KI in der Steuerkanzlei - 26. Oktober 2023

Alles, nur kein Selbstläufer

Die Automatisierung von Prozessen ist nur über eine gezielte Projektsteuerung realisierbar. Und nach der Implementierung von KI-Tools führt kein Weg an einem regelmäßigen Monitoring sowie Plausibilitätschecks vorbei.

Immer wieder scheitern IT-Projekte in Steuerberatungskanzleien. Die Gründe dafür sind vielfältig. Unzureichende Ziele und Kapazitäten, fehlende Einbindung wichtiger Stakeholder sowie mangelnde Datenqualität sind nur einige Beispiele. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die mangelnde Akzeptanz durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nur wenn das jeweilige Team die IT-Lösung als Unterstützung versteht, mögliche Bedenken von Anfang an transparent adressiert werden und die einzelnen Mitarbeiter ihr geballtes Fach- und Erfahrungswissen einbringen, können IT-Projekte erfolgreich umgesetzt werden.

Konkretes Zielbild definieren

Damit die Nutzung von Tools in der Steuerfunktion gelingen kann, braucht es daher Erfahrung und gezielte Steuerung sowie ein begleitendes Change Management über den gesamten Projektverlauf. Dies beginnt schon weit vor der Umsetzung der eigentlichen Lösung durch Identifikation der relevanten Prozesse. Hier sollten bereits relevante Stakeholder involviert werden, um das konkrete Zielbild zu definieren und die zu automatisierenden Istprozesse in allen Details zu verstehen sowie auf ihr Optimierungspotenzial zu überprüfen. Bei der Formulierung der Anforderungen an das jeweilige Tool sollten auch Vorgaben aus Datenschutz, Informationssicherheit und IT berücksichtigt werden. In der eigentlichen Umsetzungsphase müssen unter anderem die Datenqualität, die Integration von verschiedenen Datenquellen und Lösungen sowie die Konfiguration der IT-Lösung an den spezifischen Anwendungsfall sichergestellt werden.

Review und Monitoring

Auch wenn die IT-Lösungen erfolgreich implementiert worden sind, hört die menschliche Arbeit nicht auf. Bei der Automatisierung wiederkehrender Aufgaben ist es vor allem entscheidend, eine gleichbleibende Qualität der Input-Daten sicherzustellen und die Ergebnisse des automatisierten Prozesses kontinuierlich mittels Plausibilitätschecks zu überwachen beziehungsweise vor der Weiterverwendung final zu überprüfen. Bei KI-basierten Assistenzfunktionen ist die Überprüfung mindestens ebenso bedeutend. Die Fähigkeit der aktuellen KI-basierten Sprachmodelle (auch Large Language Models genannt) wie ChatGPT, in menschlicher Sprache zu interagieren, kann leicht darüber hinwegtäuschen, dass die Antworten fehlerhaft sein können. Bei bestimmten Anwendungsfällen halluzinieren manche Sprachmodelle. Sie antworten mit vermeintlichen Fakten, die völlig frei erfunden sind. Eine kritische Prüfung der Arbeitsergebnisse durch Fachexperten zur Qualitätssicherung ist daher unerlässlich. Eine weitere laufende Aufgabe bei der Nutzung von Sprachmodellen ist die kontinuierliche Optimierung der Prompts, also der Fragen beziehungsweise Aufforderungen, die dem Sprachmodell für die Bearbeitung des jeweiligen Tasks vom Nutzer mitgegeben werden. Hierzu gehört es nicht nur, die Aufgaben oder Fragen möglichst optimal zu formulieren. Bei der Kombination von Sprachmodellen mit vorgegebenen Dokumenten umfasst dies auch eine kontinuierliche Prüfung, ob in den Prompts noch die aktuellen, für die Aufgabenstellung relevanten Dateien hinterlegt sind.

