Nachhaltige Genossenschaft - 29. Juni 2023

Begleiter durch alle Zeiten

Gemeinsam schaffen wir mehr als allein – dieser Grundgedanke der Genossenschaft begleitet uns ebenso seit dem 19. Jahrhundert wie die Erkenntnis daraus, dass Gewinnmaximierung nicht alles ist. Ein solch nachhaltiges Wirtschaften dürfte gerade in diesen herausfordernden Zeiten ein zukunftsweisendes Modell sein.

Genosse: Wenn man den Begriff im Duden nachschlägt, liest man dort die ursprüngliche Bedeutung. Demnach handelt es sich dabei um jemanden, der mit einem anderen die Nutznießung von etwas gemeinsam hat. Zudem erfährt man, dass das Wort verwandt mit dem mittelhochdeutschen Verb genießen ist und dass die heutige Bedeutung Kamerad, Begleiter, Gefährte im Gebrauch veraltet ist.
Wenn man sich aber die Zahlen der Genossenschaften anschaut, ist die Idee der Begleiterin und des Begleiters in der Gemeinschaft gar nicht so gestrig. Jeder vierte Deutsche ist Mitglied in einer Genossenschaft. Weltweit gibt es 700 Millionen Genossenschaftsmitglieder. Und: Die Genossenschaftsidee ist von der UNESCO-Kommission auf die internationale Liste des Immateriellen Kulturerbes gesetzt worden.

Was einer nicht schafft …

Warum das so ist, zeigt ein kurzer Blick in die Geschichte der Genossenschaften. Sie wurden schon im Mittelalter zu speziellen Zwecken gebildet – der gemeinsamen Nutzung beispielsweise von Weiden oder eines Deichs, wie es der Duden bis heute beschreibt. Den Genossenschaftsgedanken, wie auch wir als DATEV ihn leben, trugen im 19. Jahrhundert Friedrich Wilhelm Raiffeisen und mit ihm Hermann Schulze-Delitzsch nach Deutschland – unter dem Motto „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“. Eine Bewegung, die aus Großbritannien als Reaktion auf die Auswirkungen der Industrialisierung Zulauf erhielt – dort gründeten Weber bereits 1844 mit der Rochdale Society of Equitable Pioneers die erste Genossenschaft. Sie hatten, wie viele Genossenschaften nach ihnen, das Ziel, sich mehr auf Menschen als auf Kapital zu stützen und nicht nur finanzielle, sondern auch moralische Ziele zu verfolgen. Die Vorreiter der genossenschaftlichen Idee haben bereits damals nach einer Lösung gesucht, wie menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum Hand in Hand gehen können, wie Wirtschaften nicht völlig abgekoppelt vom gesellschaftlichen Leben stattfinden kann. Diese solidarischen Werte sind bis heute in genossenschaftlichen Unternehmen ein bedeutender Faktor. Wenn man in die wirtschaftliche Landschaft der Genossenschaften blickt, so sind diese in vielen verschiedenen Bereichen des Lebens vertreten: als Wohnungsgenossenschaften, landwirtschaftliche Genossenschaften, gewerbliche Genossenschaften, Versorgungs- und Energiegenossenschaften, Agrargenossenschaften, Kreditgenossenschaften oder auch Gesundheitsgenossenschaften. Hier reihen wir uns als DATEV gerne ein, weil die Genossenschaft nicht nur eine demokratische Rechts- und Unternehmensform darstellt, sondern auch mit ihren Strukturen für große Stabilität sorgt. Dieses Modell füllen wir mit Leben, um die Zukunft des Berufsstands nachhaltig und gemeinschaftlich zu gestalten. Sicher hat das hier und da zur Folge, dass wir nicht auf jeden hippen Trend aufspringen und vorneweg die Schnellsten am Start sind. Dafür arbeiten wir äußerst gründlich, sodass Sie sich als Mitglied stets auf uns verlassen können. Über uns ist nicht jeden Tag etwas Neues in der Presse zu lesen, dafür machen wir aber auch keine Negativschlagzeilen – etwa mit umfangreichen Stellenstreichungen. Auch hier sind wir ein Garant für Verlässlichkeit und versuchen, nach innen wie nach außen vorbildlich zu agieren.

Genossenschaft: nachhaltig und krisenfest

In allen Fasern einer Genossenschaft sollte zu spüren sein, dass die Unternehmensziele nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt sind. Vielmehr geht es um gemeinsame Ziele, gemeinsame Interessen, gemeinsame Verantwortung. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Genossenschaft die Rechtsform mit der niedrigsten Insolvenzquote in Deutschland ist. Und wahrscheinlich ist das ein starkes Argument dafür gewesen, dass die Genossenschaften sogar Eingang in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung gefunden haben, die die Genossenschaft als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform in den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen stärken will.
Genau das ist unser Auftrag für die Zukunft: unser Potenzial als nachhaltiges Geschäftsmodell in Wirtschaft und Gesellschaft einzubringen. Wir können als Zusammenschluss von Gleichgesinnten aus individuellen Beiträgen ein großes Ganzes machen – was Digitalisierung angeht, was Nachhaltigkeit angeht und was die Begleitung der Mandanten auf dem Weg in eine Zukunft angeht, die von ähnlichen technologischen Umbrüchen geprägt sein wird wie vor knapp 180 Jahren die Industrialisierung.
Der Monat Juli ist nicht nur der Zeitpunkt im Jahr, zu dem wir Ihnen als Mitglieder von DATEV Rechenschaft ablegen. Der erste Samstag im Juli ist seit vielen Jahren auch der Internationale Genossenschaftstag. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit, um Ihren eigenen Anteil an dieser – unserer – gemeinschaftlichen Idee anderen zu vermitteln. Und so zu zeigen, dass der Genossenschaftsgedanke weder veraltet noch obsolet, sondern ein nachhaltiges Modell für die Zukunft ist.

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Zum Autor

Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
CEO der DATEV eG; Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland.
Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership, #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment.
Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“

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