Wirtschaftliche Resilienz - 23. September 2021

Bevor es zu spät ist

Nachhaltigkeit ist mehr als reiner Umweltschutz, sie ist die Synthese aus Ökonomie, Ökologie, sozialen Aspekten und der Governance- Perspektive. Sie ist Kern transformativer Veränderungsprozesse und sorgt für wirtschaftliche Resilienz. Sie wird auch Steuerberater fordern. Volker Hartke, Co-Koordinator im Bereich Nachhaltigkeit bei AWADO, spricht über nachhaltiges Wirtschaften und die Relevanz für den Mittelstand.

DATEV magazin: Nachhaltiges Wirtschaften wird vermehrt zur zentralen Herausforderung – welche Anforderungen sind damit für den Berufs-, aber auch den Mittelstand verbunden?

VOLKER HARTKE: Besonders der Mittelstand wird einem enor­men Anpassungsdruck ausgesetzt sein, der voraussichtlich weni­ger aus der Regulierung als mehr aus der Wirtschaft selbst kom­men wird. Denn dass ein Produkt klimaneutral ist, kann nur mit­tels Daten aus den Lieferketten heraus nachgewiesen werden. Also wird die Herausforderung künftig sein, diese Daten und In­formationen vorzuhalten und für Kundinnen und Kunden sichtbar zu machen – auch für DATEV, die die entsprechende IT-Infrastruk­tur dafür bereitstellen muss. Für die Steuerberatung wird Nach­haltigkeit zunehmend wichtig; zum einen, weil der Berufsstand selbst Teil der Lieferketten ist und Leistungen einbringt; zum an­deren, weil Steuerberater als Prüfer und Dienstleister des Mittel­stands erste Ansprechpartner sind. Hier gilt es, sich selbst fortzu­bilden oder externe Dienstleister zu suchen.

Welche Vorschriften gibt es bereits?

Auch wenn es noch keine direkten oder unmittelbaren Regulatori­en für KMU gibt, werden Vorgaben wie das Lieferkettensorgfalts­gesetz oder die von der EU-Kommission vorgeschlagene neue Nachhaltigkeitsberichterstattung für handelsrechtliche große Un­ternehmen indirekte Auswirkungen auf KMU haben. Insbesonde­re um den Mittelstand von Lieferkettenanforderungen zu entlas­ten, beabsichtigt die EU-Kommission jedoch die Entwicklung ei­genständiger KMU-Berichtsstandards. Diese stellen lediglich eine Handreichung der EU-Kommission dar und verbieten weder den Kunden die Anfrage noch verpflichten sie die KMU zur Berichter­stattung.

Wie sieht Ihre Entwicklungsprognose aus?

Grundsätzlich reichen die Planungen auf EU-Ebene bis Mitte die­ses Jahrzehnts. Für den Mittelstand sollen neben den Kunden auch Banken Nachhaltigkeitstreiber sein. Banken sollen unter an­derem in ihrem Nachhaltigkeitsbericht eine sogenannte Green As­set Ratio veröffentlichen. Mit ihr soll der Anteil der grünen Kredite am Gesamtkreditportfolio angegeben werden. Die Einordnung der finanzierten Wirtschaftsaktivitäten erfolgt anhand einer euro­päisch einheitlichen EU-Taxonomie. Sie definiert, welche Wirt­schaftstätigkeiten einen erheblichen Beitrag zur grünen Nachhal­tigkeit leisten. Sie wurde auch schon als Produktportfolio der Zu­kunft bezeichnet. Denn die Anforderungen der Taxonomie sind immer einen Schritt weiter als die aktuelle Gesetzgebung. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Aufsicht vermehrt die Beschäfti­gung mit Nachhaltigkeitsrisiken von den Banken fordert. Erste Schritte sind schon erfolgt. Damit Banken ihren Nachhaltigkeits­pflichten nachkommen können, benötigen sie die Daten der Kre­ditnehmer.

