Personenversicherungen - 24. Juni 2021

Vorgaben zur steuerrechtlichen Behandlung

Die Beurteilung des Versicherers, ob ein Versicherungsvertrag die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt, ist bei Personenversicherungen grundsätzlich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhand der Vereinbarungen vorzunehmen, die auf den Angaben des Versicherungsnehmers beruhen.

Der Prüfungszeitpunkt ergibt sich aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 27. Januar 2021. Ist der Versicherungsvertrag zu diesem Zeitpunkt als steuerbefreit zu beurteilen, ist der Versicherer nicht verpflichtet, laufend das Fortbestehen der Kriterien, welche die Steuerbefreiung begründen, zu überprüfen. Vielmehr darf er, ohne insbesondere steuerstrafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, die bei Vertragsschluss vorgenommene Einschätzung solange seiner steuerrechtlichen Behandlung zugrunde legen, bis er Kenntnis von Umständen erlangt, die zu einer abweichenden steuerrechtlichen Beurteilung führen. Eine Erstattung oder Nachentrichtung der Steuer erfolgt dann regelmäßig über den Versicherer.

Nachversteuerung

Muss gezahltes Versicherungsentgelt nachversteuert werden, ist der Versicherer zum Zweck der Steuerentrichtung gemäß § 9 Abs. 7 Versicherungssteuergesetz (VersStG) berechtigt, die Steuer beim Versicherungsnehmer nachträglich einzufordern oder im Leistungsfall die Versicherungsleistung entsprechend zu kürzen (§ 9 Abs. 7 VersStG). Sollte der Versicherungsnehmer ohne rechtliche Gründe die Nachzahlung der Steuer an den Versicherer verweigern, kommt im Rahmen eines Auswahlermessens eine unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers als Gesamtschuldner (§ 7 Abs. 8 VersStG) durch das Bundeszentralamt für Steuern (BzSt) in Betracht. Der Versicherer kann dies formlos beim BZSt beantragen. Dem Antrag ist dann regelmäßig stattzugeben.

Gestiegene Komplexität

Das BMF beantwortet mit dem Anwendungsschreiben vom 27. Januar 2021 viele Fragen, jedoch bei weitem nicht alle. Damit dürfte die Komplexität der anderen Steuerarten jetzt auch endgültig bei der bislang relativ einfachen Versicherungssteuer angekommen sein. Die Personenversicherer sind nun aufgefordert, innerhalb der nächsten Monate zu entscheiden, wie sie die Änderungen bis Jahresende vertrags- und systemtechnisch sowie prozessual umsetzen. Letztlich muss auch noch der beratende Innen- und Außendienst geschult werden. Eine besondere Herausforderung dürfte auf der Umsetzung der Bestandsführungssysteme liegen, die bislang nicht darauf ausgerichtet sind, eine Versicherungssteuer in dieser Komplexität abzubilden. Und im Verhältnis des Gesetzes zu anderen Staaten stellen sich weitergehende Fragen.

Risikobelegenheit

Grundsätzlich knüpft die Versicherungssteuer in der Europäischen Union (EU) und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) an den Tatbestand der Risikobelegenheit an. Liegt die Risikobelegenheit im Anwendungsbereich des deutschen VersStG, dann kommt es auch zur Anwendung, liegt sie außerhalb, dann nicht. Dies geht auf EU-Recht zurück. Hiermit sollen Doppelbesteuerungen vermieden werden. Das BMF und damit auch das BZSt vertreten schon seit Längerem die Ansicht, dass dieser Grundsatz für Fahrzeuge, die in einem Register außerhalb von EU/EWR eingetragen sind, also vor allem Schiffe und Flugzeuge, und die ein in Deutschland ansässiger Versicherungsnehmer versichert, nicht mehr gelten soll. Aktuell ist mit Blick auf die neugefassten Regeln eine große Verunsicherung von Versicherern, Maklern und Versicherungsnehmern zu bemerken, vor allem zur Frage, wann die Versicherung welcher Risiken in Deutschland steuerbar ist und daher eine Versicherungssteuer auslösen kann. Vor diesem Hintergrund ist ein weiteres BMF-Schreiben vom 4. März 2021 bedeutsam, welches ausschließlich den grundlegend neu gefassten § 1 VersStG behandelt. Diese Norm regelt die Voraussetzungen für eine Besteuerung von Versicherungen in Deutschland, konkret also, wann ein versichertes Risiko als in Deutschland steuerbar anzusehen ist beziehungsweise ab wann die deutsche Versicherungssteuer ausgelöst wird. Da allein hierfür 13 Seiten benötigt werden, ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass eine ehemals einfach zu handhabende Steuer immer komplexer wird. Erste Rückmeldungen aus der Versicherungswirtschaft zu dem neuen BMF-Schreiben zeigen bereits auf, dass viele offene Fragen weiter ungelöst sind. Vor allem bezieht sich dies auf die zwei nachfolgenden Themen.

