Veränderungen - 26. Juni 2020

„DATEV hat eine sehr gute Stabilität“

Ein erfolgreiches DATEV-Jahr ging zu Ende und kündigte gleichzeitig einen turbulenten Start für 2020 an. Mit Diana Windmeißer, Chief Financial Officer der DATEV, sprachen wir über Erfolge und größere Veränderungen 2019 sowie wirtschaftliche Herausforderungen und Chancen für DATEV, den Berufsstand und die Wirtschaft im Corona-Jahr.

DATEV magazin: Das Jahr 2019 war ein ereignisreiches Jahr für DATEV. Mit welchem Fazit blicken Sie zurück?

DIANA WINDMEIßER: Tatsächlich mit Stolz. Zum einen, weil es wirtschaftlich ein erfolgreiches Jahr für DATEV, für unsere Kunden, Mitglieder und auch deren Mandanten war. Und zum anderen, weil es im Zeichen großer Veränderungen stand. Wir haben auf den zunehmend schnelleren Wandel im Marktumfeld reagiert und die digitale Transformation mit zukunftsfähigen Produkten und neuen Geschäftsmodellen vorangetrieben. Dabei haben wir auch umfangreiche Investitionen für eine gewinnbringende Zukunft getätigt. Gleichzeitig haben wir unsere Organisationsstruktur und Formen der Zusammenarbeit neu ausgerichtet, um dynamischer und flexibler auf neue Marktanforderungen reagieren zu ­können. Mich hat dabei sehr beeindruckt, dass DATEV die größten Veränderungen der letzten Jahrzehnte angestoßen und teilweise umgesetzt und gleichzeitig einen großen wirtschaftlichen Erfolg verzeichnet hat.

Wir haben die d­igitale Transformation mit zukunftsfähigen Produkten und neuen ­Geschäftsmodellen vorangetrieben.

Der Jahresabschluss wird von der Vertreterversammlung festgestellt – so war zumindest bisher das Vorgehen. Durch die Corona-Krise ist in diesem Jahr vieles anders und Versammlungen sind in dieser Form nicht möglich. Wie ist das Vorgehen in diesem Jahr?

Die Corona-Krise zwingt uns dazu, andere Wege zu gehen. Wir teilen mit anderen Unternehmen, gleich ob Genossenschaft oder Aktiengesellschaft, das Schicksal, dass wir den formalen Kriterien – sich physisch in einem Raum zu treffen – nicht nachkommen können, um den Jahresabschluss festzustellen. Die Bundesregierung musste also schnell Wege finden und hat deshalb im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der ­COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht Änderungen verabschiedet. Diese ermöglichen, dass die Feststellung des Jahresabschlusses auch durch den Aufsichtsrat ­erfolgen kann. Das erfolgt in einer Sitzung im Juli. Vorstand und Aufsichtsrat haben in ihren ­Sitzungen im Juni auch die Rückvergütung in Höhe von 45,4 Millionen Euro beschlossen. Im Herbst wird es dann eine Vertreterversammlung geben. In dieser Versammlung entscheiden die Vertreter über die Gewinnverwendung.

Welche Entwicklung erwarten Sie für das laufende Geschäfts­jahr 2020? Hat DATEV genug Rückhalt geschaffen, um die Auswirkungen des Corona-Jahrs abzufedern?

Wir sind wachsam und beobachten sehr genau, wie sich die Gesamtwirtschaft, die IT-Branche, der Berufsstand und auch die Geschäftsfelder unserer Kunden entwickeln. Dabei sehen wir, dass die Unternehmen, die sich auf digitale Geschäftsmodelle spezialisiert haben, Wachstumsraten verzeichnen oder nur leichte Auswirkungen der Krise spüren. Viele andere Unternehmen werden jedoch um ihre Existenz bangen müssen. Wenn die Mandanten unserer Mitglieder und Kunden Konjunktureinbrüche verzeichnen, kann das wiederum Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit der Kanzleien haben. Abhängig davon, wie sich unsere Mitglieder dazu aufstellen und wie hoch der jeweilige Anteil davon unser Portfolio betrifft, können sich diese Tendenzen verzögert auch auf DATEV auswirken. Seit Beginn der Krise sind die Steuerberater sehr intensiv damit beschäftigt, ihre Mandanten in allen gesetzlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen zu beraten und zu betreuen, wie etwa zu Kurzarbeitergeld, Förderanträgen, KfW-Darlehen und zur Liquiditätssicherung. Wir denken mögliche Szenarien durch, um bei Bedarf zügig reagieren zu können, aber welche tatsächlichen Auswirkungen die Krise im Ganzen für DATEV haben wird, lässt sich aktuell nur schwer bewerten. Durch die Ausgangsbeschränkungen verzeichnen wir zwar Ausfälle und Einnahmeverluste bei unseren Präsenzseminaren, gleichzeitig registrieren wir aber auch eine gestiegene Nachfrage bei unseren digitalen Angeboten. Dank der guten wirtschaftlichen Lage der letzten Jahre und unserer ausgewogenen Finanzierungsstruktur hat DATEV eine sehr gute Stabilität, was uns jetzt natürlich enorm hilft. Wir können ohne Aufregung und Hektik die weitere Entwicklung beobachten und jederzeit entsprechend reagieren, sollten sich Veränderungen ergeben.