Den Datenschutz im Blick

Besonders wichtig in diesem Kontext ist es, sich der Begrenzung frei verfügbarer kommerzieller Tools hinsichtlich Ergebnisqualität sowie Datenschutz und -sicherheit bewusst zu sein. Für eine sichere, nachhaltige Enterprise-Nutzung ist eine gezielte Technologie-Auswahl unter Beachtung der spezifischen Vorgaben und Rahmenbedingungen, etwa aus der Sicht des Datenschutzes, der Datensicherheit und IT sowie der gewünschten Anwendungsfälle, unumgänglich. Zudem ist es essenziell, sämtliche Antworten stets einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Besondere Anforderungen bei KI-Projekten

Bei der Umsetzung von Projekten, die eine KI-basierte (Teil-) Automatisierung zur Aufgabe haben, gelten besondere Anforderungen, insbesondere wenn sie auf Sprachmodellen basieren. Der Einsatz KI-basierter Sprachmodelle im Steuerbereich befindet sich derzeit noch im Anfangsstadium, ausgelöst durch den Hype um ChatGPT von OpenAI sowie die in dessen Fahrwasser inzwischen in großer Anzahl veröffentlichten weiteren Sprachmodelle. Der große Nutzen für den Steuerbereich liegt darin, unternehmensspezifisches Wissen beziehungsweise Daten in Textform besser nutzbar zu machen. Hierfür werden die Fähigkeiten von Sprachmodellen, Texte zu verarbeiten und in menschlicher Sprache zu antworten, mit eigenen Dokumenten kombiniert. Häufige Beispiele für erste Anwendungsfälle von Sprachmodellen im Steuerbereich sind

  • die Unterstützung bei der Beantwortung wiederkehrender Fragen zu ähnlichen Themen, unter anderem im Bereich Umsatz- und Lohnsteuer, durch die Kombination bisheriger Antworten mit den relevanten Rechtsgrundlagen,
  • die Erstellung von Reports, wenn verschiedene Quellen zu einem Text zusammengebracht werden müssen, und
  • das Befragen von Dokumenten, wie etwa Verträgen oder BMF-Schreiben, nach inhaltlichen Details oder Konsistenzchecks, beispielsweise für die Kommunikation mit der Finanzverwaltung.

Anders als bei Automatisierungsprojekten, die auf konkreten Regeln basieren, bilden bei der Nutzung von KI-basierten Sprachmodellen häufig nicht genau spezifizierte Dateien die Datenbasis, wobei sich das Modell aus einem Pool von Dokumenten bedient. Vor dem Hintergrund sich schnell ändernder regulatorischer Vorschriften spielt das Thema Data Governance eine erhebliche Rolle bei solchen Projekten. Es muss stets sichergestellt sein, dass das Sprachmodell bei der Beantwortung von Fragen nur aktuelle Quellen verwendet und Veraltetes ignoriert. Um dem Nutzer mehr Kontrolle zu geben, sollte Lösungen der Vorzug gegeben werden, die dem Nutzer neben der Antwort auch die verwendeten Quellen anzeigen.

Fazit und Ausblick

Die Automatisierung von (Teil-)Prozessen erfordert eine zielgerichtete Projektsteuerung unter Einbindung von Stakeholdern verschiedener Abteilungen. Nach der Implementierung muss die Lösung stetig überwacht und die Datenqualität gesichert werden. Auch wenn sie von alleine läuft, bleiben Plausibilitätschecks, das Monitoring der Lösungen und Datenquellen sowie eine kritische Prüfung der Vorschläge von Assistenzsystemen durch die Mitarbeiter unerlässlich. Kapazitätsengpässe in der unternehmerischen Steuerfunktion führen daher häufig dazu, dass die tatsächliche Umsetzung hinter den aktuellen technologischen Möglichkeiten zurückbleibt. Hier können eine Beratung, die Bereitstellung von Kapazitäten und Erfahrungsaustausch über die Umsetzung von IT-Projekten in der Steuerfunktion helfen.

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Zu den Autoren

MB
Michel Braun

Steuerberater sowie Partner im Bereich WTS Digital, Transfer Pricing & AI bei der WTS Group am Standort Düsseldorf

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JK
Dr. Jenny Köppe-Karkutsch

Senior Manager im Bereich WTS Digital, Transfer Pricing & AI bei der WTS Group am Standort Nürnberg

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