E-Mobilität - 17. Mai 2022

The Sound of Silence

Noch vor drei Jahren war ich selbst ablehnend gegenüber E-Autos eingestellt. Heute jedoch bin ich von der E-Mobilität überzeugt. Es wird sicherlich nicht die einzige emissionsoptimierte Technik bleiben. Aber leise loszufahren und mit einem Juchzer beschleunigen zu können, entschädigt einen schon sehr für den fehlenden Sound.

Zugegeben: Ich habe ein großes Herz und ein kleines Ego. Die Carrera-Bahn und das Matchbox-Auto haben meine Kindheit wesentlich mitbestimmt. Auch deshalb war und ist das Auto für mich etwas hoch Emotionales. Noch vor drei Jahren habe ich ganz offen gegen elektrisch betriebene Fahrzeuge im Individualverkehr gewettert: Ein Pkw ohne Motorsound ist doch kein richtiges Auto, oder? Und ein Allheilmittel können solche Autos auch nicht sein. Mittlerweile aber kann ich sagen, dass mir der Sound eines Verbrenners nicht mehr fehlt. Ich gehöre jetzt zu den Menschen, die hoffen, dass die Ampel vor mir gleich rot zeigt und ich als Erster an ihr stehe. Denn elektrisch angetrieben, fahre ich leise los und bringe mein Inneres geschwind zum Staunen. Die Sinnhaftigkeit moderner und emissionsarmer Antriebstechniken steht daher für mich mittlerweile außer Frage.

Was schert mich mein Geschwätz von gestern

Ich bin überglücklicher Großvater. Bekehrt hat mich mein Sohn, und zwar mit beruflicher Sachkunde und klaren Argumenten. Zuerst haben wir zu Hause eine Photovoltaikanlage mit großer Batterie installiert. Danach war die Anschaffung eines elektrisch betriebenen Pkw nur noch eine logische Konsequenz. Und heute bin ich davon überzeugt, elektrisch angetriebene Pkw zu fahren. Meine Mitarbeiter nehmen auch gerne E-Dienstwagen. Es gäbe hier eine Menge technischer Details und betriebswirtschaftlicher oder steuerbedingter Zahlen zu nennen, das würde jedoch den gegebenen Rahmen sprengen. So möchte ich das Thema an dieser Stelle gerne etwas anders angehen und über meine persönlichen Erfahrungen im Bereich elektrisch betriebener Pkw berichten.

Ein leiser Fahrspaß

Leider gibt es zum Thema E-Auto allgemein viele falsche beziehungsweise unvollständige und deshalb spaßverderbende Berichte in der Presse. Zwar gibt es kein übertragbares Raster, anhand dessen für jeden Einzelfall ein Pro und Contra festgemacht werden könnte. Aber das elektrische Fahren hat einfach einen besonderen Reiz. Selbst weniger stark motorisierte E-Autos verfügen aus dem Stand oder bei niedrigen Geschwindigkeiten über eine zumindest überdurchschnittlich starke Beschleunigung. Das leise Fahren ist darüber hinaus extrem entspannend. Und wer es mag, benötigt zudem nur selten die mechanische Bremse, sofern man nur das Fahrpedal (one-pedal-driving) und den Elektromotor bremsend, also rekuperierend nutzen kann Leider verfügen nicht alle Fahrzeuge über das One-pedal-driving-Prinzip. Aber mal ganz offen gefragt: Wann kann man bei dem heutigen Verkehrsaufkommen und dem zunehmend ungewöhnlichen Verhalten so mancher Autofahrer performante Fahrzeuge noch wirklich ausnutzen, ohne sich und andere zu gefährden? Lassen Sie die alten Zügel mal los, Sie werden überrascht sein. Und es tut sich einiges auf dem E-Auto-Markt; man wird etwas für sich finden. Und tatsächlich: Spaß beim Fahren zu haben und dabei die Reichweite nicht über Gebühr zu belasten, gibt mir etwas, und das geht allen so, die ich kenne.

