KI im DATEV-Service - 28. September 2023

„1.000-Dollar-Info auf dem Silbertablett“

Für den Kundensupport von DATEV kann ein intelligenter Sprachassistent enorm hilfreich sein – wenn er schnell, knapp und präzise die Fragen der Anwender beantworten kann.

Alexa, brauche ich heute einen Regenschirm? Eine Frage, die Amazons Sprachassistentin in den letzten Jahren zigtausende Male beantwortet hat, ohne je die Contenance zu verlieren. Mir jedenfalls gibt sie freundlich Auskunft: „Wahrscheinlich wird es heute nicht regnen. Es besteht nur eine 20-prozentige Wahrscheinlichkeit um 14 Uhr.“
So banal diese Frage auch klingt, Alexa benötigt für ihre Antwort jede Menge Daten. Sie muss erkennen, dass die Frage nach dem Schirm verklausuliert ist und ich eigentlich wissen will, wie das Wetter wird, speziell, ob es Niederschläge gibt. Dazu kommen Kontextinformationen über meinen Standort und die Interpretation, dass heute den aktuellen Tag im Kalender meint, allerdings nicht den bereits verstrichenen Vormittag.
Um diese Aufgaben zu erfüllen, arbeiten Alexa und ihre digitalen Kollegen mit künstlicher Intelligenz (KI) – ebenso wie ChatGPT. Mit diesem Chatbot der US-Firma OpenAI wurde Ende 2022 der breiten Öffentlichkeit eine Technologie vorgestellt, die unser Verständnis von künstlicher Intelligenz gegenwärtig revolutioniert.

Künstliche Intelligenz im DATEV-Service

Bei Fragen und Problemen schnell Antworten und Hilfe erhalten – ein Dauerbrenner für DATEV-Anwenderinnen und -Anwender und zunehmend wichtig bei steigendem Termindruck und Fachkräftemangel in den Kanzleien. Deshalb beschäftigen wir uns bei DATEV beständig mit Verbesserungen in unserem Service. Ein vielversprechender Ansatz sind Sprachassistenten, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten. Im Service sollen sie natürlichsprachliche Fragen von Anwendern analysieren und schnell und präzise beantworten, so der Plan.
Sehr viele Anfragen von DATEV-Anwendern können bereits heute über das DATEV Hilfe-Center geklärt werden. Die Herausforderung dabei ist häufig, in der Fülle der Dokumente das richtige zu finden – und in den mitunter umfangreichen Dokumenten diese eine Passage mit der hilfreichen Information.
Dabei setzt DATEV bereits seit 2017 für die Suche im Hilfe-Center eine per maschinellem Lernen trainierte KI ein. Dr. Irene Speyerer, Fachberaterin bei DATEV, erklärt: „Wir lernen mit jeder Suche dazu, die KI funktioniert so mit der Zeit immer besser. Deshalb sind die Experten, die Sie im persönlichen Kundensupport erreichen, ganz bewusst dieselben, die auch Hilfetexte verfassen und die Suchergebnisse optimieren. Es kann also durchaus vorkommen, dass ein Anwender bei seinem Anruf genau den Autor am Telefon hat, dessen Dokument er zuvor gelesen hat.“
Allerdings gibt es grundsätzliche, systemimmanente Grenzen des Systems. Wird beispielsweise eine Frage unkonkret gestellt, findet die KI zwar meist trotzdem das passende Dokument, platziert es allerdings oft nicht an den Anfang der Trefferliste „Viele Anwender öffnen Dokumente gar nicht, die nicht unter den ersten fünf Treffern zu finden sind“, so die Expertin. Ein KI-gestützter Sprachassistent könnte in diesen Fällen nachhaken, die Frage präzisieren und einen passgenauen Treffer liefern, ähnlich einem menschlichen Servicemitarbeiter. Ein weiterer Vorteil: Wenn die KI das passende Dokument sozusagen schon vor Augen hat, könnte sie auch gleich die relevante Passage aus dem Dokument für den Anwender extrahieren und ausgeben, auf Wunsch auch mit freundlicher Stimme per Audio. Das würde nicht nur sehbehinderten Anwendern einen einfacheren Zugang zu den Selbsthilfen ermöglichen; ein derart optimierter digitaler Rund-um-die-Uhr-Service käme allen Anwendern zugute.
Auch beim Anruf im Kundenservice kann die KI unterstützen, indem sie notwendige Formalismen, wie Beraternummer, Service-TAN oder Problemstellung bereits vor dem eigentlichen Gespräch abfragt. „Der Servicemitarbeiter kann sich damit im Gespräch auf die fachlichen Inhalte konzentrieren, ohne dass die Erreichbarkeit leidet“, so Dr. Irene Speyerer. Das alles ist weit mehr als eine ferne Fantasie. Ein, zugegeben funktional noch eingeschränkter, Prototyp des DATEV-Sprachassistenten wird zurzeit intern und extern verprobt – mit bisher sehr positiven Rückmeldungen wie „Im Vergleich zu anderen Sprachassistenten war der hier sehr gut“ und „Assistenten haben Potenzial, das ist die Zukunft“.