Als DATEV die Unternehmensziele für 2020 definiert hat, war die Welt noch eine andere. Ziele aus der Zeit vor Corona sind mittlerweile womöglich obsolet. Werden wir unsere Unternehmensziele in diesem Jahr anpassen müssen?

Oberste Priorität haben die Qualität und Stabilität unserer Produkte und damit verbunden natürlich auch die Kundenzufriedenheit. Diese Ziele werden nie an Gültigkeit verlieren. Möglicherweise haben sie in diesen herausfordernden Monaten, in denen die Kanzleien mehr denn je das Überleben ihrer Mandanten sichern müssen, sogar einen noch größeren Stellenwert als im Normalzustand. Aktuell haben wir auch unsere quantitativen Ziele nicht angepasst, und wir halten das auch nicht für angezeigt. Oberste Priorität hat die Stabilität der DATEV und damit die Leistungsfähigkeit für unsere Mitglieder und Kunden. Wir wissen, worauf es ankommt und was zu tun ist. Umso mehr begeistert es mich, wenn ich gerade sehe, wie wir auch in dieser Phase die organisatorischen Herausforderungen bewältigen. Aus dem Homeoffice sorgen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür, dass wir unseren Kunden als digitaler Partner zur Seite stehen und ihre Betriebsstabilität sichern. Als ­Genossenschaft ist uns auch die Vernetzung unserer Mitglieder wichtig, damit sie sich in der Krise gegenseitig ­unterstützen und Erfahrungen austauschen können.

Am wichtigsten ist, dass die Kanzleien überhaupt weiter ­arbeitsfähig sind. Viele von ihnen arbeiten nämlich auch von zu Hause aus. Unsere Mitarbeiter im Außendienst, im Rechenzentrum und im Service haben in den letzten ­Wochen ­alles getan, damit noch viel mehr Mitglieder als bislang kurzfristig ins Homeoffice wechseln und auf digitalen Kanälen mit ihren Mandanten zusammenarbeiten und sicher Daten austauschen können. Ein erheblicher Teil unserer Mitglieder hat allerdings schon vor der Krise vermehrt auf digitale Zusammenarbeit gesetzt: Mit etwa 230.000 Mandanten waren sie zum Beispiel über unsere Lösung Unternehmen online ­bereits zuvor digital verbunden. Das ­beweist die Leistungsfähigkeit unserer Infrastruktur, in die wir in den letzten Jahren stark investiert haben. Neben der Stabilität und Qualität ­unserer Prozesse und Produkte hat die Gesundheit unserer Mitarbeiter höchste Priorität. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Ende 2020 mit Stolz auf das Erreichte zurückblicken, auch wenn uns wirtschaftlich und organisatorisch ­sicher noch einige Herausforderungen begegnen werden.

Die Zeichen stehen seit vielen Jahren auf Wachstum bei DATEV. Auch 2019 war erneut ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Jahr. Mit 66 Millionen Euro verzeichneten wir ein Umsatzwachstum von 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr und überschritten mit 1,1 Milliarden Euro Gesamtumsatz eine magische Schwelle. Wenn Sie die wirtschaftliche Gesamtsituation für 2020 betrachten: Wie wird sich diese Krise auf den Berufsstand und auf DATEV auswirken? Sehen Sie unsere Umsatz- und Ertragsziele für 2020 gefährdet?

