Künstliche Intelligenz - 25. April 2024

Innovation mit Anwenderfokus

Technische Entwicklungen spielen eine wichtige Rolle für Innovationen, doch noch wichtiger ist der klare Fokus auf den Nutzen. In künstlicher Intelligenz und ihren Möglichkeiten für den steuerberatenden Berufsstand steckt in dieser Hinsicht viel Potenzial.

Seit der Vorstellung von ChatGPT ist (generative) KI ein permanenter Hype und in der Medienlandschaft nahezu allgegenwärtig. Dabei hat künstliche Intelligenz bereits eine langjährige Entwicklung hinter sich. Zwar hat die Verfügbarkeit generativer KI in weiten Teilen der Gesellschaft einen breiten Aha-Effekt ausgelöst, aber unter der Haube kam KI-Technologie auch schon vorher gerade bei der Software-Nutzung zum Einsatz. So kann mittels KI die Effizienz vieler Lösungen verbessert werden, indem Erkennungsquoten bestimmter Informationen gesteigert, Anomalien aufgedeckt oder programmintern Prozesse überwacht werden und so auf Fehler hingewiesen wird.

Aufwand im Büroalltag verringern

Aber KI kann natürlich auch augenfälligere Entlastungen bringen – beispielsweise bei den Tätigkeiten, die Steuerberaterinnen und Steuerberater für die von ihnen betreuten Unternehmen erbringen. Ein konkretes, bereits existierendes Beispiel liefern etwa Automatisierungsservices. Mit dem Automatisierungsservice Rechnungen von DATEV ist es in den Kanzleien heute bereits möglich, sich einen Teil der Routinetätigkeit beim Buchen von Geschäftsvorfällen von der Maschine abnehmen zu lassen. Die hier verwendete KI erkennt den beteiligten Geschäftspartner und den Sachverhalt auf einem Belegbild und erstellt auf dieser Basis unter Einbezug der Buchungshistorie die passenden Buchungsvorschläge. Auch bei der Liquiditätsbetrachtung eines Unternehmens leistet KI bereits heute einen wertvollen Beitrag. Im DATEV Liquiditätsmonitor online wird aufsetzend auf der Analyse der tagaktuellen Bankdaten automatisiert die voraussichtliche Entwicklung der Liquidität in den kommenden Wochen prognostiziert. Ergänzt um bereits bekannte zukünftige Zahlungen kann der Steuerberater so über eine einfache Simulation ermitteln, wie sich zum Beispiel etwaige Forderungsausfälle oder Lieferantenverbindlichkeiten auf die Liquidität auswirken würden. Ein weiteres KI-basiertes Werkzeug unterstützt dabei, das marktübliche Gehalt für Mitarbeiter zu bestimmen, wobei Daten wie Berufserfahrung, Branche und Region einbezogen werden.

Generative KI im Dienst des Berufsstands

Getrieben durch die Fortschritte bei generativer KI geht auch hier die Entwicklung rasant weiter, und auch DATEV arbeitet an Lösungen für verschiedene Einsatzzwecke. In der seit Ende letzten Jahres verfügbaren KI-Werkstatt stellt die Genossenschaft den Mitgliedern entsprechende Prototypen über eine Online-Plattform bereit, damit sie in geschütztem Raum neuartige KI-Anwendungen testen und sich generell mit der Thematik auseinandersetzen können.
Zu den Werkzeugen, die dort derzeit ausprobiert werden können, zählt beispielsweise die Grundversion eines Einspruchsgenerators, der anhand weniger Eingaben automatisch einen Einspruch gegen einen Steuerbescheid formuliert. In einer späteren Ausbaustufe wird er dazu eingereichte Erklärungen und Bescheide analysieren, Abweichungen und einspruchsfähige Sachverhalte erkennen und diese mit Dokumenten zur Rechtslage aus der angeschlossenen Rechtsdatenbank DATEV LEXinform abgleichen. Als weitere Testversion ist dort DATEV-GPT verfügbar, also eine für die Anforderungen des Berufsstands spezifizierte Ausprägung von ChatGPT. Anders als bei der frei verfügbaren Version werden die gewohnten Funktionen für DATEV-Mitglieder in einem geschlossenen, datenschutzkonformen Rahmen nutzbar gemacht. Auch bei der Personalsuche wird KI künftig unterstützen. So kann in naher Zukunft ein intelligenter Assistent getestet werden, der auf Basis weniger Eingaben Stellenausschreibungen für vakante Positionen in der Kanzlei erstellt.
Ein weiteres DATEV-KI-Projekt ist ein intelligenter Chatbot für LEXinform. Er wird auf komplexe steuerfachliche Fragen antworten und so schrittweise bei der Wissensrecherche unterstützen. Dabei referenziert er auf die zugrunde liegenden Dokumente und begründet und belegt die Erkenntnisse mit entsprechenden Zitaten daraus. Diese bereits fortgeschrittenen Nutzungsszenarien zeigen sehr plastisch das Potenzial der Technik für weiter reichende Automatisierungen auf. Perspektivisch sind etwa auch Assistenzsysteme denkbar, die als autonomes Fernrohr einen permanenten Rundumblick über verfügbare Informationen liefern. Sie könnten den Menschen über relevante Veränderungen auf dem Laufenden halten und direkt Handlungsempfehlungen ableiten und vorschlagen – etwa für die Weiterentwicklung des Geschäfts.