Die Reichweitendiskussion

Ob ein elektrisch angetriebenes Auto aktuell sinnvoll ist, hängt momentan noch von den individuellen Umständen ab. Insbesondere das eigene ökologische Denken, die Lademöglichkeiten sowie gegebenenfalls die Bereitschaft, auf Höchstgeschwindigkeit, Größe und Masse des Autos zu verzichten, spielen eine wesentliche Rolle. Bei der Reichweitendiskussion fällt sowohl in der Presse, aber auch in diversen YouTube-Videos eine zur Schau gestellte Unsachkunde auf. Aber zum Glück etablieren sich einige, leider noch wenige Motorjournalisten gerade mit wirklicher Sachkunde. Natürlich muss die Ladeinfrastruktur verbessert werden. Aber andererseits nimmt die Ladegeschwindigkeit bei den neuen Modellen ständig zu. Ich kenne kaum noch Menschen, die täglich mehrere hundert Kilometer fahren müssen und dabei nicht wenigstens 30 Minuten Zeit für eine Ladepause haben. Darüber hinaus beziehen die Navigationssysteme der guten E-Autos notwendige Ladestopps automatisch mit ein. Ich habe vor meinem Büro eine Ladesäule installiert; sogar meine Mitarbeiter schätzen das sehr. Und die Ladeinfrastruktur wird europaweit ständig besser, ebenso die Navigations-Software in den Fahrzeugen. Laden ist bei modernen E-Autos schnell erledigt. Und ja: Sicherlich gibt es weiterhin Leute, für deren Fahrprofil es aktuell nicht das richtige E-Auto gibt beziehungsweise die Ladeinfrastruktur noch nicht ausreicht. Da hilft aktuell leider nur der unsinnigerweise verpönte Diesel.

Hybridfahrzeuge

Hybridfahrzeuge, insbesondere Plug-in-Hybride (PHEV) mögen als kurze Übergangstechnologie Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre ihre Daseinsberechtigung gehabt haben, doch ist dieses Fahrzeugkonzept mittlerweile grundlegend überflüssig geworden. Es dient nur noch der Senkung statistischer Flottenemissionen der Hersteller, da der Realverbrauch zum Teil weit über dem eines ähnlich motorisierten Fahrzeugs mit konventionellem Verbrennungsmotor liegt. Einmal abgesehen von Performance-Effekten bei Supersportwagen, werden hier die Nachteile sowohl der elektrischen als auch der konventionellen, antiquierten Technologie der Verbrennungsmotoren kombiniert. Das hohe Gewicht, die geringe elektrische Reichweite, in der Realität meist deutlich unter 30 Kilometern, sowie eine enorme technische Komplexität sorgen für hohe Wartungskosten und potenziell sehr teure Reparaturen. Ein ökologischer Nutzen ergibt sich nur so weit, wie das Fahrzeug tatsächlich rein elektrisch gefahren wird. Ohne die steuerlichen Vorteile, die dieser Technologie unverständlicherweise zugutekommen, wäre dieses Antriebskonzept wohl nicht so erfolgreich, wie es aktuell noch ist. Die Politik scheint jedoch erkannt zu haben, dass steuerliche Vorteile im Bereich PHEV absurd sind.

Wann rechnet sich das E-Auto?

Zu der Frage, ab wann sich ein E-Auto ökologisch beziehungsweise ökonomisch rechnet, gibt es viele Rechenmodelle, gleich, ob akademisch begründet oder lediglich journalistisch recherchiert. Entscheidend sind hier die individuelle Situation sowie Lebenseinstellung. In meinem Fall war die Rechnung schnell gemacht. Noch im Januar des vergangenen Jahres brauchte ich mit meinem Verbrenner 16 bis 18 Liter Superplus auf 100 Kilometern. Heute erzeuge ich circa 80 Prozent der verfahrenen Energie auf meinem eigenen Dach (hier verlinken). Wenn die Annahmen über die Lebensdauer der technischen Komponenten stimmen, braucht man die Zahlen nicht im Detail zu kalkulieren, um die Sinnhaftigkeit einschätzen zu können. Ich fahre jetzt deutlich ökologischer und auch ökonomischer, obwohl ich mir – meinem Ego geschuldet – unvernünftiger Weise einen leistungsstarken E-SUV mit altmodisch angeordneten Instrumenten angeschafft habe. Aber mal im Ernst: Der Strom wird in den allermeisten Fällen günstiger sein als Benzin und Diesel. Auch wenn der Situationswechsel nicht so drastisch ist wie bei mir. Wenn man den Strom dann auch noch selbst erzeugen kann, wird es noch wesentlich günstiger. Und die steuerliche Privilegierung im Rahmen der Ein-Prozent-Methode (1/2 oder gar 1/4) ist wirklich ein echter Hit. Man muss also jeden Einzelfall individuell durchrechnen. Ich denke jedoch, dass der Gedanke, Geld sparen zu wollen, der falsche ist. Die Frage wird für viele eher sein, ob man sich die moderne, energieeffiziente Technik leisten will. Und tatsächlich, es gibt schon günstige, natürlich eher kleinere E-Autos, deren Kosten im Verbrenner-Rahmen liegen. Nur bei Gebrauchtfahrzeugen ist die Situation aktuell noch anders; aber das wird sich in schon wenigen Jahren ebenfalls ändern.