Das ist aktuell noch schwer zu beantworten. Unsere Mitglieder und deren Mandanten waren und sind unterschiedlich stark von der Pandemie betroffen. Die Auswirkungen im ­Berufsstand werden sich aber erst verzögert zeigen, nämlich dann, wenn es darum geht, die Ergebnisse des Jahrs 2020 festzustellen und den Jahresabschluss aufzustellen. Auch hängt es davon ab, wie lange es noch Beschränkungen gibt. Sicher ist aber, dass es an keinem spurlos vorbeigehen wird – auch nicht an DATEV. Und trotzdem können wir mit ruhiger Hand und Bedacht auf die Situation jetzt reagieren. Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass unser ­Geschäftsmodell auch in der Krise tragfähig ist und sich das auch im weiteren Verlauf bestätigen wird. Wir haben in ­unserer ganzen Unternehmensgeschichte seriös und ­nachhaltig gewirtschaftet und dabei eine sehr erfolgreiche Entwicklung genommen. Wir haben eine gesunde Kundenstruktur und sind breit aufgestellt.

Deutschland stürzt mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade in die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, so prophezeien Wirtschaftsexperten. Wie sehen Sie die Situation? Können jetzt schon ohne Glaskugelblick verlässliche Prognosen abgegeben werden?

Dazu eine Aussage zu treffen, ist derzeit noch viel Kaffeesatzleserei. Da gehen auch die Expertenmeinungen sehr weit auseinander. Ich schätze aber die Lage nicht ganz so pessimistisch ein. Es gibt auch Wirtschaftsexperten, die für 2021 einen deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung prognostizieren. Zu den Auswirkungen auf unsere wirtschaftliche Lage können wir derzeit noch keine validen Aussagen treffen. Das hängt von der Dauer und Intensität der Corona-Krise ab und von den Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft in Deutschland und weltweit. Die Entwicklung ist in jeder Hinsicht – medizinisch, wirtschaftlich, politisch – durch derart schnelle Veränderungen gekennzeichnet, sodass seriöse Aussagen über die mittel – und längerfristige wirtschaftliche Entwicklung unserer Genossenschaft nach wie vor nicht möglich sind. Bisher ist DATEV jedenfalls gut durch diese schwierige Zeit gekommen. Ich erwarte, dass sich das Konsumverhalten grundsätzlich verändern wird, weil jetzt andere Produkte und Leistungen gefragt sind. Vieles hängt davon ab, ob und wie schnell die Unternehmen es schaffen, flexibel auf die geänderten Rahmenbedingungen und die veränderten Kundenwünsche zu reagieren. Wer es jetzt angeht, die Veränderungen der Nachfrage für sich zu nutzen, der wird als Gewinner beziehungsweise nicht als so großer Verlierer aus der Krise hervorgehen. Die relativ stabile wirtschaftliche Lage in Deutschland sowie die Förderprogramme, die mit Beginn der Krise und weiterhin auf den Weg gebracht wurden, stimmen mich optimistisch.

Wie entwickeln sich die langfristigen Wachstumsperspektiven von DATEV?

Wir gehen nach wie vor von guten Wachstumszahlen aus. Wir werden auch in dieser Phase stark investieren.

Unternehmen müssen heute sehr viel flexibler und schneller agieren und somit ihre Mitarbeiter selbstständig und verantwortungsbewusst arbeiten lassen. DATEV hat dazu einen Veränderungsprozess angestoßen. Profitieren wir aktuell davon?

Unsere moderne Personal- und Arbeitsplatzstrategie zahlt sich besonders in diesen Zeiten aus. Innerhalb eines Tags konnten wir den überwiegenden Teil unserer Mitarbeiter ins Homeoffice schicken. Wir haben in den letzten Jahren mit Investitionen in unsere mobile Arbeitsplatzstrategie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir einen großen Teil unserer Leistungen von überall erbringen können. Großes Vertrauen in unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – auch bei räumlicher Distanz – und unsere neue Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams sind hier die Grundlage. Die Kultur, Flexibilität und Mobilität zahlen sich jetzt aus. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass sich durch die neuen Arbeitsprozesse keine Einschränkungen in unseren Kerngeschäftsfeldern ergeben werden. Im Gegenteil, wir gehen noch stärker aus dieser Situation hervor. Aber wir beobachten natürlich, wie wir mit diesen Herausforderungen umgehen, bewerten, welche Erkenntnisse wir aus dieser neuen Art, zu arbeiten, gewinnen können und schauen, welchen Nutzen wir daraus ziehen. Möglicherweise ergeben sich noch mal neue Ansätze, die wir mit in die Zukunft nehmen. Wir wollen die Zukunftsfähigkeit unserer Genossenschaft nachhaltig sichern und bei Bedarf noch schneller auf sich ändernden Umfeldveränderungen reagieren. Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, wie schnell es sich in der Welt drehen kann. Diejenigen, die sich schnell und flexibel auf neue Umstände einstellen, werden auch zukünftig erfolgreich sein.

