Klartext - 27. März 2024

Gesetze: von Juristen für Juristen

Wie häufig verzweifelt man direkt beim Lesen des ersten Satzes eines Gesetzestextes? Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 verabschiedet und ist im Vergleich zu vielen modernen Gesetzestexten verhältnismäßig einfach und klar formuliert. Im Gegensatz zum Grundgesetz sind aktuelle Gesetze meist sehr schwer verständlich.

Wie häufig verzweifelt man direkt beim Lesen des ersten Satzes eines Gesetzestextes? Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 verabschiedet und ist im Vergleich zu vielen modernen Gesetzestexten verhältnismäßig einfach und klar formuliert. Im Gegensatz zum Grundgesetz sind aktuelle Gesetze meist sehr schwer verständlich. Ihren Komplexitätshöhepunkt erfahren Gesetze mit der Einführung der sogenannten Kleinbuchstabenparagrafen, etwa § 18j Umsatzsteuergesetz (UStG) „Besonderes Besteuerungsverfahren für den innergemeinschaftlichen Fernverkauf, für Lieferungen innerhalb eines Mitgliedstaates über eine elektronische Schnittstelle und für von im Gemeinschaftsgebiet, nicht aber im Mitgliedstaat des Verbrauchs ansässigen Unternehmern erbrachte sonstige Leistungen“. Wohlgemerkt, das sind nicht die Inhalte, sondern das ist die Bezeichnung des Paragrafen. Wir reden von Bürokratieabbau und erzeugen solche Gesetzesmonster.
Ein bemerkenswertes Beispiel zeitgenössischer Gesetzgebung ist auch der „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“. Der längste Satz in diesem Gesetz umfasst ganze 64 Wörter.
Der Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes IV beinhaltet die Formulierung „Aufhebung von Schriftformerfordernissen oder deren Herabstufung auf die Textform nach § 126b BGB“. Welche Bürgerin oder welcher Bürger ohne juristische Ausbildung soll das verstehen? Kann man nicht einfach das Ziel formulieren, dass statt händischer Unterschrift auch digitale Signaturen möglich sind? DATEV als Software entwickelndes Unternehmen versucht über sehr viel Kundeneinbezug, die Qualität unserer Software besser und verständlicher zu machen. Auch wenn es nicht immer für alle so wirkt, aber das Bemühen um stetige Einbindung von Nutzern macht am Ende die Software besser. Kennen Sie Kundeneinbezugsmaßnahmen von Endanwendern (= Bürgern) bei der Formulierung von Gesetzen? Wenn überhaupt ist es allenfalls der Einbezug von Juristen verschiedener Verbände bei Anhörungen zu Gesetzesvorhaben und das führt zu dem Dilemma „Von Juristen für Juristen!“. Warum gelingt es nicht, Bürger in diesen Prozess als Testleser einzubinden? Warum hat es beim Grundgesetz funktioniert? Diese Frage müssten sich Gesetzgebende permanent stellen.
In Singapur fühlen sich Staatsbedienstete als Erfüllungsgehilfen ihrer Bürger und geben alles dafür, Dienstleister für die einheimische Bevölkerung zu sein. In Deutschland sind wir davon weit entfernt und neben unverständlichen Gesetzestexten kommt sich der Bürger eher als Bittsteller vor. Natürlich ist Singapur mit seiner Vollüberwachung und einer seit 60 Jahren herrschenden Regierung nicht gerade Vorbild demokratischer Rechtsformen – aber der Dienstleistungswille der Staatsbeamten beeindruckt und sucht seinesgleichen. Die Simplifikation juristischer Sprache wird besonders in der heutigen Internetzeit immer wichtiger. Schon Albert Einstein sagte: „Alles sollte so einfach wie möglich sein, aber nicht einfacher.“

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Zum Autor

Prof. Dr. Peter Krug

Chief Markets Officer (CMO) und stellvertretender Vorstandsvorsitzender.

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