Aufgrund neuer Vorgaben muss der steuerliche Berater zu Veränderungen bereit sein, die das Verhältnis zu gewissen Mandanten betreffen. Raum für Emotionen ist hier nicht angebracht.
Im Grunde sind es immer die Bedürfnisse der Menschen, die für den nötigen Antrieb sorgen, uns zu regen. Vom Wissen, warum wir Menschen uns so verhalten, wie wir es tun, hängt zunehmend die Fähigkeit zum Überleben ganzer Branchen ab. Diese Erkenntnis gilt nicht nur im Rahmen der Begleitung unserer Mandanten, sondern natürlich auch für die zukünftige Ausrichtung der eigenen Kanzlei. Es ist an der Zeit, dass Entscheider sich dies ganz bewusst machen. Voraussetzung ist aber zunächst der Wille und die Bereitschaft, Veränderungsprozesse anzugehen.
ABC-Analyse
Jeder von uns steuerlichen Beratern hat bei der Durchsicht seiner Mandanten zuweilen Wahrnehmungen, die da lauten: Warum arbeiten wir eigentlich noch für diese Mandanten? Die Antwort: Weil wir, wenn überhaupt, nur ganz selten die Frage zulassen, ob wir uns einseitig von einem Mandanten trennen sollten. Die klassische ABC-Analyse wurde und wird in jedem BWL-Studium zwar als wichtiges Element zur Unternehmensführung erläutert. Und in der Theorie ist es auch absolut logisch, sich dem zu widmen, was Umsatz und Ertrag bringt. Die Praxis aber lehrt uns, dass ein Aussortieren beziehungsweise eine konkrete Selektion von C-Mandaten aus den unterschiedlichsten Gründen selten, zu spät, oder gar nicht erfolgt.
Emotionen sind schädlich
Ein wichtiger Grund hierfür sind die Emotionen, die der Steuerberater mit seinem Mandat verbindet. Man kann dabei Argumente wie folgendes hören: „Diese Mandanten betreue ich schon seit so vielen Jahren, ich kannte bereits dessen Eltern, dieser Mandant befindet sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und dem darf in der Stunde der Not doch nicht die Gefolgschaft entzogen werden.“ Auch gerne gehört: „Der Mandant wüsste doch gar nicht wohin.“ Oder: „Wie kann ich meine Mitarbeiter auslasten, wenn ich Mandanten abgebe, was würde über unsere Kanzlei gesprochen werden, wenn wir in größerem Stile Mandanten freigeben?“ Subjektive Argumente, die einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung im Ergebnis nicht standzuhalten vermögen.
Denn schon die Auslastung der Mitarbeiter kann durch die Aufnahme neuer Mandanten oder eine intensivere Betreuung von A-Mandanten kompensiert werden. Daneben gäbe es noch die in jedem Betrieb vorhandene natürliche Fluktuation. Und auch bei den Mitarbeitern gibt es regelmäßig A-, B- und C-Klassifizierungen.
D-Mandate
Der Steuerberater hat für krisengefährdete Mandanten nun ganz spezielle zeitliche und organisatorische Vorkehrungen zu treffen.
In Zeiten des wirtschaftlichen Prosperierens sind die C-Mandanten verkraftbar. Die Mandanten aus den Bereichen A und B vermögen die Schwäche des Bereichs C in Summe zu kompensieren. Wehe aber, wenn die Balance verloren geht und die Bereiche B und C ein Übergewicht bekommen. Neben der ABC-Analyse sollte der steuerliche Berater für sich noch die Gruppe D ergänzen. In dieser Gruppe befinden sich Mandanten, die unter den Regelungsbereich einer Veröffentlichung der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) vom Mai 2018 fallen. Diese Verlautbarung ist Folge eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH-Urteil vom 26.01.2017, IX ZR 285/14 – siehe auch Kasten am Ende des Beitrags). Unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BGH neue Vorgaben zur Beratung krisengefährdeter Unternehmen gemacht, die zu einer Verschärfung der Steuerberaterhaftung führen. Danach hat der Steuerberater für krisengefährdete Mandanten nun ganz spezielle zeitliche und organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Gelingen diese Vorkehrungen nicht, besteht die Gefahr der persönlichen Haftung. Hier mag man sich bewusst machen, mit welchem Schicksal das eigene beziehungsweise das der Kanzlei verknüpft sein soll. Denn wenn ein Mandat dem Bereich D angehört und der Steuerberater nicht in der Lage ist, der besonderen Situation, in der sich das Unternehmen des Mandanten befindet, gerecht zu werden, reicht für den steuerlichen Berater die bloße Mandatszuständigkeit bereits aus, für ihn eine eigene Gefährdung zu begründen. Man muss es, so drastisch ist die Regelungslage, mit der Gefahr vergleichen, die von einer ansteckenden Krankheit ausgeht. Allein die Berührung mit diesem Mandat reicht aus, um als Berater ganz eigenen Haftungsnormen ausgesetzt zu sein. Wohl dem, der sich der Fähigkeiten seiner Kanzlei und der Anforderungen an diese Mandatsgruppe bewusst ist.
