Umweltaspekt - 27. August 2020

Der ökologische Fußabdruck des Bitcoins

Die Mai-Ausgabe des DATEV magazins hat sich ausführlich mit fiskalischen Fragen rund um die Kryptowährungen befasst. Nur: Wie steht es eigentlich um deren ökologische Bilanz? Ein Nachtrag.

Wird eine Münze geschlagen, trifft üblicherweise ein harter Prägestempel auf ein weicheres münzmetall und überträgt auf dieses sein Relief. Bei einer Kryptowährung wie dem Bitcoin kommt es in gewissem Sinne zu einem genau umgekehrten Vorgang. Zwar ist es ein immaterieller, völlig geräuschloser Prozess, mit dem ein Bitcoin in die Welt kommt, aber in seinem Falle ist er es, der eine tiefe Spur hinterlässt, der Welt seinen Stempel aufdrückt: in Gestalt seines ökologischen Fußabdrucks nämlich – und der ist von erschreckender Größe. Wie kann das sein?

Kniffliger Gegenstand

Wenn man erklären möchte, wie Bitcoins in der Blockchain-Welt entstehen und warum sie, obschon ja nur virtuell existierend, alles andere als umwelt- und namentlich klimaneutral sind, steht man zunächst einmal vor einer Entscheidung: Denn will man es ganz genau erläutern, wird es außerordentlich kompliziert. Man stößt auf Begriffe und Sachverhalte wie das Bootstrapping, die Finessen der Hash-Generierung, Nonce-Variierung, Halving, den Aufwand zur Vermeidung des Byzantinischen Fehlers, auf stromsparende ultra-effiziente ASIC Mining Hardware, mit einem Output von inzwischen sechs Gigahash pro Joule und darauf, dass sich der Aufwand und damit der Energieverbrauch zur Generierung neuer Bitcoins ständig vermehrt. Dass folglich die Effizienz dieses Prozesses ständig abnimmt, bis – voraussichtlich um das Jahr 2140, vielleicht aber schon 2040 – alle 21 Millionen nach derzeitigem Stand überhaupt nur gewinnbaren Bitcoins generiert sein werden. Versucht man es darum einfacher zu erklären, setzt man sich dem Vorwurf mangelnder Genauigkeit und vor allem dem einer bloß metaphorischen Darstellungsweise aus, die letztlich im Ungefähren belässt, was es doch gerade zu erklären gilt. Trotzdem müssen wir uns für Letzteres entscheiden, einen Versuch also, einen höchst unanschaulichen Vorgang so weit nachvollziehbar zu machen, dass man versteht, warum er ökologisch problematisch ist.

Hoher Wert

Der Bitcoin ist ein Zahlungsmittel, dessen Werthaltigkeit auf bloßer Übereinkunft basiert und – wie bei allem Fiatgeld – jenem Vertrauen, das seine Nutzer ihm entgegenbringen. Seine Konvertierbarkeit in andere Währungen unterliegt den Schwankungen börsennotierter Werte und glich in der jüngeren Vergangenheit einer Achterbahnfahrt. Die ersten vier Jahre nach seiner Einführung 2009 praktisch wertlos, dann bis 2017 immerhin ernst genommen, schnellte sein Wert im Dezember desselben Jahres auf ein Allzeithoch von knapp 16.700 Euro, pro Bitcoin, wohlgemerkt, um zwei Jahre später wieder auf unter 3.000 Euro abzustürzen. Derzeit liegt sein Wert bei 8.070 Euro. Seine enorme Volatilität ist allein schon ein Indikator für das Vorhandensein einer stark spekulativen Komponente, die seine Wertentwicklung bestimmt und eine gewisse Goldgräberstimmung, die über ihm schwebt und ihn zumindest phasenweise mit einer schillernden Aura aus Gier und Herrschaftswissen umgibt. Dieser Vergleich aus der Welt der Digger und Glücksritter ist auch begrifflich nicht ganz unzutreffend, bezeichnet man doch die Erzeugung neuer Bitcoins als Mining, zu Deutsch Schürfen. Da zudem mit dem Bitcoin Zahlungen weitgehend anonym getätigt werden können, genießt er bei Strafverfolgern auch nicht den allerbesten Ruf, bietet er sich doch für die Abwicklung fragwürdiger Geschäfte geradezu an.

Wie kommt ein Bitcoin in die Welt?

