EU-Recht - 21. März 2024

Kommission legt Aktionsplan zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels vor

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 20.03.2024

Die Kommission hat heute einen Aktionsplan zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels vorgelegt und vorgeschlagen, diesem Problem in den nächsten Monaten und Jahren gemeinsam mit Mitgliedstaaten und Sozialpartnern zu begegnen. Der Aktionsplan ist Teil der Strategie der EU zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Stärkung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Krisenfestigkeit.

Seit fast einem Jahrzehnt ist der Arbeits- und Fachkräftemangel in allen Mitgliedstaaten zunehmend spürbar. Gründe dafür sind der demografische Wandel, die Nachfrage nach neuen Kompetenzen im Zusammenhang mit technologischen Entwicklungen und dem grünen und dem digitalen Wandel, das Bestreben, unsere eigenen Industrien weiterzuentwickeln, Verteidigungs- und Sicherheitsbedürfnisse sowie Herausforderungen bezüglich der Arbeitsbedingungen bestimmter Sektoren und Standorte. Die Kommission hat 42 „Mangelberufe“ ermittelt, wobei es zwischen den Mitgliedstaaten einige Unterschiede gibt.

Der Aktionsplan ist auch ein wichtiges Ergebnis des Europäischen Jahres der Kompetenzen. Er baut auf den zahlreichen, bereits auf EU-Ebene existierenden politischen und finanziellen Maßnahmen auf, wie beispielsweise dem Kompetenzpakt, dank dem bisher 3,5 Millionen Arbeitnehmer/innen weitergebildet wurden, sowie auf den beim Sozialgipfel von Porto gebilligten Beschäftigungs- und Fortbildungszielen für 2030, den Richtlinien über angemessene Mindestlöhne und Plattformarbeit sowie 65 Mrd. EUR an EU-Mitteln, die für Investitionen in Kompetenzen zur Verfügung stehen.

Der Aktionsplan ist eine Folgemaßnahme des Gipfels der Sozialpartner von Val Duchesse vom Januar 2024. Die Kommission hat ihn gemeinsam mit den Sozialpartnern ausgearbeitet, denen bei der Umsetzung der Lösungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen eine entscheidende Rolle zukommt. Im Plan werden Maßnahmen in fünf Politikbereichen aufgezeigt, die möglichst bald auf Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner umgesetzt werden sollten:

  • Unterstützung der Aktivierung unterrepräsentierter Gruppen auf dem Arbeitsmarkt
  • Unterstützung von Kompetenzentwicklung sowie allgemeiner und beruflicher Bildung
  • Verbesserung der Arbeitsbedingungen in bestimmten Sektoren
  • Verbesserung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden innerhalb der EU auf einer gerechten Grundlage
  • Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern

Es ist wichtig, dem Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum in der EU zu fördern, die Chancen des grünen und des digitalen Wandels zu nutzen, unsere wirtschaftliche und soziale Krisenfestigkeit angesichts geopolitischer Verschiebungen zu stärken und ausreichende Finanzmittel für die Beschäftigungs- und Sozialpolitik bereitzustellen.

Maßnahmenbeispiele

Die Kommission wird

  • neue Projekte zur Null-Langzeitarbeitslosigkeit finanzieren,
  • neue Projekte zur Aktivierung und Aus-, Fort- und Weiterbildung junger Menschen, die weder arbeiten noch eine Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren (NEET), finanzieren,
  • mehr Exzellenzzentren für die berufliche Aus- und Weiterbildung kofinanzieren (mindestens 100 neue Zentren bis 2027),
  • neue Kompetenzpartnerschaften im Rahmen des Kompetenzpakts einrichten,
  • die Erfassung von Daten über aktuell und künftig benötigte Kompetenzen in enger Abstimmung mit den EU-Agenturen verbessern,
  • Strategien für den Umgang mit krankheitsbedingten Fehlzeiten analysieren, um bewährte Verfahren für Beschäftigte und Arbeitgeber zu ermitteln,
  • die Auswirkungen von Rentenreformen bewerten, mit denen mehr Möglichkeiten für einen flexiblen Renteneintritt und die Kombination von Renten- und Arbeitseinkommen eingeführt werden,
  • ein Peer-Review der nationalen Ansätze zum Umgang mit psychosozialen Risiken am Arbeitsplatz durchführen.

