Generation 60 plus - 25. Mai 2023

Auf die Alten setzen

Ältere Beschäftigte wertzuschätzen und im Betrieb zu halten, kann Unternehmen stärken und das Problem des Fach- und Arbeitskräftemangels zumindest teilweise kompensieren.

Der demografische Wandel ist schon lange kein abstraktes Phänomen mehr, sondern zeigt sich auch darin, dass Unternehmen – unterschiedlich stark – offene Stellen nicht besetzen können. Dieser viel zitierte Fach- beziehungsweise Arbeitskräftemangel ist ein Grund, warum aktuell intensiv darüber diskutiert wird, ältere Beschäftigte möglichst lange im Unternehmen zu halten. Denn selbige zeichnen sich oft durch eine ausgeprägte Arbeitsmoral sowie kommunikative Fähigkeiten und ein hohes Qualitätsbewusstsein aus. Auch die Lernbereitschaft wird keineswegs nur jüngeren Menschen zugeschrieben. Daher sind Unternehmen gut beraten, in die Weiterbildung ihrer Belegschaft zu investieren, unabhängig vom Alter der Beschäftigten.

Alt sein im wissenschaftlichen Kontext

Die körperliche Leistungsfähigkeit erreicht etwa bis zum 25. Lebensjahr ihr Maximum. Untersuchungen zeigen aber, dass Leistungseinbußen im mittleren Lebensalter vor allem mit einer inaktiven Lebensweise und nicht mit biologischen Prozessen zusammenhängen. Bei der kognitiven Leistungsfähigkeit wird unterschieden zwischen der sogenannten kristallinen und der fluiden Intelligenz. Kristalline Leistungen hängen von Übung und Bildung ab. Fluide Intelligenz steht mit inhaltsübergreifenden kognitiven Funktionen in Verbindung, wie etwa Wortflüssigkeit oder Auffassungsgeschwindigkeit, die beispielsweise zum logischen Denken und zum Lösen neuartiger Problemstellungen verhelfen. Fluide Intelligenz ist unabhängig von bereits bestehendem Wissen und geht ab dem dritten Lebensjahrzehnt zurück. Die kristalline Intelligenz hingegen bleibt bis in das hohe Erwachsenenalter stabil.

Kompensationsmodell

Bis in die 1990er-Jahre wurde Altern vornehmlich mit Abbau und Verfall gleichgesetzt. Beim sogenannten Kompensationsmodell des Alterns steht jedoch der Wandel von Fähigkeiten im Laufe des Lebens im Vordergrund. Einige Fähigkeiten verschlechtern sich, andere bleiben gleich und wieder andere können sich während des Alterns verbessern. Abnehmende Fähigkeiten können durch die Ausbildung beziehungsweise die Erweiterung anderer Fähigkeiten kompensiert werden. Eine zentrale Erkenntnis der heutigen Alternsforschung ist, dass Menschen unterschiedlich altern – die interindividuelle Spanne zwischen gleichaltrigen Menschen ist groß. Wie wir altern, hängt dabei nicht nur von unseren Erbanlagen ab, sondern auch von unserer Lebensweise. Wichtig ist vor allem, die grauen Zellen und den Körper fit zu halten und auf eine gesundheitsbewusste Lebensführung zu achten.

Veränderte Personalpolitik

Arbeitgeber sollten frühzeitig berücksichtigen, dass Beschäftigte irgendwann das Unternehmen verlassen und wertvolles Wissen mitnehmen. Eine Altersstruktur- und Qualifikationsbedarfsanalyse kann hier wichtige Informationen liefern, um frühzeitig und systematisch die Nachfolgeplanung anzugehen und Wissensverluste zu vermeiden. Generell ist ein ganzheitlicher Ansatz sinnvoll, der nicht nur die ältere Belegschaft berücksichtigt, sondern die Beschäftigten von der Ausbildung bis zur Rente mit ihren unterschiedlichen beruflichen und privaten Stationen betrachtet. Lebensphasenorientierte Personalpolitik ist hier das Stichwort. Idealerweise gestalten Unternehmen die Arbeitsbedingungen so, dass sie für alle Beschäftigten förderlich sind. Kleine Schritte können auch dazu beitragen, die Beschäftigten lange gesund und motiviert im Unternehmen zu halten. Denn ältere Beschäftigte verfügen über wertvolles unternehmensspezifisches Wissen und können Jüngeren aufgrund ihrer (Lebens-)Erfahrung unterstützend zur Seite stehen.

Die Mischung macht’s

Man sollte jüngere und ältere Beschäftigte zusammenarbeiten und voneinander profitieren lassen. Durch diese Form der Zusammenarbeit kann das wertvolle Wissen der älteren Beschäftigten an die jüngeren Kolleginnen und Kollegen im täglichen Miteinander weitergegeben werden. Der Umgang mit digitalen Technologien ist sicher ein prägender Aspekt der heutigen und zukünftigen Arbeitswelt. Ältere Beschäftigte gehören aber auch hier nicht zum alten Eisen, denn die meisten verfügen über mobile Endgeräte, die sie schon länger privat nutzen, sodass der Umgang mit mobilen Endgeräten im betrieblichen Kontext auch nicht schwerfallen dürfte. Eine wertschätzende und vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre trägt dazu bei, mögliche Schwierigkeiten und Vorbehalte gegenüber neuen Technologien anzusprechen und ältere Beschäftigte dadurch zu unterstützen. Hier sind vor allem die Führungskräfte gefordert, für ein wertschätzendes und vorurteilsfreies Miteinander zu sorgen.

Maßnahmen

Die Arbeitsumgebung sollte generell so gestaltet werden, dass ein konzentriertes Arbeiten möglich ist. Für ältere Beschäftigte gilt dies in besonderem Maße, denn Unterbrechungen und Störungen beeinträchtigen sie in der Regel stärker, als dies bei jüngeren Beschäftigten der Fall ist. Die Berücksichtigung ergonomischer Aspekte bei der Arbeitsplatzgestaltung ist nicht nur sinnvoll, sondern zum Teil auch in den technischen Regeln für Arbeitsstätten geregelt. Zudem können Unternehmen Maßnahmen anbieten, die dem gesundheitsfördernden Verhalten der Beschäftigten dienen. Dazu gehören Ruhezonen sowie Angebote zum Stressmanagement, zur Ernährung, Bewegung und zum Zeitmanagement. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnt es sich ebenfalls, in die Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung zu investieren, denn so können auch krankheitsbedingte Fehlzeiten und damit verbundene Kosten gesenkt werden.

Fazit

Arbeitgeber, die sich Gesundheit und Wertschätzung auf die Fahnen schreiben, können dazu beitragen, Beschäftigte lange fit und motiviert im Unternehmen zu halten. Angebote, die altersunabhängig für die Beschäftigten interessant sind, tragen dazu bei, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Die Angebote und Hilfestellungen seitens der Betriebe können und sollen aber nicht die Bedeutung für eigenverantwortliches Handeln verringern.

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Zur Autorin

CS
Dr. Catharina Stahn

Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa) in Düsseldorf

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