Irrtümer

Da Elektrofahrzeuge weniger mechanische Komponenten und damit weniger Verschleißteile benötigen, glaubten viele, dass sie zu Arbeitsplatzkillern würden. Den aktuellen Statistiken zufolge bewahrheitet sich auch diese Annahme nicht. Wie so oft in der Geschichte wird die Arbeitskraft an anderer Stelle benötigt. Des Weiteren gelten Elektrofahrzeuge oft als problematische, unkontrollierbare Brandherde. Richtig ist, dass das Löschen eines Elektrofahrzeugs einer besonderen Technik bedarf. Es stimmt nach den mir zugänglichen Informationen jedoch nicht, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen als Verbrenner.

Wasserstoffverbrennungsmotoren

Allen Unkenrufen zum Trotz und auch entgegen der allgemeinen, öffentlichen Wahrnehmung hat die Industrie in Deutschland technologisch deutlich schneller aufgeholt, als man vor einigen Jahren noch erwartete. Nach meinem Kenntnisstand haben mittlerweile zwei börsennotierte, deutsche Hersteller kürzlich die ersten ernstzunehmenden Wasserstoffverbrennungsmotoren vorgestellt. Diese sind im ersten Schritt vor allem geeignet für den Schwerlastverkehr. Ich jedenfalls glaube für die Zukunft an ein situationsbedingtes Zusammenspiel von Batterietechnologie und Wasserstoff.

Anschaffung und Förderung von E-Autos

Die aktuelle Innovationsprämie für Elektrofahrzeuge – die sogenannte Umweltprämie – ist erst vor kurzem bis Ende 2025 verlängert worden. Hierzu hat zum Beispiel der ADAC auf seiner Website eine gut verständliche Erläuterung eingestellt. Bei teuren Modellen geben manche, aber nicht alle Hersteller höhere Nachlässe, um die nicht gewährte staatliche Förderung zu kompensieren. Die heutigen E-Auto-Modelle sind momentan sehr wertstabil. In den meisten Fällen, insbesondere bei Geschäfts- und Dienstwagen, präferiere ich trotzdem Leasingverträge. Setzt man dann die Umweltprämie als Sonderzahlung ein, führt dies zu akzeptablen Raten ohne Restwertrisiko. Andererseits offeriert die KfW Null-Zins-Darlehen für E-Autos. Man muss schauen, was für einen selbst oder die Mandanten insoweit das richtige ist. Aktuell sind aber die Lieferzeiten auch für E-Autos ungewohnt lang. Jetzt rächt es sich, allein auf die Produktion elektronischer Bauteile aus Fernost gesetzt zu haben.

Fazit und Ausblick

Angesichts notwendiger ökologischer Maßnahmen und auch drohender beziehungsweise aktuell schon eingetretener Preissteigerungen für Energie und Treibstoff gewinnen E-Autos beziehungsweise alle emissionsarmen Antriebe zunehmend an Bedeutung. Nicht nur aufgrund ökologischer Gesichtspunkte also wird an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen im Individualverkehr zukünftig kein Weg mehr vorbeiführen. Die Entscheidung, ob man sich ein E-Auto anschafft, kann natürlich jeder noch für sich selbst treffen. Ich jedenfalls bin inzwischen von der E-Mobilität überzeugt. Den Zweiflern und Zauderern sage ich: Trau Dich, dann aber richtig und vollelektrisch! Und wer das Hauptproblem allein in der Ladeinfrastruktur sieht, könnte sich ja für die zwei Urlaubsfahrten pro Jahr einen verbrauchsgünstigen Diesel mieten, sofern es darum geht, die Ladestopps eines E-Autos unbedingt zu vermeiden. Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an E-Pkw. Die inländischen Hersteller holen technologisch ständig auf. Und auch im Transporter Bereich tut sich etwas. Wenn man bereit ist, alte Gewohnheiten loszulassen, kann man schöne Überraschungen erleben. Und unsere Kinder und Enkel werden es uns danken!

Zum Autor

Dieter Höhne

Steuerberater in eigener Kanzlei in Hennef

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