Mandatsauslese
Überlegenswert ist daher eine perspektivische Mandantenauslese für den Jahresabschlussstichtag 31. Dezember 2019. Eine Aufhebung des Mandatsverhältnisses Monate vor diesem Stichtag ist aber wesentlich unproblematischer. Denn es könnte der Einwand wegen einer Kündigung zur Unzeit kommen. Natürlich könnte es für den Mandanten problematisch sein, einen neuen Steuerberater zu finden. Denn dieser wird sich das neue Mandat womöglich in einer eigenen Analyse ansehen. Sollte der neue Berater ebenfalls zur Einstufung D gelangen, könnte es schwerer werden, sich geräuscharm zu trennen. Deswegen mit der notwendigen Auslese abzuwarten, ist strategisch aber keinesfalls sinnvoll.
Reflexionen aushalten
Auch sollten Sie sich nicht von dem Gedanken irritieren lassen, dass bei einer größeren Anzahl von Mandatsbeendigungen die Kostenbalance der Kanzlei aus dem Lot kommt beziehungsweise Sie sowohl von Banken als auch anderen Mandanten befremdlich angesehen werden. Ja, es wird sicherlich außerhalb der Kanzlei darüber gesprochen werden. Denn eine solche, womöglich unerwartete Trennung löst natürlich Diskussionen aus. Diese Reflexionen muss man aber aushalten, und das können Sie auch, da Ihnen eine Vorbereitungszeit eingeräumt ist, die Trennung im Sinne der eigenen Kanzlei zu vollziehen. Die Alternative dazu ist, im Mandat zu bleiben, wobei ein Weiter-so definitiv die gefährlichere Wahl ist.
Im Fokus der Insolvenzverwalter
Dass die Zunft der Insolvenzverwalter vorbereitet ist, lässt sich klar ausmachen. Bereits im November 2017 wurde im Rahmen des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses in Berlin hierzu referiert. Der Titel lautete: Der Steuerberater in der Krise – Haftung und Schaden. Referent war seinerzeit Dr. Magnus Wagner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht. Wer sich tiefer informieren will, möge in einer der gängigen Suchmaschinen sowohl den Namen des Referenten als auch den Titel seines Referats eingeben. Im Anschluss daran ist der seinerzeitige Vortrag im PDF-Format einsehbar. Dort wird, und darauf kommt es an, in detaillierter Form dargelegt, welche Rechtsnormen einschlägig sind, um den Anspruch aufgrund einer fehlerhaften Erstellung des Jahresabschlusses geltend zu machen. Die Rechtsabteilungen der Insolvenzverwalter sind insoweit bereits auf dem neuesten Stand, sie sitzen praktisch in den Startlöchern, um gegebenenfalls gegen uns Steuerberater vorzugehen.
Haftungshöhe
Falls der Jahresabschluss falsch oder verspätet aufgestellt wurde, droht dem betroffenen Berater also die Haftung. Zunächst einmal ist wegen Schlechtleistung das Honorar betroffen, das zurückzuerstatten ist. Damit allein ist es aber nicht getan. Der Umfang, den die tatsächliche Haftung des Steuerberaters aufgrund des sogenannten Insolvenzvertiefungsschadens beziehungsweise Quotenschadens hat, ist ein Vielfaches davon. Diese Schäden bestehen in einer Vertiefung der Überschuldung beziehungsweise Erhöhung der durch den verspäteten Insolvenzantrag bewirkten zusätzlichen Schäden, beispielsweise durch fortgesetzte Zahlungen der Geschäftsleitung. Dass diese Summen beträchtlich sein können, sollte jedem klar sein. Grob ließe sich das Ausmaß der Haftung wie folgt umreißen:
- Haftung für Insolvenzvertiefungsschaden
- Haftung für den anteiligen Schaden aus Insolvenzverschleppung
- Haftung (zivilrechtlich) wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung sowie strafbarer Beihilfe zur Insolvenzverschleppung
Fazit
Die Veränderung der haftungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei krisenbehafteten Mandatsverhältnissen muss nachhaltige Auswirkungen auf die Kanzlei-Mandanten-Beziehung haben. Darüber sollten wir uns bewusst werden. Daher dürfen wir uns nicht aufgrund persönlicher Verbindungen mit den Mandanten davon abhalten lassen, für uns selbst objektiv zu urteilen. Sofern die eigene ABCD-Analyse ergeben sollte, dass man D-Mandanten hat, müssen diese exakt nach den Vorgaben der Verlautbarung der BStBK sowie der Rechtsprechung bearbeitet werden. Entweder gelingt es, dass diese Mandanten durch Sanierungsmaßnahmen zu ABC-Mandanten werden, oder sie sollten sich aus unserer Mandantschaft verabschieden.
Leitsätze des BGH (Auszüge):
- Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird.
- Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln.
- Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht.
- Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist.
Fotos: anand purohit; SlothAstronaut / Getty Images