KI und große Sprachmodelle kurz erklärt

Um zu verstehen, wie der DATEV-Sprachassistent funktioniert, sind einige Begriffe wichtig:

  • Automatisierung bedeutet, dass ein festgelegter Arbeits- oder Produktionsprozess ohne das Eingreifen eines Menschen abläuft.
  • Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren.
  • Maschinelles Lernen ist ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz. Durch das Erkennen von Mustern in Datenbeständen können IT-Systeme eigenständig Lösungen für Probleme finden. Die Systeme müssen für jedes einzelne Problem trainiert werden.
  • Große Sprachmodelle (Large Language Models LLM) können natürliche Sprache verstehen und wiedergeben. LLM werden mit gewaltigen Datenmengen trainiert und benutzen selbstüberwachtes Lernen, um den nächsten Teil eines Satzes unter Berücksichtigung des Kontexts vorherzusagen. LLM haben sich in den letzten Jahren zu leistungsstarken Werkzeugen entwickelt und revolutionieren unser Verständnis von künstlicher Intelligenz. Der derzeit bekannteste Vertreter ist ChatGPT.
  • Sprachassistenten sind KI-gesteuerte, natürlichsprachliche Dialogsysteme, die Anfragen von Anwendern verstehen, analysieren und beantworten. Sie verstehen gesprochene Sprache und geben sie selbst mittels eines Text-to-Speech-Systems aus

DATEV-Sprachassistent der Zukunft

Ein Bücherregal voller Bücher.

So könnte der DATEV-Sprachassistent eines Tages aus Anwendersicht funktionieren: Der Anwender stellt eine natürlichsprachliche Frage, per Texteingabe oder einfach, indem er mit dem Assistenten spricht. Ein große Sprachmodell (LLM) analysiert die Frage des Anwenders und fragt gegebenenfalls nach. Ist die Problemstellung geklärt, sucht das LLM in allen verfügbaren Quellen wie Hilfe-Center, LEXinform oder internen Datenbanken nach den passenden Informationen und beantwortet die Frage. Ein Text-to-Speech-System (TTS) wandelt anschließend den gefundenen Text in gesprochene Sprache um und gibt ihn per Audio aus. Damit Nutzer die Sprachausgabe akzeptieren, muss die Stimme möglichst natürlich klingen. DATEV-KI-Experte Thomas Geiger sagt: „Unsere aktuell eingesetzte Stimme klingt schon sehr menschlich und empathisch. Wir haben ihr auch beigebracht, DATEV-spezifische Begriffe korrekt auszusprechen, was andere künstliche Stimmen so nicht können.“
Ist die Sprachassistenz nicht in der Lage, die Anfrage selbst zu beantworten, gibt sie die Anfrage an einen menschlichen Mitarbeiter weiter. Die Erkenntnisse des Servicemitarbeiters fließen wieder an die KI zurück, die dabei laufend dazulernt. Entscheidend für den Erfolg des Sprachassistenten ist die Auswahl des passenden großen Sprachmodells. Für DATEV selbstverständlich muss der Datenschutz jederzeit gewährleistet sein. Daneben müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein. „Eine Blackbox-Lösung wie ChatGPT kommt für uns nicht infrage“, betont Thomas Geiger. „Vielmehr brauchen wir eine sogenannte Explainable Artificial Intelligence, also eine erklärbare, verlässliche KI, deren Entscheidungen und Empfehlungen für uns jederzeit nachvollziehbar sind. Nur so können wir potenzielle Fehler oder Ungenauigkeiten erkennen und beheben und damit Vertrauen in die Technik gewinnen.“ An dieser Verlässlichkeit hängt Wohl und Wehe des Sprachassistenten.

Erste Versionen im Test

Erste Versionen des DATEV-Sprachassistenten werden derzeit mit internen und externen Anwendern verprobt. Der Assistent kann einfache Daten wie Beraternummer, Service-TAN oder Problemstellung abfragen und für die Servicemitarbeiter vorbelegen. Das tut er sehr zuverlässig. Auch Stimme und Sprechgeschwindigkeit des Sprachassistenten wurden von den Teilnehmern der Verprobung positiv bewertet: „Der Assistent hat eine angenehme, menschlich anmutende Stimme“. Der eine oder andere wünscht sich dennoch eine gewisse Individualisierung: „Da fehlt der fränkische Akzent.“
Weit oben auf unserer To-do-Liste steht der häufig genannte Wunsch, der Assistent möge kurz und präzise auf den passenden Abschnitt im passenden Hilfedokument verweisen. Ein Teilnehmer drückte das sehr anschaulich aus: „Ich möchte die 1.000-Dollar-Info auf dem Silbertablett“, sagte er. Zudem könnte der Sprachassistent unter anderem künftig Anfragen zum Versandstatus beantworten und an das Störungsmanagement angebunden werden.

Kundenservice als spezielle Herausforderung

Die generative KI wird den Arbeitsalltag vieler Menschen künftig enorm erleichtern. „Im Kundenservice können wir eine solche Unterstützung gut gebrauchen“, meint Dr. Irene Speyerer und bezieht sich dabei auch auf ihre Kollegen aus dem Service. Die sind von Anfang an eingebunden, ebenso wie die Anwender. So können alle Beteiligten sicher sein, dass KI im DATEV-Kundenservice sozial und menschenzentriert eingesetzt wird.

Zum Autor

Klaus Meier

Redaktion DATEV magazin

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