Innovationsmanagement mit System

Damit solche Potenziale gehoben werden können, ist eine systematische Betrachtung der technischen Machbarkeiten vor dem Hintergrund der Anforderungen vonseiten der Anwender unerlässlich. Die Herausforderung liegt hier im Spagat, den Mitarbeitern einerseits genug Freiraum zum Ausprobieren zu lassen, ohne andererseits den letztendlichen Nutzen aus den Augen zu verlieren. Bei DATEV sind die einzelnen Aspekte des Innovationsprozesses verschiedenen Funktionen zugeordnet, die konzertiert ineinanderspielen. Eine Quelle kann der sogenannte Tech Trend Radar sein. Dort werden technische Trends identifiziert, analysiert, nach ihrem Potenzial verortet und priorisiert, sodass sich geeignete Aktivitäten ableiten lassen.
Daneben werden verschiedene Trends mit Potenzial für tiefgreifende Veränderungen im DATEV Innovation Lab entmystifiziert und Dinge in einer sehr frühen Phase ausprobiert. Dort haben Mitarbeiter in unterschiedlichen Formaten auch die Möglichkeit, abseits des Tagesgeschäfts Ideen zu erforschen und zu verproben.
Eine weitere Säule sind Forschungsprojekte und Kooperationen mit Forschungs- und Technologiepartnern. Sie erschließen Fachexpertise außerhalb des eigenen Hauses und bringen sie mit internen Fachbereichen zusammen. Nach dem Modell der kooperativen Forschung werden Fragen von wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen dabei mit Anforderungen und Kundenbedürfnissen verknüpft und münden in gemeinsamen Projekten.
Als Bindeglied für Innovationen aus dem DATEV Innovation Lab oder Forschungsprojekten in Richtung Produktangebot fungiert dann der Inkubator. Darin werden bestehende Produktideen auf Praxistauglichkeit getestet, wobei ein frühzeitiger Kundeneinbezug, der direkte Austausch mit der Entwicklung und ein externer Blick auf die Produkte im Mittelpunkt stehen. So werden fortgeschrittene Machbarkeitsstudien weiterentwickelt und auf Herz und Nieren geprüft. Interne KI-Experten des AI Office unterstützen die Machbarkeitsstudien bei Bedarf. Ergänzend dazu schafft das Innovationsmanagement Transparenz über die verschiedenen Aktivitäten bei DATEV und bietet vielfältige methodische Unterstützung an. Am Ende steht dann bestenfalls ein neues DATEV-Produkt – eine Innovation mit Mehrwert für die Mitglieder.

DATEV KI-Werkstatt für Genossenschaftsmitglieder

Zum Testen neuartiger KI-Anwendungen hat DATEV die KI-Werkstatt konzipiert. Exklusiv finden sich auf dieser Plattform frühe Prototypen für KI-Nutzungsszenarien im steuerberatenden, wirtschaftsprüfenden und rechtsberatenden Berufsstand. Interessierte können diese unverbindlich in diesem geschützten Umfeld ausprobieren und sich so mit der konkreten Nutzung der KI-Technologie auseinandersetzen.

Darüber hinaus können sie über ihr Feedback auch an der Weiterentwicklung der Prototypen mitwirken und auf der Plattform perspektivisch mit DATEV und anderen Anwendern diskutieren. Die in der DATEV KI-Werkstatt bereitgestellten Prototypen sind zwar noch nicht voll ausgereift, aber sie demonstrieren bereits sehr gut die Funktionsfähigkeiten im Kanzleialltag.

Die Plattform steht allen DATEV-Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung. Erreichbar ist sie unter www.datev.de/ki-werkstatt. Für den Zugriff müssen sich Interessierte lediglich mit ihrem bevorzugten DATEV-Anmeldeverfahren (SmartLogin, mIDentity, Benutzerkonto etc.) authentifizieren.

MEHR DAZU

finden Sie unter www.datev.de/ki

Zum Autor

Benedikt Leder

Redaktion DATEV magazin

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