Grundsteuer - 23. Februar 2023

Rechtsbehelfe prüfen

Immobilien- und Grundstücksinhaber erhalten inzwischen Bescheide im Zuge der neuen Grundsteuerberechnung. Dabei stellt sich die Frage, ob es lohnenswert ist, den betreffenden Bescheid mittels Einspruch anzugreifen oder mittels Fortschreibung eine Anpassung für die Zukunft in Betracht zu ziehen.

Seit etwas mehr als drei Monaten versendet die Finanzverwaltung Grundsteuerbescheide. Mit diesen Bescheiden findet das frisch renovierte Grundsteuersystem seine erste Anwendung. Da das bisherige System 2018 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig erklärt wurde, fragen sich viele Menschen, ob sie dem neuen System trauen können. In der Fachwelt halten etliche Stimmen auch das neue Grundsteuersystem für verfassungswidrig, obwohl es mit dem bisherigen System nur noch sehr wenig gemeinsam hat.

Einspruch oder Fortschreibung?

Steuerbescheide haben die Eigenschaft, dass sie mit Ablauf der Einspruchsfrist verbindlich werden – ganz gleich, ob sie in der Sache korrekt sind oder nicht. Wer also seinen Steuerbescheid widerspruchslos hinnimmt, kann von späteren Rechtsentwicklungen nicht mehr profitieren. Allerdings ist der Einspruch auch kein Wundermittel. Hat man keine gute Begründung, so muss man spätestens wenige Monate später Klage zum Finanzgericht erheben, um den Bescheid weiter offenzuhalten. Spätestens mit der Klage sind jedoch Kosten verbunden, sodass man diesen Schritt nur erwägen sollte, wenn es eine konkrete Aussicht auf Erfolg gibt. Im Grundsteuerkontext ist es extrem unwahrscheinlich, dass die neue Rechtslage vom BVerfG komplett verworfen wird. Das bisherige Grundsteuerrecht wies eklatante Mängel auf – dennoch erlaubte das BVerfG seine Fortgeltung für eine Übergangsfrist von etwa sechs Jahren. Denkbar ist, dass sich das neue Recht als in einzelnen Aspekten korrekturbedürftig erweist. Für diesen Fall werden von Korrekturen aber nur diejenigen Steuerpflichtigen profitieren, die nicht nur ihren Steuerbescheid offengehalten haben, sondern auch von der konkreten korrigierten Regelung betroffen sind. Eine Alternative zum Einspruch stellt in vielen Fällen die sogenannte Fortschreibung dar, eine Spezialität der Grundsteuer, die eine Anpassung für die Zukunft ermöglicht. Da sich die Grundsteuer erst ab dem Jahr 2025 nach den aktuell erlassenen Bescheiden richten wird, bleibt also noch Zeit für eine solche Korrektur. Wird eine Fortschreibung vor Beginn des Jahres 2025 durchgeführt, wirken sich die aktuellen Steuerbescheide praktisch nicht aus. Eine Fortschreibung ist zum Beispiel möglich, wenn der Wert der Immobilie um 15.000 Euro von der bisherigen Feststellung abweicht. Folglich ist auch dieser Rechtsbehelf zur Beseitigung von Fehlern denkbar. Weicht das Finanzamt mit dem Bescheid von der Steuererklärung ab, sollte ein Einspruch immer in Betracht gezogen werden. Legt das Finanzamt der Besteuerung aber die Angaben aus der Steuererklärung unverändert zugrunde, dann lohnt sich der Einspruch maximal dann, wenn konkrete Bedenken gegen das neue Besteuerungssystem als solches bestehen. Voraussetzung für den Erfolg des Einspruchs ist immer eine Verletzung in eigenen Rechten. Das ist aber nur dann der Fall, wenn man individuell benachteiligt wird.

Bedenken bei der Öffnungsklausel

Nach der Rollenverteilung zwischen Bund und Ländern, wie sie das Grundgesetz in Art. 70 vorsieht, fällt das Grundsteuergesetz in den Verantwortungsbereich der Länder. Die reformierte Grundsteuer wurde dennoch zunächst vom Bund ausgearbeitet und den Ländern dann die Möglichkeit gegeben, eigene gesetzliche Regeln zu erlassen. Hiervon haben Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Sachsen auch Gebrauch gemacht. Für Unternehmen oder Privatpersonen, die Grundstücke in verschiedenen Bundesländern zum Eigentum haben, bedeutet dies unterschiedliche Bewertungsverfahren, die zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Hoher Verwaltungsaufwand