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert,

  • Lehr- und Ausbildungspläne zu überarbeiten, um sie besser auf den Bedarf des Arbeitsmarkts abzustimmen,
  • die Sozialleistungssysteme zu reformieren, um Nichterwerbstätigkeitsfallen abzuschaffen und arbeitsfähigen Personen bei der schrittweisen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu helfen,
  • Steuerreformen durchzuführen, um die Steuer- und Abgabenbelastung für Zweit- und Geringverdiener zu reduzieren,
  • die Digitalisierung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit weiter voranzutreiben, um die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf einer fairen Grundlage zu erleichtern,
  • die Ratsempfehlung „Europa in Bewegung – Lernmobilität für alle“ rasch anzunehmen und umzusetzen,
  • sich weiter an Fachkräftepartnerschaften zu beteiligen, um legale Migrationswege zu schaffen.

Die Sozialpartner beabsichtigen,

  • die Arbeitsbedingungen in Branchen mit unfairen Arbeitsbedingungen durch Kollektivverhandlungen zu verbessern,
  • zur Aktivierung unterrepräsentierter Gruppen und zu angemessenen Lösungen für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer/innen beizutragen,
  • Ausbildungen und Partnerschaften zwischen Berufsbildungseinrichtungen und Arbeitgebern zu fördern,
  • Pflegekräfte in den Bereichen personenzentrierte Pflege und Digitalisierung zu schulen,
  • branchenübergreifende Leitfäden zur Bekämpfung von Gewalt und Belästigung im Gesundheitswesen zu aktualisieren,
  • gemeinsam einen europäischen Rahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Berufskraftfahrer aus Drittländern auszuarbeiten,
  • mit ihrem Fachwissen zur Einrichtung des EU-Talentpools beizutragen, um Fachkräfte aus Drittländern anzuwerben.

Nächste Schritte

Die Kommission wird die Fortschritte bei der Umsetzung dieses Aktionsplans im Rahmen des Europäischen Semesters verfolgen. Außerdem wird sie die Mitgliedstaaten im Beschäftigungsausschuss und im Ausschuss für Sozialschutz auffordern, sich regelmäßig mit den europäischen und den nationalen Sozialpartnern über das Thema auszutauschen.

Hintergrund

Der Arbeits- und Fachkräftemangel dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten vor allem aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Nachfrage nach Arbeitskräften mit spezifischen Kompetenzen – z. B. im Zuge des digitalen und des ökologischen Wandels – weiter verschärfen. Fast zwei Drittel (63 %) der kleinen und mittleren Unternehmen gaben in einer kürzlich veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage an, dass ihnen die nötigen Fachkräfte fehlen. Bis 2030 werden allein in der Branche der erneuerbaren Energien voraussichtlich 3,5 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. Zudem hat die Kommission 42 Berufe ermittelt, die ihrer Ansicht nach EU-weit Mangelberufe sind. Gleichzeitig sind derzeit 21 % der 20- bis 64-Jährigen in der EU nicht erwerbstätig und benötigen gezielte Unterstützung für den (Wieder-)Eintritt in den Arbeitsmarkt.

Investitionen in die Kompetenzen der Menschen tragen dazu bei, den Arbeitskräftemangel zu reduzieren, den grünen und den digitalen Wandel zu bewältigen und die künftige Wettbewerbsfähigkeit Europas sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wurde 2024 zum Europäischen Jahr der Kompetenzen erklärt. Diese Initiative soll die Menschen beim Erwerb der erforderlichen Kompetenzen für hochwertige Arbeitsplätze und die Unternehmen bei der Bewältigung des Fachkräftemangels in der EU unterstützen.

Der Aktionsplan zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels ist ein weiterer konkreter Schritt in Richtung dieses Ziels. Er wurde beim Gipfeltreffen der Sozialpartner in Val Duchesse angekündigt, das von Präsidentin von der Leyen und dem belgischen EU-Ratsvorsitz am 31. Januar einberufen worden war. Mit diesem Aktionsplan löste die Präsidentin eine Zusage aus ihrer Rede zur Lage der Union 2023 ein. Der Aktionsplan baut auf verschiedenen Initiativen auf, die bereits auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaatsebene existieren. Auch die Sozialpartner wurden konsultiert. Außerdem umfasst der Plan Initiativen des Aktionsplans zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte, politische Leitlinien im Rahmen des Europäischen Semesters und finanzielle EU-Unterstützung. Die Umsetzung des Aktionsplans ist notwendig, um die Kernziele der EU für 2030 in den Bereichen Kompetenzen und Beschäftigung zu erreichen, wonach eine Beschäftigungsquote von 78 % der Erwerbsbevölkerung und die Teilnahme von mindestens 60 % der Erwachsenen an jährlichen Fortbildungen angestrebt werden.

Die EU investiert rund 65 Mrd. EUR in Kompetenzprogramme, vor allem über die Aufbau- und Resilienzfazilität und den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+).

Quelle: Europäische Union