Bitcoins entstehen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Blockchain, jenes Dokumentationssystems, das es gestattet, in höchstem Maße fälschungs- und manipulationssicher beliebige Vorgänge, Lieferketten, Zahlungen, Geschäftsvorfälle jeder Art, aber auch geschäftliche wie private Korrespondenz, kurzum alles, was ökonomische Relevanz hat, dezentral und peer-to-peer, also ohne eine Client-Server-Architektur, im Netz abzubilden. Jede neue Prozesskette begründet dabei einen neuen, ersten Block, an den sich Schritt für Schritt die Folgeprozesse, weitere Blocks, anschließen, wodurch sich eine Kette, die Blockchain eben, ergibt. Das Entscheidende an ihr ist die Unmöglichkeit nachträglicher oder begleitender Manipulationen, da die Chain Schritt für Schritt durch die Community der Miners beglaubigt wird – das sind jene Menschen, die das System durch Bereitstellung ihrer Hardware, Rechenleistung und Internetkonnektivität erst funktionsfähig machen.

Jeder neue Block generiert dabei begleitend neue Bitcoins, virtuelle Werte, die gemeinsam mit dem Block wie eine Art Gutschein zugunsten der beteiligten Miners ausgegeben werden. Die Menge der neuen Bitcoins pro Block halbiert sich allerdings durch sogenanntes Halving derzeit etwa alle vier Jahre, was einerseits einer Bitcoin-Inflation vorbeugen soll, womit sich andererseits aber bereits andeutet, dass der Aufwand zur Generierung neuer Bitcoins über die Zeitachse wächst. Zusätzlich zu den neu geschöpften Coins erhält ein Miner die Transaktionsgebühren (ebenfalls in Bitcoin) für alle Transaktionen die er in einem Block bestätigt. Ein Miner sammelt die Transaktionen, prüft und beglaubigt sie in einem außerordentlich aufwändigen Verfahren, bei dem sogenannte Hash-Funktionen (Streuwertfunktionen) die entscheidende Rolle spielen. Diese sind kollisionsresistent, was bedeutet, dass es praktisch nicht möglich ist, zwei unterschiedliche Eingabewerte für diese Funktion zu finden, die einen identischen Hash-Wert ergeben. Sobald ein solcher Hash-Wert in der Chain mit einem Block unauflöslich verknüpft wird, ist aus der Perspektive des validierenden Miners dessen Integrität gesichert. Die Generierung der Hash-Werte, die zudem einen bestimmten Zielwert nicht überschreiten dürfen, ist nicht trivial und erfordert gewaltige Rechenleistungen. Ist ein gültiger Hash gefunden, wird der Miner in Bitcoins für die geleistete Berechnung und Speicherung der Daten entlohnt.

Vom Schürfer zum Farmer

Wird also mittels Blockchain beispielsweise eine Finanztransaktion durchgeführt, sagen wir eine Überweisung von Person A an Person B, sind an diesem Vorgang eine größere Zahl Miner beteiligt, die diesen irreversibel validieren. Dazu muss jeder der beteiligten Miner Rechenleistung zur Generierung von Hash-Werten bereitstellen, sodass schließlich die Summe (im Streitfall: die Mehrheit) der Miner die Korrektheit des gesamten Vorgangs verbürgt. Die außerordentliche Komplexität der Rechenprozesse, mit denen die unverzichtbaren Hash-Werte generiert werden, gleicht einem Durchprobieren von Zahlenkombinationen in ganz großem Stil. Heimcomputer können dies längst nicht mehr leisten. Heute geschieht dies auf Rechnerfarmen, die – ökologisch günstigenfalls – in Island stehen und ihre Energie aus umweltfreundlichen Geothermie- Kraftwerken beziehen, oder aber – wie in 70 Prozent der Fälle – in China mit billigem Kohlestrom betrieben werden. Als ein weiterer leistungssteigernder und damit den Stromverbrauch vermehrender Faktor tritt beim Schürfen von Bitcoins ein kompetitives Element hinzu. Miner treten gegeneinander an, da neue Sätze von Transaktionen (Blöcke) der Blockchain von Bitcoins nur etwa alle zehn Minuten hinzugefügt werden. Der Schnellere mit der leistungsstärkeren Serverfarm hat die Nase vorne und erzielt einen höheren Anteil an der Bitcoin-Vergabe, weil er mehr neue Blocks generiert, was wesentlich lukrativer ist als die bloße Validierung von Transaktionen. Übergangene Miners haben dann umsonst gerechnet. Auf der Jagd nach den Coins ist also seit Jahren ein Wettrüsten in Sachen Rechen-Power im Gange.