Ein sehr frühes Gutachten von Prof. Dr. Gregor Kirchhof im Auftrag eines Interessenverbands der Immobilienwirtschaft nennt unter anderem den hohen Verwaltungsaufwand als Grund für einen Verfassungsverstoß. Allerdings stellt es diesen Verwaltungsaufwand im Einzelnen nicht dar. Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist der Verwaltungsaufwand für die einzelne Steuererklärung bei den meisten Immobilien nicht hoch. Die benötigten Daten sind überschaubar und viele Besteuerungsgrundlagen werden aus öffentlichen Daten automatisch beigezogen. Bei Gewerbeobjekten jedoch muss eine Einordnung der Gebäudeart in einen Katalog von circa 20 Kategorien vorgenommen werden. Außerdem steigt der Erklärungsaufwand erheblich, wenn das Gebäude aus mehreren Teilen mit unterschiedlicher Bauweise aus verschiedenen Baujahren besteht. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Steuererklärung spätestens alle sieben Jahre abzugeben ist, sofern nicht vorher eine Änderung der Verhältnisse eine sogenannte Fortschreibung erforderlich macht.

Gesetzliche Berechnungsparameter

Die Berechnung der Grundsteuer beruht einerseits auf den vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zur Grundstücks- und Wohnfläche, Baujahr und Wohnungszahl. Andererseits basiert sie auf Zahlen, die entweder gesetzlich vorgegeben sind oder aus Fachkreisen beigezogen werden. So ist zum Beispiel gesetzlich festgelegt, dass sich die Bewirtschaftungskosten für ein Mietwohngrundstück, das jünger als 20 Jahre ist, auf 21 Prozent des Rohertrags belaufen. Auch die Miete, die in die Berechnung des Grundstückswerts einfließt, ist gesetzlich festgelegt. Das Gesetz unterscheidet dabei nach dem Bundesland, der Gebäudeart (Ein- oder Zweifamilienhaus oder Mietwohngrundstück) sowie nach der Wohnfläche (unter 60 m², 60 bis 100 m² oder 100 m² und mehr). Die gesetzlich festgelegte Nettokaltmiete wird angepasst durch sogenannte Mietniveaustufen, die einen Abschlag von bis zu 20 Prozent bis zu einem Zuschlag von 40 Prozent auf die gesetzlich festgelegte Nettokaltmiete bewirken. Zu diesem Zweck wird durch die Finanzverwaltung des Bundes jede Gemeinde im Bundesgebiet einer Mietniveaustufe zugeordnet. Unterscheidungen innerhalb einer Kommune finden nicht statt – auch wenn es sich um eine Großstadt wie Berlin handelt. Die gesetzliche Festlegung von Berechnungsparametern, wie im Falle der Bewirtschaftungskosten, des Liegenschaftszinses sowie der Normalherstellungskosten, birgt das Risiko, dass notwendige Aktualisierungen unterbleiben. Dasselbe gilt für die von der Finanzverwaltung festgelegten Mietniveaustufen. Für das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot stellt es insoweit kein Problem dar, wenn alle Grundstücke unter- oder überbewertet werden, solange dies gleichmäßig geschieht. Steigen jedoch die Bodenpreise und Mieten in einer Region deutlich stärker als in einer anderen und bleibt dies bei der Grundsteuer unberücksichtigt, liegt eine Ungleichbehandlung vor, die einer Rechtfertigung bedarf. In der gesetzlichen Festlegung sehen wir primär einen Risikofaktor für einen zukünftigen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