Drittlandsbetriebsstätten

Bei der Absicherung von Drittlandsrisiken durch einen deutschen Versicherungsnehmer stellt sich die Frage, in welchen Fällen diese Risiken auch in Deutschland zu besteuern sind. Gemeint sind Fälle der Absicherung von Risiken einer Drittlandsbetriebsstätte durch ein deutsches Stammhaus als Versicherungsnehmer und deren oft zusätzliche Steuerbarkeit in Deutschland. Diese Steuerbarkeit liegt nicht vor, wenn die Versicherung direkt

  • mit der Betriebstätte/ Niederlassung im Ausland oder
  • mit einer Tochtergesellschaft

als Versicherungsnehmer abgeschlossen wurde. Unsicherheiten für die Praxis zu Steuerbarkeit bestehen aber, wenn der deutsche Versicherungsnehmer eine Tochtergesellschaft im Drittland absichert, ohne dass diese zum Versicherungsnehmer wird. Das Gesetz ist an dieser Stelle leider etwas schwer verständlich. Denn im VersStG wird das Richtlinienmerkmal „Niederlassung des Versicherungsnehmers, auf das sich der Vertrag bezieht“, durch die gesetzlichen Merkmale „Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht“ in § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VersStG geregelt. Ob darunter auch eine selbstständige Gesellschaft als Teil des Versicherungsnehmers verstanden werden kann, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Meines Erachtens jedoch ist die Auslegung, dass auch eine selbstständige Gesellschaft und damit auch ein Tochterunternehmen unter den Begriff der „Niederlassung des Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht“, nicht zulässig. Da es aber an einer weiteren dedizierten Aussage hierzu fehlt, wird von den Versicherern in der Praxis oft noch eine Steuer für die Versicherung des Risikos einer Tochtergesellschaft im Drittland durch einen deutschen Versicherungsnehmer erhoben. Letzterer wird aber in der Regel darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls nach Klärung eine Rückerstattung erfolgt. Als Folge der Neuregelung sollten viele deutsche Versicherungsnehmer mit versicherten Fahrzeugen sowie den genannten weiteren Gegenständen, also insbesondere Immobilien und Betriebstätten, die in einem Drittland registriert beziehungsweise belegen sind, ihren Versicherungsschutz überprüfen und mit ihrem Makler oder Versicherer über eine entsprechende alternative Vertragsgestaltung sprechen, um höhere Versicherungskosten sowie eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.

Versicherung auf fremde Rechnung

Unter fremder Rechnung versteht der Gesetzgeber offenbar alle Versicherungen, bei denen der Versicherungsnehmer nicht seine eigenen Risiken abdeckt, sondern fremde Risiken, wie etwa einer anderen natürlichen Person. Diese sind dann die sogenannten materiellen Versicherungsnehmer. Für die Frage der Steuerbarkeit ist das dann von Relevanz, wenn der vertragliche Versicherungsnehmer sowie der materielle Versicherungsnehmer, also die versicherte Person, in unterschiedlichen Ländern angesiedelt sind. Bei sogenannten Gruppenversicherungen von Personen ist es daher – anders als bislang, wo regelmäßig auf den Versicherungsnehmer abgestellt wurde – entscheidend, wo die versicherten Personen ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Oft liegt diese Information aber weder dem Versicherer noch den Versicherungsnehmern vor. Man denke zum Beispiel an die Versicherung eines unbestimmten Personenkreises, etwa der Versicherung aller Besucher einer Veranstaltung. Im Ergebnis wird man also weiter abwarten müssen, wie sich das BMF hier positioniert und ob letztendlich nicht erst die Gerichte endgültige Klarheit bringen können.

Sonstige Änderungen

Das Gesetz sieht neben den genannten einschneidenden Neuregelungen noch weitere Änderungen vor, vor allem mit Auswirkungen auf die Versicherungsunternehmen, die die Steuer als Steuerentrichtungsschuldner abzuführen haben. Hierzu gehören im Wesentlichen verschiedene Anzeigepflichten, Informationsansprüche des Versicherers, aber auch die Pflicht zur elektronischen Abgabe der Steuererklärung, die nunmehr eingeführt wird.

Umsetzungsaufwand

Die skizzierten Änderungen zeigen bereits deutlich, dass der Umsetzungsaufwand, der auf die Wirtschaft zukommt, ein Vielfaches mehr als die vom BMF veranschlagten 150.000 Euro betragen wird. Vor allem bei den Personenversicherungen und bei der Versicherung von Drittlandsrisiken hat das VersStG gravierende Auswirkungen auf die Administration und damit auf die Bestandsführungssysteme, denn sowohl die Prozesse als auch die Systeme sind anzupassen.

Fazit

Vor dem Hintergrund, dass mit dem VersStG eigentlich keine nennenswerten Mehreinnahmen erzielt werden sollen, ist schwer nachzuvollziehen, dass ein ehemals einfach zu handhabendes Gesetz nun leider mit der Komplexität anderer Steuergesetze gleichgezogen hat. Vielseitige Anwendungsschreiben, viele offene Fragen und die Notwendigkeit, komplexe Prozesse einzuführen, zeigen dies deutlich. Dem Vernehmen nach sammeln die Versicherer aktuell immer noch offene Fragen, um diese als Paket dem BMF vorzulegen, damit künftig rechtssicher agiert werden kann.

Zum Autor

PB
Dr. Philipp Besson

Rechtsanwalt und Partner bei der WTS Group in München

Weitere Artikel des Autors