Brüttings Blick: Über Irrwege in der Gleichstellungsdebatte - 26. Juni 2019

Sommermärchen gibt’s nicht aus der Retorte

Die Fußballweltmeisterschaft der Frauen, die aktuell in Frankreich stattfindet, bietet Gelegenheit, sich eines hochsensiblen Themas anzunehmen, bei dem zuweilen der Fokus zu verrutschen scheint.

In unserer neuen Kolumne „Brüttings Blick“ widmet sich unser Fachjournalist und Rechtsanwalt Robert Brütting kontroversen Themen aus Gesellschaft, Recht und Politik.

Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist ein gesellschaftspolitischer Auftrag, der bedauerlicherweise immer noch nicht abgeschlossen ist. Auf dem langen Weg von der Französischen Revolution (1789-1793), in dessen Zuge Frauen in unserem Nachbarland erstmals volle Bürgerrechte für Frauen, die Gleichstellung von Mann und Frau sowie das Frauenwahlrecht forderten, bis zur Weimarer Verfassung aus dem Jahre 1919, in der dann erstmals hierzulande verankert wurde, dass Männer und Frauen grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten haben, musste das zarte Geschlecht viel Widerstand überwinden beziehungsweise so manchen harten Kampf führen.

Seit 1949 steht nun auch im Grundgesetz, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, und am 1. Juli 1958 trat schließlich das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts in Kraft. So stellt sich die Frage, was sich in Sachen Gleichstellung tatsächlich getan hat, seit Artikel 3 Absatz 2 in unserer Verfassung steht. Ungeachtet nachweislicher Fortschritte besteht 70 Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes immer noch ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen gefühlter Gleichberechtigung und den tatsächlichen, strukturellen Rahmenbedingungen. Am deutlichsten zeigt sich das auf dem geschlechtsspezifisch segregierten Arbeitsmarkt. Trotz teils deutlich besserer Schulabschlüsse verdienen Frauen in Deutschland häufig immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen. Ein Lichtblick ist aber, dass sowohl bei der Anwaltschaft als auch dem steuerberatenden Beruf eine deutliche Zunahme weiblicher Berufsträger zu verzeichnen ist.

Es ist noch Luft nach oben

Bei den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen hingegen hat zwar die Anzahl der weiblichen Mitglieder zugenommen, jedoch berufen diese Gremien weiterhin nur ganz selten Frauen in den Vorstand ihrer Firmen. Diese Tendenz setzt sich auch auf dem Gebiet der Bundesverwaltung fort, denn wie eine Statistik des Familienministeriums belegt, wurden über zwei Drittel der Institutionen noch nie von einer Frau geführt. Bei DATEV sitzen übrigens zwei Frauen im Vorstand und vier im Aufsichtsrat.

Insgesamt besehen ergibt sich nach meinem Verständnis jedoch weiterhin ein medienpolitischer Auftrag, diesen unhaltbaren Zustand fehlender Gleichstellung permanent anzuprangern. Aber die Medien, speziell die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, scheinen nun anstelle von Wirtschaft und Verwaltung ein anderes Spielfeld entdeckt zu haben, um die Gleichstellung zwischen Mann und Frau künstlich zu puschen beziehungsweise hoch zu berichterstatten – Königin Fußball.

Beim Fußball scheiden sich die Geister

Und hier, Freunde der Sonne, hört der Spaß auf! Natürlich dürfen Frauen Fußball spielen, sollen es sogar, wenn sie wollen. Und sie tun es ja auch schon! Sie sind in Vereinen organisiert, sie spielen hierzulande als Profi in einer Bundesliga und verdienen im Schnitt knapp 40.000 Euro im Jahr (ohne Werbeeinnahmen) , wobei die Nationalspielerinnen natürlich über diesem Schnitt liegen. Bei sachlicher Betrachtung ist der Gleichstellung damit Genüge getan. Daher ist nicht einzusehen, dass ARD und ZDF im täglichen Wechsel in nahezu gleichem Umfang über das aktuelle Turnier in Frankreich berichten wie über eine Weltmeisterschaft im Männerfußball. Das Ballspiel der Männer ist eine über 150 Jahre alte, natürlich gewachsene Sportart, die im Laufe der Zeit allen anderen Sparten der Leibesertüchtigung in Sachen Popularität (leider) den Rang abgelaufen hat. Volle Stadien in der Bundesliga und natürlich auch international, wo die Spiele monatelang vor Turnierbeginn längst ausverkauft sind.

Anders verhält es sich bei den Damen. Hier schieden sich schon anlässlich der Heim-WM 2011 die Geister. Es fehle an Dynamik, Athletik und an der Schnelligkeit, argumentierten fachkundige Experten, teils hinter vorgehaltener Hand ob der Political Correctness, es wirke wie ein Pferderennen mit Eseln. Auch die Zuschauerzahlen sprechen nicht dafür, dass es sich beim Frauenfußball um eine rasant gewachsene Sportart handelt. Während bei den Männern die beiden führenden Vereine Bayern München und Borussia Dortmund seit Jahren einen Zuschauerschnitt von 75.000 beziehungsweise über 80.000 Besuchern verzeichnen, was praktisch bei jedem Spiel ausverkauft bedeutet, war bei den Frauen in der abgelaufenen Bundesligasaison der VfL Wolfsburg mit sage und schreibe 1.600 Besuchern im Schnitt der Klassenprimus.

Und bei der aktuellen WM in Frankreich? Beim Spiel der deutschen Damen gegen China war das Stadion zur Hälfte leer, beim Spiel der Schwedinnen gegen Thailand verliefen sich lediglich 9.000 Besucher in einer Arena mit einer Zuschauerkapazität von 35.000. Nach einer aktuellen Umfrage verfolgt fast jeder dritte Bundesbürger ein Damenfußballspiel im Stadion oder vor dem Fernseher eher selten, während 56 Prozent der Befragten ein Spiel der Frauen sogar nie anschauen. Daher ist es nur schwer nachzuvollziehen, dass es sich ARD und ZDF auf die Fahne geschrieben haben, ein Gender Pay Gap zu schließen, um bei den Damen in ähnlich wahnsinnige Sphären zu gelangen wie bei den Herren.

Es gibt noch keinen Markt für Frauenfußball

Der Frauenfußball hat weiterhin ein Akzeptanzproblem. Auch und wohl gerade deshalb, weil es politisch gewollt und medial unterstützt wird, dass Frauen ähnlich professionell Fußball spielen (sollen) wie Männer. Vor diesem Hintergrund ist es der falsche Weg, wenn man zu Pfingsten von der Mainzer Sendeanstalt gebührenpflichtig von 15:00 bis 20:00 Uhr in voller Länge mit den Fußballleckerbissen Brasilien gegen Jamaika beziehungsweise England gegen Schottland beglückt wird. Da ließ sich die ARD natürlich nicht zweimal bitten. Am Wochenende nach Pfingsten konnte man dort von 15:00 bis 20:00 Uhr die Klassiker Schweden gegen Thailand sowie USA gegen Chile genießen. Die Skepsis der Kritiker am Frauenfußball wird sich meiner Ansicht nach erst dann legen, wenn der DFB seine künstliche und offensichtliche PR-Maschinerie deutlich zurückfährt.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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