Der Bodenrichtwert

Den Wert, der für jeden Quadratmeter eines zu bewertenden Grundstücks angesetzt wird, nennt man Bodenrichtwert. Dieser wird von lokalen Gutachterausschüssen festgelegt, die den Auftrag haben, aus sämtlichen Grundstücksverkäufen die Bodenwerte zu ermitteln und in Zonen zusammenzufassen, in denen der Wert des Bodens jeweils nicht mehr als 30 Prozent nach oben oder unten abweichen soll. Hierdurch wird eine Abweichung von insgesamt 60 Prozent innerhalb einer Bodenrichtwertzone hingenommen, die in Einzelfällen auch überschritten werden kann [vgl. hierzu § 15 Abs. 1 S. 2 der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (ImmoWertV)]. Die mögliche Abweichung vergrößert sich an den Grenzen zu benachbarten Bodenrichtwertzonen, da eine Grenzziehung in den wenigsten Fällen zwingend sein dürfte. Die Zusammensetzung der Gutachterausschüsse, die Qualifikation ihrer Mitglieder, deren Pflichten sowie die fachliche Aufsicht sind beispielsweise für Nordrhein-Westfalen in der Grundstückswertvermittlungsverordnung niedergelegt – ebenso die Herkunft der Daten. Die fachliche Verfahrensweise zur Ermittlung der Bodenrichtwerte ist bundeseinheitlich in der ImmoWertV niedergelegt. Das angewendete oder die angewendeten Verfahren für die Ermittlung der Bodenrichtwerte müssen dokumentiert werden. Einzelne Bodenrichtwerte werden jedoch ausdrücklich nicht begründet. Darin liegt ein Transparenzdefizit. Die Hinzuziehung von Berechnungsergebnissen der Gutachterausschüsse birgt außerdem das Risiko, dass die dort ermittelten Werte tatsächlich gleichheitswidrig sind. Die Gutachterausschüsse errechnen die Bodenrichtwerte aus den tatsächlich bei Grundstücksverkäufen erzielten Preisen. Statistische Probleme zeichnen sich also dort ab, wo in der Nachbarschaft nur sehr wenige Objekte vorhanden sind, die zum Vergleich herangezogen werden können. Sind diese Objekte gleichzeitig sehr unterschiedlich oder wurden nur sehr wenige Objekte verkauft, so ist die statistische Grundlage zur Ermittlung der Bodenrichtwerte schwach. Dennoch sieht das Gesetz keine Möglichkeit für den Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor, einen abweichenden Bodenwert nachzuweisen. Angesichts der gesetzlich in Kauf genommenen Ungleichheiten halten wir dies im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz für bedenklich.

Geringe Berücksichtigung der Bausubstanz

Die Qualität der Bausubstanz wird bei der Grundsteuer nur in Form des Baujahrs berücksichtigt. Solche Typisierungen sind zur Vermeidung im Steuerrecht ausdrücklich zulässig, denn sie halten den Verwaltungsaufwand in Grenzen. Dennoch bewirken die neuen grundsteuerrechtlichen Regeln, dass eine marode Bausubstanz unberücksichtigt bleibt. So wird auch für eine nahezu verfallene Immobilie eine Restnutzungsdauer von 30 Prozent der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer angenommen, solange sie noch nutzbar ist. Bei einem Wohngebäude, dessen gesamte Nutzungsdauer gesetzlich auf 80 Jahre festgelegt ist, führt dies dazu, dass eine Restnutzungsdauer von 24 Jahren unabhängig vom baulichen Zustand nicht ohne eine Abbruchverfügung unterschritten werden kann. Auch die
Miete je Quadratmeter fließt in die Berechnung der Grundsteuer ein. Dabei stellt das Gesetz jedoch nicht auf die konkret zwischen Mieter und Vermieter vereinbarte Miete ab, sondern legt selbst monatliche Nettokaltmieten in Euro je Quadratmeter Wohnfläche fest. Hier wird ebenfalls nach dem Baujahr des Gebäudes differenziert. Dabei weisen die gesetzlich festgelegten Nettokaltmieten nur eine geringe Spreizung auf. So beträgt die Nettokaltmiete je Quadratmeter für ein in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus Trümmern errichtetes Einfamilienhaus in Nordrhein-Westfalen mit 90 Quadratmetern Wohnfläche nach der gesetzlichen Vorgabe 6,10 Euro. Für ein gleich großes, 2020 errichtetes Niedrigenergiehaus beträgt sie 6,65 Euro.

Fazit

Ein hoher Immobilienwert hat naturgemäß auch hohe finanzielle Auswirkungen. Wir empfehlen daher, Einspruch einzulegen, wenn sich eine Benachteiligung aus mindestens einem der voranstehend skizzierten Aspekte ergibt. Addieren sich mehrere Nachteile, so erhöhen sich die Chancen auf einen Erfolg. Wichtig ist jedoch, den Einspruch gegen den richtigen Steuerbescheid einzulegen. Bei den voranstehend erläuterten Benachteiligungen hilft nur der Einspruch gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts weiter.

Mehr dazu

finden Sie unter www.datev.de/grundsteuer

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Zu den Autoren

Christian Lentföhr

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Arbeitsrecht; Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB und zertifizierter Berater Steuerrecht für mittelständische Unternehmen (DASV e.V.)

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Thomas Kempkes

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht bei SNP Schlawien am Standort in Düsseldorf. Er bearbeitet maßgeblich das Thema Grundsteuerreform, zudem ist er Mitglied des Fachkreises „Vermögensnachfolge“.

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