaus.

Ausnahmevereinbarung

Ein möglicher Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem setzt den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung zwischen den zuständigen Behörden, also dem deutschen Sozialversicherungsträger sowie dem des ausländischen Tätigkeitsorts, voraus. Das Verfahren zur Einholung einer entsprechenden Ausnahmevereinbarung ist zeitaufwendig. Es muss ein Vorlauf von vier bis sechs Monaten eingeplant werden. Der Abschluss einer Ausnahmevereinbarung zwischen den beteiligten Behörden dürfte daher insbesondere im Fall von spontaner mobiler Arbeit im Ausland oder Workation allein schon aus Zeitgründen nicht praktikabel sein.

Entsendung

Eine Entsendung setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers vorübergehend (maximal 24 Monate) in einem fremden Staat tätig wird. Aber stellt mobile Arbeit im Ausland überhaupt eine Entsendung im Sinne der oben genannten Verordnung dar? Bei strenger rechtlicher Betrachtung dürfte das Weisungselement zu verneinen sein, wenn die vorübergehende Auslandstätigkeit auf alleinigen Wunsch des Mitarbeiters erfolgen soll. Laut der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) steht es einer Entsendung jedoch nicht entgegen, wenn die Initiative vom Arbeitnehmer ausgeht. Zur Handhabung der von dem Mitarbeiter ausgehenden Auslandstätigkeiten sind bislang noch keine Auslegungshinweise durch die Verwaltungskommission [Art. 71, 72 VO (EG) 883/2004] ergangen. Auf Anfrage hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) der Rechtsauffassung der DVKA angeschlossen. Es bleibt dann bei der Anwendbarkeit deutschen Sozialversicherungsrechts, wenn

  • der Arbeitgeber von der Auslandstätigkeit
    Kenntnis hat und dieser zustimmt,
  • der Arbeitgeber die erbrachte Leistung
    entgegennimmt und vergütet und
  • eine EU-Entsendung bei der hierfür zuständigen
    Stelle beantragt wird.

Fazit

Eine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung für mobiles Arbeiten sollte in jedem Fall beinhalten, dass ein Tätigwerden aus dem Ausland, namentlich EU, EWR oder Schweiz, möglich ist und welche Schritte im Vorfeld zu klären sind. Hierzu zählen eine Kontaktaufnahme mit der DVKA, die Beantragung der EU-Entsendung beziehungsweise A1-Bescheinigung sowie entsprechende Dokumentationen.

Zur Autorin

Dr. Tina Kärcher-Heilemann Weitere Artikel der Autorin