Arbeitsrecht - 22. Februar 2024

Kündigung eines Schwerbehinderten in der Wartezeit

ArbG Köln, Pressemitteilung vom 20.02.2024 zum Urteil 18 Ca 3954/23 vom 20.12.2023

Das Arbeitsgericht Köln hat entschieden, dass die Kündigung eines Schwerbehinderten in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses diskriminierend im Sinne des § 164 Abs. 2 SGB IX und damit unwirksam sein kann, wenn der Arbeitgeber das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt hat. Die Entscheidung steht im Kontext der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zum Schwerbehindertenschutz (EuGH vom 10.02.2022, Rs. C-485/20).

Der mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehinderte Kläger ist seit dem 01.01.2023 bei der beklagten Kommune als „Beschäftigter im Bauhof“ beschäftigt. Der Kläger wurde zwischen dem 02.01. und 14.04.2023 in verschiedenen Kolonnen des Bauhofs eingesetzt und war ab Ende Mai arbeitsunfähig. Am 22.06.2023 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2023.

Die 18. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat entschieden, dass die Kündigung gegen das Diskriminierungsverbot des § 164 Abs. 2 SGB IX verstößt und damit unwirksam ist. Der Arbeitgeber sei – entgegen bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – auch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Dies ergebe die unionsrechtskonforme Auslegung der Norm. § 167 Abs. 1 SGB IX regelt, dass möglichst frühzeitig als Präventionsmaßnahme die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt einzuschalten sind, wenn Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, eintreten. Dies habe die Arbeitgeberin hier nicht getan. Sie hätte, als sie bemerkte, dass der schwerbehinderte Kläger sich während der Wartezeit – wie sie vorträgt – nicht bewährte bzw. sich nicht ins Team einfügte und ihren Erwartungen nicht entsprach, Präventionsmaßnahmen ergreifen und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt präventiv einschalten müssen.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Hinweis zur Rechtslage

§ 167 SGB IX Prävention

(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.

Quelle: Landesarbeitsgericht Köln