Welche Chancen sehen Sie?

Durch Flutkatastrophen und andere Wetterextreme steigt die öf­fentliche Wahrnehmung für Nachhaltigkeit und insbesondere den Klimaschutz. Daher liegen die Chancen bei denen, die solche Maßnahmen frühzeitig implementieren. Damit steigen auch parallel die Risiken, denn im Rahmen dieser Transformation kann es zu schnellen Änderungen der Markterfordernisse und legislativen Vorgaben kommen. Wie schnell diese dann adaptiert werden müssen und können, ist fraglich. Je später man sich also dieser Transformation anschließt, desto schwieriger und auch risikorei­cher wird das Vorhaben und desto mehr besteht die Gefahr soge­nannter Stranded Assets, also Vermögenswerte, die auf einmal wertlos sind.

Welche Schritte sind notwendig, um einen Nachhaltigkeits­fahrplan in die Unternehmens- und Kanzleistrategie zu integrieren?

Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme. Was ist bereits vor­handen, welche Key Performance Indicators (KPI) gibt es und wel­che Anforderungen wirken intern und extern auf das Unterneh­men? Das beinhaltet nicht nur eine Shareholder-, sondern auch eine Stakeholder-Befragung, um die wesentlichen Nachhaltig­keitsbelange zu erfahren. Daraus lässt sich in einem nächsten Schritt eine Nachhaltigkeitsstrategie ableiten, die mit entspre­chenden Maßnahmen zu unterlegen ist.

Wie kann man Nachhaltigkeit sichtbar machen?

Es gibt eine Vielzahl von Handreichungen und Tools im In­ternet – aber der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) ist ein guter Standard, wenn man sich damit erstmalig beschäftigen möchte. Ne­ben einem Leitfaden findet man auf der Seite des Kodexes Praxisbeispiele und allgemeine Unterstützungsangebote. Besonders für kleine Unternehmer ist die Seite eine dringende Empfeh­lung. Auch wir haben in unserem Netzwerk den DNK angewendet und sind mit einem Netzwerkmitglied seit diesem Jahr als DNK-Schulungspartner gelistet.

Welche Rolle wird der Punkt einer nachhaltigen Unterneh­mensausrichtung aus Ihrer Sicht zukünftig einnehmen?

Neben Digitalisierung ist Nachhaltigkeit der Megatrend der vergangenen beiden Jahre. Dieser wird nicht aufhören. Im Ge­genteil, mit jeder Umweltkatastrophe wird die Entwicklung relevanter. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit mehr als Umwelt­schutz und Klima ist. Nachhaltigkeit besteht aus Ökonomie, Ökologie, Sozialem und Governance. Nur wer alle vier Teilaspekte gleichrangig beachtet, befindet sich auf einem nachhaltigen Weg.

Mehr dazu

DATEV legt ihre Nachhaltigkeitsleistungen seit 2018 freiwillig nach dem branchenübergreifenden Transparenzstandard Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK) offen. Den DNK-Report 2020 sowie eine Hilfestellung für eigene erste Schritte finden Sie unter www.datev.de/nachhaltigkeit und unter Leitfaden des Deutschen Nachhaltigkeitskodexes (DNK), www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de

Die Berichte des Statistischen Bundesamts geben unter www.destatis.de einen guten Einblick in die Nachhaltig­keitsleistung Deutschlands.

Unter www.awado.de/nachhaltigkeit finden Berufskolle­gen und Mandanten bei der Implementierung und Umset­zung ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen Unterstützung.

Zu den Autoren

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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Stefanie Krömer

Stefanie Krömer studierte Kommunikationswissenschaft in München und startete 2007 bei DATEV im Geschäftsfeld Personalwirtschaft. Seit 2011 ist sie für Spenden und Sponsoring zuständig und freut sich jederzeit über Anfragen zu beiden Themenfeldern.

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