Einkommensteuer - 29. September 2023

Nießbrauchsertrag kann einem Beteiligten persönlich als Gewinnanteil steuerrechtlich zugerechnet werden

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 29.09.2023 zu den Urteilen 3 K 41/21 und 3 K 42/21 vom 17.02.2023 (nrkr - BFH-Az.: IV R 36/22 und IV R 37/22)

  1. Ein Nießbrauchsrecht (hier: Nießbrauch an Kommanditanteilen) kann ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 39 Abgabenordnung sein. Infolgedessen kann der Nießbrauchsertrag einem Beteiligten persönlich nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung als Gewinnanteil steuerrechtlich zugerechnet werden.
  2. Das für die Bejahung einer Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz erforderliche Mitunternehmerrisiko, das eine gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens voraussetzt, erfordert stets das Vorliegen einer Gewinnbeteiligung. Diese ist zwingendes Merkmal.
  3. Für das für die Bejahung einer Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz erforderliche Mitunternehmerrisiko ist eine Beteiligung am Verlust ebenso wie eine Beteiligung an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswertes als Regelmerkmal des Unternehmerrisikos zu verstehen; das Fehlen eines oder aller Regelmerkmale führt zu einem insoweit eingeschränkten Mitunternehmerrisiko, das durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werden kann.
  4. Ein Gesellschaftsverhältnis im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz zeichnet sich dadurch aus, dass die Erzielung des Gewinns als gemeinsamer Zweck angestrebt wird, was an den Umständen des Einzelfalls zu messen ist; insoweit ist (auch) eine Gesamtbetrachtung aller Umstände und Rechtsbeziehungen innerhalb eines Gesellschaftskonstrukts vorzunehmen.

Mit (weitgehend parallelen) Urteilen vom 17. Februar 2022 (Az. 3 K 41/21 und 3 K 42/21) hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts darüber entschieden, ob ein Nießbrauchsrecht ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 39 Abgabenordnung sein kann sowie ferner darüber, welche Merkmale die Bejahung einer Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz prägen. Schließlich hat der 3. Senat auch Stellung dazu genommen, welche Umstände bei der Frage nach dem Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz heranzuziehen sind.

Beiden Verfahren lag in tatsächlicher Hinsicht ein gesellschaftsrechtliches Firmenkonstrukt zugrunde, das sich vor allem dadurch auszeichnete, dass der Kläger zu 1. an verschiedensten Stellen der mehrstöckigen Personengesellschaft beteiligt war. Die Beteiligung war dabei sowohl wirtschaftlicher Natur (etwa als Kommanditist) als auch dienstvertraglich geregelt, indem der Kläger zu 1. etwa Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften war. Hieraus sowie aus den verschiedenen vertraglichen Grundlagen in den einzelnen Verhältnissen resultierte für den Kläger zu 1. (unstreitig) ein maßgeblicher und umfassender Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaften und damit schließlich auf den wirtschaftlichen Erfolg der Untergesellschaft, der Klägerin zu 2. Nachdem der Kläger zu 1. Durch Übertragung seiner Kommanditanteile an der Untergesellschaft auf seine Söhne nicht mehr unmittelbar an den Erträgen der Untergesellschaft beteiligt war, sich aber gleichzeitig ein 70%iges Nießbrauchsrecht daran einräumen ließ, das wirtschaftlich letztlich wieder ihm zufließen sollte, war zu klären, wie diese Beteiligungsverhältnisse (ertrag)steuerrechtlich in Bezug auf die Untergesellschaft zu bewerten sind.

Der Senat bestätigte den von dem Finanzamt erlassenen Feststellungsbescheid. Er hat insbesondere die Auffassung des Finanzamts bestätigt, dass der Kläger zu 1. nach der Übertragung der Kommanditanteile auf seine Söhne weiterhin als Mitunternehmer bei der Untergesellschaft anzusehen sei. Hierzu hat der Senat festgestellt, dass auch der Nießbrauch an einem Kommanditanteil als Wirtschaftsgut einzuordnen sei. Weiter wurde der Begriff der Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz ausführlich definiert und dabei – auch anhand der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – besonderer Wert auf die Unterscheidung zwischen den kumulativ erforderlichen Merkmalen „Mitunternehmerinitiative“ und „Mitunternehmerrisiko“ auf der einen Seite und den Regelkriterien, die diese beiden Merkmale ausfüllen und gerade nicht stets kumulativ vorliegen müssen, auf der anderen Seite gelegt. Vor allem für das Bestehen des Mitunternehmerrisikos müssten nicht alle Bestandteile der Erfolgsteilhabe bzw. Risikoteilhabe gleichzeitig bestehen; eine etwaige unterschiedlich starke Ausprägung müsse in der wertenden Zusammenschau betrachtet werden, was im zu entscheidenden Fall insbesondere das fehlende Verlustrisiko unbeachtlich erscheinen lasse. Schließlich wurde klargestellt, dass für die Frage nach dem Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz sämtliche Umstände und auch Rechtsbeziehungen der Beteiligten innerhalb des Unternehmenskonstrukts in den Blick genommen werden könnten und sogar müssten.

Der Bundesfinanzhof hat die Revision zugelassen; die Revisionsverfahren sind dort unter den Aktenzeichen IV R 36/22 und IV R 37/22 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Newsletter II-III/2023