Wie hat sich der Steuerberatermarkt entwickelt und wie verändern sich unsere Kunden und Mitgliederzahlen?

Aktuell zeichnen sich zwei gegenläufige Tendenzen im Steuerberatermarkt ab: Es wird zum einen Mitglieder geben, die in eine wirtschaftlich sehr herausfordernde Phase kommen. Zum anderen gewinnen einige unserer digitalen Lösungen weiter an Relevanz, was uns auch Neumitglieder bescheren kann. Unabhängig von der aktuellen Situation ist bekannt, dass der Anteil an Kanzleien mit nur einem Berufsträger seit ein paar Jahren rückläufig ist. Hinzu kommt die Tendenz zu Zusammenschlüssen und zu angestellten Steuerberatern beziehungsweise zum Syndikus. Das heißt, immer mehr Steuerberater gehen in ein Angestelltenverhältnis über. Im März 2020 zeigen sich derweil durchaus untypische Abweichungen zum Vorjahr. So ist die Zahl der Neumitglieder über und die Zahl der Kündigungen unter dem Vorjahreswert. Insgesamt rechnen wir allerdings damit, dass sich oben beschriebene Tendenzen auch weiter auf unsere Mitgliederzahlen auswirken. Aber die Mitgliederzahlen an sich sind kein geeigneter Indikator für die Leistungsfähigkeit unserer Genossenschaft. Denn sie bildet lediglich die Anzahl der juristischen und natürlichen Personen ab, die im Genossenschaftsregister eingetragen sind, unabhängig davon, ob es sich um eine aktive Kanzlei oder einen angestellten Steuerberater handelt. Die Kundenzahl zeigt dagegen unsere geschäftliche Position viel aussagekräftiger und verdeutlicht, dass unser Geschäftsmodell funktioniert. Zum Geschäftsjahresende im Dezember hatten wir rund 350.000 Kunden und damit einen Anstieg um 16,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Kunden erwarten von Unternehmen heute zunehmend verantwortungsvolles Handeln. Was bedeutet das vor dem aktuellen Hintergrund?

Bei allen negativen Folgen von Corona muss auch gesehen werden, dass insbesondere alle Lösungen und Möglichkeiten rund um die Digitalisierung an Bedeutung gewinnen. Für
unsere Lösungen könnte unter den Eindrücken der Krisensituation auch die Nachfrage steigen. Schließlich zeigt sich in Corona-Zeiten noch ein weiterer positiver Effekt der Digitalisierung: Mit digitalen Prozessen lässt sich vieles auch remote erledigen. Einer der Hauptgründe für die Digitalisierungsskepsis der Menschen ist die Angst vor Jobverlust, wenn Computer immer mehr Tätigkeiten übernehmen. Doch die Krise hat die Vorzeichen kurzfristig grundlegend geändert: Im gegenwärtigen Shutdown zeigt sich, dass digitalisierte Arbeitsplätze gerade mehr Sicherheit bieten. Tätigkeiten, die mithilfe von Technik ausgeführt werden, lassen sich gut auch von zu Hause erledigen und sind weniger anfällig dafür, auf Kurzarbeit gesetzt zu werden. So hat die jetzige Situation einen nachhaltigen Prozess beschleunigt. Deshalb gehen nachhaltiges wirtschaftliches Handeln und eine nachhaltige wirtschaftliche Unternehmensstrategie Hand in Hand. Für uns bedeutet das, dass wir unser Handeln nicht auf kurzfristige Gewinne und Ergebnisse ausgelegt haben – auch nicht in Zeiten von ­Corona. Trotz all der Veränderungen, die wir vornehmen, um schneller und flexibler zu werden, steht DATEV für eine zukunftsfähige Stabilität, um die Geschäftsfähigkeit und den Erfolg unserer Kunden auch langfristig zu sichern.

Mehr dazu

finden Sie ab 10. Juli 2020 unter www.datev.de/geschaeftsbericht

Um einen breiteren Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Lage im Mittelstand zu erlangen, hat DATEV eine regelmäßige Befragung unter ihren Mitgliedskanzleien gestartet: www.datev.de/corona-barometer

Zu den Autoren

VJ
Verena Junker

Verena Junker

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Kerstin Putschke

Chefredakteurin DATEV magazin

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