Digitaler Euro - 26. Oktober 2023

Bares – demnächst digital?

Die EU treibt die Einführung des digitalen Euro voran. Ob die digitale Währung allerdings wie geplant Ende 2026 kommen wird, ist derzeit noch offen – ebenso die Akzeptanz der Nutzer.

Bargeld lacht – zumindest hierzulande. Denn nirgendwo in Europa ist Bargeld populärer als im deutschsprachigen Raum. Mehr als die Hälfte der Deutschen zahlt am liebsten mit Bargeld. Und auch ich tue dies hin und wieder ganz gerne, beispielsweise am Sonntag beim Bäcker. Dass Bargeld immer noch beliebt ist, liegt an den Eigenschaften von Scheinen und Münzen, die in dieser Kombination kein anderes Zahlungsmittel bietet. Zum einen müssen diejenigen, die bar bezahlen, ihre Identität nicht preisgeben. Zum anderen ist Bargeld zurzeit die einzige Form von Zentralbankgeld, die Unternehmen und Privatpersonen zur Verfügung steht.

Digitale einheitliche Währung

Dies bleibt jedoch nicht so. Auf EU-Ebene sind die Diskussionen um den digitalen Euro weit vorangeschritten. Der digitale Euro soll die digitale Form der einheitlichen Währung sein, die natürlichen und juristischen Personen zur Verfügung steht. Der digitale Euro wäre somit eine Art digitales Bargeld. Auf politischer Ebene wird der digitale Euro bereits seit mehr als drei Jahren diskutiert. Der digitale Euro soll der Dominanz ausländischer digitaler Zentralbankwährungen oder privater digitaler Währungen in der Eurozone entgegenwirken, auch um so eine europäisch kontrollierte Alternative zu den meist US-amerikanischen elektronischen Bezahlverfahren zu schaffen.

Digitaler Euro frühestens 2026

Im Juni 2023 hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf zur Einführung des digitalen Euro veröffentlicht. Ziel des Vorschlags ist es, einen Rechtsrahmen zu schaffen, damit der digitale Euro als gesetzliches Zahlungsmittel etabliert werden kann. Obwohl der Vorschlag den rechtlichen Rahmen für den digitalen Euro festlegt, liegt die Entscheidung, ob und wann der digitale Euro eingeführt wird, bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Der frühestmögliche Zeitpunkt für die Ausgabe des digitalen Euro ist für Ende 2026 anvisiert. Der digitale Euro soll über die Finanzinstitute für Privatpersonen und Unternehmen bereitgestellt werden, stellt jedoch eine Verbindlichkeit direkt gegenüber der EZB dar. Wir werden also in Zukunft die Möglichkeit haben, neben dem Girokonto auch ein Konto mit digitalem Euro bei unserer Bank zu führen. Damit der digitale Euro nicht auf einen gewissen Gebrauch beschränkt oder sein Wert verändert wird, soll er kein programmierbares Geld werden. Schließlich wird angestrebt, dass der digitale Euro sowohl für die Online- als auch für die Offline-Nutzung zur Verfügung steht. Bei der Offline-Nutzung soll für geringere Beträge eine ähnliche Privatsphäre garantiert sein wie heute beim Bargeld.

Belange der Unternehmen nicht vergessen

Bei den Diskussionen um den digitalen Euro stehen vor allem Verbraucherinnen und Verbraucher im Fokus. Aus meiner Sicht ist es jedoch genauso wichtig, die Belange der Unternehmen, zum Beispiel die einer Bäckerei, nicht aus den Augen zu verlieren. Das gilt für den gesamten Zahlungsprozess, auch für die nachgelagerten Schritte. Beispielsweise müssen standardisierte Schnittstellen zur Verfügung stehen, um kaufmännische und steuerliche Prozesse zu ermöglichen.
Ob ein digitaler Euro vom Markt angenommen wird, steht noch in den Sternen. Noch ist nicht absehbar, ob er beliebt sein wird wie warme Semmeln – und welchen Mehrwert er bietet. Ein kontenbasierter digitaler Euro mit strengen Haltegrenzen, der zugleich Anforderungen aus dem Industrie-4.0-Kontext – etwa Machine-to-Machine-Payment – nicht befriedigen kann, wird es am Markt schwer haben. So ist es auch nicht überraschend, dass diese Entwicklung nicht von allen Seiten positiv betrachtet wird.

Kritik am digitalen Bargeld

Der renommierte italienische Ökonom Ignazio Angeloni etwa ist der Auffassung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Risiken und Unwägbarkeiten der Einführung des digitalen Euro größer sind als die Argumente, die dafür sprechen. Er fürchtet, dass der digitale Euro private Investitionen und Innovationen hemmen könnte. Auch im EU-Parlament, das den Verordnungsvorschlag zum digitalen Euro zusammen mit dem Rat der EU verabschieden muss, gibt es kritische Stimmen.
Der digitale Euro hat also noch einen langen Weg vor sich. Ich persönlich rechne nicht damit, dass es bereits Ende 2026 möglich sein wird, das Brot beim Bäcker mit dem digitalen Euro zu bezahlen. Also gilt es, weiterhin auf Alternativen zu setzen – und mittelfristig einzuschätzen, wie sich ein digitaler Euro als digitales Zentralbankgeld im Vergleich zu anderen Digitalwährungen und Zahlungsarten behaupten und positionieren wird.

Zum Autor

Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
CEO der DATEV eG; Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland.
Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership, #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment.
Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“

Weitere Artikel des Autors