Der Energiehunger des Bitcoin

Wieviel Energie das weltweite Schürfen nach Bitcoins tatsächlich verbraucht, kann natürlich nur geschätzt werden, auch sind die Berechnungsmodelle der befassten Experten und damit die genannten Werte unterschiedlich, aber erschreckend sind die Zahlen allemal. Die Universität Cambridge, die hierzu forscht, weist mit ihrem Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index (CBEI) aus, dass der weltweite Handel auf Basis des Bitcoins pro Jahr 58,5 Terawattstunden (TWh) an Strom verbraucht (Stand Ende 2019). Wäre die Bitcoin-Wirtschaft ein Land, stünde es damit weltweit an 41. Stelle, eine Position vor Österreich. Auf die einzelne Transaktion, den einzelnen Zahlungsvorgang umgerechnet, kommt man auf astronomische 515 Kilowattstunden (KWh), das ist die Menge Strom, die ein Vierpersonenhaushalt in etwa acht Wochen verbraucht; ebenso gut könnte man dafür knapp 41.000 Stunden YouTube schauen.

Zum Vergleich: Eine konventionelle digitale Überweisung verbraucht weniger als zwei Wattstunden, also ist der Energieverbrauch einer Bitcoin-Überweisung etwa 250.000-mal höher. Man kann den Energieverbrauch auch direkt als CO2-Fußabdruck darstellen: Die Kryptowährung verursacht weltweit in etwa den gleichen CO2-Ausstoß wie eine Million Flugpassagiere auf der Transatlantikroute von Frankfurt nach Miami, nämlich knapp 28 Megatonnen CO2 und erzielt trotz dieses gewaltigen Ausstoßes lediglich sieben Transaktionen pro Sekunde. Jede einzelne Transaktion produziert dabei 244,7 Kilogramm CO2. Die Credit Suisse Group AG, das größte global agierende Finanzdienstleistungsunternehmen, hat den Stromverbrauch im Hinblick auf die internationalen Klimaziele ebenfalls untersucht und kommt zu einem nicht ganz so pessimistischen Ergebnis. Zwar stimmen die Zahlen, aber da die Miners immer effizientere Rechner einsetzen würden, sollte der Stromverbrauch künftig wieder sinken. Zudem sei das Problem ja nicht der Stromverbrauch als solcher, sondern die Frage, wie dieser Strom produziert würde, ob also überwiegend aus Kohle – wie derzeit leider noch in China – oder CO2-neutral aus Atomstrom beziehungsweise regenerativen Quellen. Außerdem steht der Bitcoin in Konkurrenz zu anderen Kryptowährungen, die den sogenannten delegated proof of stake, also die Anspruchsvalidierung durch eine Community mit anderen Verfahren, sicherstellen, die weit weniger rechenintensiv sind. Zu denken ist hierbei etwa an die Kryptowährung Ether. Zahlungsvorgänge in dieser Währung werden in einer eigenen Blockchain über Ethereum abgewickelt, einem System zum Verwalten dezentraler Programme und Kontrakte. Ether ist (Stand 2019) nach dem Bitcoin die Nummer zwei hinsichtlich der Marktkapitalisierung, verfügt aber, so ist zumindest zu lesen, nicht über einen ähnlich sicheren Proof-of-stake-Mechanismus wie der Bitcoin.

Fazit

So lange an den Standorten der großen Miner, die überwiegend in China sitzen, weiterhin billige Energie aus der Verstromung von Kohle verfügbar ist, wird sich an der hochproblematischen Ökobilanz der Bitcoin-Währung nichts ändern. Fortschritte bei der Leistungsfähigkeit der Rechner, die eine Steigerung des Wirkungsgrades bedeuten, haben bisher lediglich zu einer Intensivierung des Mining geführt, was den Zugewinn an Effizienz vollkommen aufzehrt (Rebound-Effekt). Wer es also ernst meint mit dem Klimaschutz, sollte zumindest heute noch auf Investments in und auf Zahlungsabwicklungen über den Bitcoin verzichten.

Mehr dazu

Lesen Sie unter „Neue Spezies – Kryptowährung“ im DATEV magazin 05/2020,

Kompaktwissen für Berater „Kryptowährung, Bitcoin und Co.“ (Art.-Nr. 31394).

Zum Autor

Carsten Seebass

Redaktion DATEV magazin

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