Existenzgründungen - 27. Juli 2023

Freie Berufe als Spitzenreiter

Im Vergleich zum gewerblichen Bereich haben die Freien Berufe nach erfolgter Gründung eine deutlich höhere Bestandsfestigkeit. Dies belegen valide Studien und Statistiken.

Im Jahr 2022 haben bei den Freien Berufen 5 Prozent mehr Gründerinnen und Gründer ihre Existenz gestartet als im Vorjahr. Dagegen stagnierten die Gründungsaktivitäten im gewerblichen Bereich (-0,3 Prozent) und bei den Land- und Forstwirten nahmen sie sogar ab (-6,5 Prozent). Durch den Anstieg bei den freiberuflichen Gründungen stieg die Anzahl der Existenzgründungen insgesamt leicht auf rund 339.000 an. Gleichwohl ist damit noch nicht das Niveau vor der Corona-Pandemie (366.000) erreicht. Und dennoch, die großen Unsicherheiten im Jahr 2022 als Folge vor allem des Ukrainekriegs haben sich nicht negativ auf das Gründungsgeschehen insgesamt ausgewirkt.

Existenzgründungen 2022

Die Gesamtstatistik des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn zu den Existenzgründungen umfasst alle steuerrechtlich selbstständigen Tätigkeiten von Personen. Im Gegensatz zur Gründungsstatistik des Statistischen Bundesamts bezieht sie neben den gewerblichen Existenzgründungen auch die Gründungen im Bereich der Land- und Forstwirte sowie bei den Freiberuflern mit ein. Mit Blick auf die Existenzgründungsintensität – Anzahl der Gründungen je 10.000 Personen im erwerbsfähigen Alter – steht Berlin weiterhin auf dem ersten Platz, gefolgt von Hamburg. In beiden Stadtstaaten erfolgten im Jahr 2022 sowohl die meisten gewerblichen als auch freiberuflichen Gründungen. Insgesamt ist die Existenzgründungsintensität bei den Freiberuflern (Gründungen pro 10.000 erwerbsfähige Einwohner) im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen: Sie liegt bei 18,2 Prozent (2021: 17,3 Prozent). Allerdings ist der Anstieg für die Freien Berufe zunehmend mit Wachstumsschmerzen verbunden, da der Fachkräftebedarf immer spürbarer zum limitierenden Faktor wird. Der Bundesverband der Freien Berufe e. V. (BFB) sieht daher die Fachkräftesicherung als eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte an.

Erkennbarer Trend

Seit etlichen Jahren verschiebt sich die Struktur der Existenzgründungen zugunsten der nichtgewerblichen Tätigkeiten. Freiberufliche Existenzgründungen hatten im Jahr 2022 einen Anteil an allen Existenzgründungen von 27,4 Prozent (2018: 24,6 Prozent) und die von Land- und Forstwirten einen von 2,2 Prozent (2018: 1,8 Prozent). Der Anteil der Gewerbetreibenden sank auf 70,4 Prozent (2018: 73,5 Prozent). Besonders der Anteil der freiberuflichen Gründungen nimmt also stetig zu. Nicht zuletzt aus diesem Grund war es spannend zu hinterfragen, wie hoch die Überlebensrate von freiberuflichen Gründungen im Vergleich zu gewerblichen Unternehmen ist. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dabei die im Vergleich zu gewerblichen Gründungen höhere Bestandsfestigkeit von freiberuflichen Gründungen sehr positiv – insbesondere, wenn sie von Anfang an Beschäftigte haben.

Freie Berufe sind bestandsfester

Von 100 im Jahr 2015 neu gegründeten Unternehmen mit mindestens einem abhängig Beschäftigten waren bei den Freien Berufen 2020 noch 57,7 Unternehmen am Markt – bei den Gründungen in der Gesamtwirtschaft hingegen nur
46,6 Betriebe. Am meisten bestandsfest erwiesen sich die freiberuflichen Gründungen mit Beschäftigten in der Heilkunde (69,4 Unternehmen), gefolgt vom technisch-naturwissenschaftlichen (53,3 Betriebe) sowie dem rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Bereich (52,5 Unternehmen). Nur im kulturellen Sektor lagen die freiberuflichen Gründungen mit einem Wert von 38 Betrieben unter dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Überlebenswahrscheinlichkeit von Gründungen in den Freien Berufen“, die das IfM Bonn im Auftrag des BFB erstellt hat.

Aufbau der Studie

Die Kennziffern der Studie entstammen dem Unternehmensregister des Statistischen Bundesamts. Entlang der verfügbaren Datentiefe sind freiberuflich geprägte Wirtschaftszweige abgebildet und werden mit der Gesamtwirtschaft verglichen. Erhoben wurden Kernaussagen zu Gründungen aus 2015. Dabei wurde betrachtet, wie viele Unternehmen nach ein, zwei, drei, vier und fünf Jahren noch bestehen. Die Vergleiche wurden aufbereitet für Unternehmen ohne abhängig Beschäftigte im Gründungsjahr sowie für Unternehmen mit mindestens einem abhängig Beschäftigten im Jahr der Gründung.

Fazit und Ausblick

Die Überlebenswahrscheinlichkeit ist ein wesentlicher Indikator für die Nachhaltigkeit von Unternehmensgründungen. Hier ragen die Freien Berufe heraus: Gründungen von Freiberuflern haben eine überdurchschnittlich hohe Überlebenswahrscheinlichkeit (57,7 Betriebe). Deutlich mehr als die Hälfte derartiger Unternehmen mit zumindest einem abhängig Beschäftigten sind nach fünf Jahren noch am Markt. Das ist ein Vorsprung von rund elf Unternehmen auf die Gründungen in der Gesamtwirtschaft. Dieser Wert untermauert insbesondere, dass Freiberufler verlässliche Arbeitgeber sind. Für das laufende Jahr erwartet das IfM Bonn tendenziell einen leichten Rückgang der Gründungsaktivitäten im Vergleich zum Vorjahr. Aufgrund der Unsicherheiten infolge des Kriegs in der Ukraine, der Preissteigerungen sowie der Inflation lässt sich aktuell aber noch nicht abschätzen, wie sich die Gründungszahlen in diesem Jahr entwickeln werden. Schon jetzt ist jedoch absehbar, dass die Nachfrage im Baugewerbe sinkt, was die Gründungsbereitschaft in dieser Branche schwächen dürfte.

Zu den Autoren

RK
Dr. Rosemarie Kay

Stellvertretende Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn

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PK
Petra Kleining

Mitglied der Geschäftsführung – Kommunikation des Bundesverbands der Freien Berufe e. V. (BFB) in Berlin

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