Steuerberatung im Wandel - 21. Dezember 2023

10 Thesen zur Zukunft des Berufsstands

Die Steuerberatung verändert sich. Doch was ist dran an den Thesen rund um die Zukunft des Berufsstands, die auch uns in unseren Recherchen und Gesprächen für das DATEV magazin immer wieder begegnen? Die beiden Vorstandsmitglieder Prof. Dr. Christian Bär und Prof. Dr. Peter Krug äußern sich hier zu zehn – zugegeben – provokanten Thesen.

1. These: Der Fachkräftemangel existiert gar nicht.

Steuerberatung ist auch in Krisenzeiten ein Beruf mit Zukunft. Die Kompetenz der Steuerberater war in den vergangenen Jahren gefragt und gefordert wie nie, die Nachfrage wird ungebrochen hoch bleiben. Natürlich sind aber auch Kanzleien vom Fachkräftemangel betroffen – sogar stärker als andere Branchen. Allerdings gibt es einen Unterschied: Ihre Ausgangssituation ist besser. Wer also bei der Nachwuchssuche auf die hervorragenden Zukunftsperspektiven setzt, hat schon einmal gute Karten. Damit ist es aber nicht getan. Es wird zunehmend wichtiger, die Kanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeiter durch attraktive Angebote – und damit ist nicht der viel beschworene Obstkorb gemeint – zu binden und die eigene Kanzlei attraktiv aufzustellen. Hier ist die Kanzleileitung gefordert, eine Kanzleikultur zu schaffen, die zum Bleiben einlädt. Investieren Sie in die Aus- und Weiterbildung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nutzen Sie die Möglichkeiten der Digitalisierung, um Freiräume zu schaffen. DATEV ist auch hier Partner an Ihrer Seite.

2. These: KI schafft den Berufsstand ab.

Durch generative KI wie ChatGPT lassen sich bereits heute mehr als repetitive Aufgaben lösen. KI ist in der Lage, Lösungen für einfache Probleme zu generieren. So lassen sich Zeit und Ressourcen einsparen, und dies bei höherer Effizienz. Fachexperten werden damit nicht überflüssig, da in der Steuerberatung weiterhin deren Fähigkeiten und Erfahrungen unabkömmlich sind, um komplexe steuerliche Angelegenheiten zu verstehen und zu lösen. Der Steuerberater ist und bleibt der unverzichtbare strategische Partner, denn gerade in der Beratung und Betreuung braucht es den menschlichen Faktor. Die neue Technologie sollte Sie also nicht ängstigen. Wir sollten vielmehr die Chancen sehen, und unsere Zukunft aktiv unter Nutzung von künstlicher Intelligenz gestalten und mit der richtigen Balance von menschlichem Fachwissen und KI-Unterstützung Mehrwert für Mandanten schaffen. Dabei geht DATEV nicht jeden Hype mit, sondern arbeitet an sinnvollen, nützlichen und an der Praxis orientierten Lösungen für Sie, unsere Mitglieder und Kunden.

3. These: Die EU überreguliert den Berufsstand in Deutschland.

Die Reformbestrebungen der EU in allen Ehren, bisweilen schießt sie übers Ziel hinaus. In Summe überreguliert die Politik in Berlin und Brüssel Unternehmen. Das betrifft die Steuerberater doppelt: als Unternehmen und als Unterstützer für die Unternehmen, um die Herausforderungen mit abzufangen. Und auch das Thema Freiberuflichkeit landet immer wieder mal auf dem Tisch der EU. Steuerberatung als Vorbehaltsaufgabe ist eine deutsche Regelung, im EU-Ausland stellt sich das teilweise grundlegend anders dar. Weitgehende Harmonisierung existiert im Steuerrecht bislang nur im Bereich der indirekten Steuern, insbesondere der Umsatzsteuer. Bei den direkten Steuern überwiegen die Unterschiede. Zwar werden einige Mitgliedstaaten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit in Zukunft ihre Steuersysteme einander annähern. Steuergesetzgebung ist aber weiter Aufgabe der Mitgliedstaaten – und deshalb sollten Harmonisierungsbestrebungen gezielt auf wirklich europaweit relevante Punkte konzentriert werden.

4. These: Der Berufsstand muss mehr Veränderungsbereitschaft zeigen.

Dem Berufsstand geht es gut, heißt es weiterhin. Das ist auch richtig. Jedoch, wem es gut geht, der neigt dazu, in Stillstand zu verharren – das Schlechteste, was Kanzleien in ihrer aktuellen Position der Stärke passieren kann. Blicken wir nur mal drei, vier Jahre zurück: Wie schnell und ungeahnt können gravierende Veränderungen den Kanzleialltag durcheinanderwirbeln? Wer hätte Anfang 2020 eine Pandemie erwartet, die den Berufsstand drei Jahre lang in Atem hält und manche Branche in die Knie zwingt? Wer hätte mit einem Krieg in Europa gerechnet? Wer mit einer Inflation? Wer hat die riesigen Sprünge in der KI vorausgesehen? Jeder muss darauf vorbereitet sein, dass von heute auf morgen grundsätzliche Veränderungen für das eigene Geschäftsmodell anstehen. Bei allen Herausforderungen muss der Blick in die Zukunft gerichtet sein, sodass Sie Ihre Kanzlei mit Kompetenzen, Abläufen und Strukturen resilient aufstellen.

5. These: Wer sein Geschäftsmodell nicht überdenkt, hat keine Zukunft.

Angenommen Ihre Kanzlei gleicht einem Gemischtwarenladen, Sie betreuen sowohl kleine als auch große Mandate, digitale wie analoge. Dann sollten Sie sich fragen, wie lange diese Alles-was-geht-Mentalität noch funktioniert. Branchenspezifische Gesetze, Regelungen und Sonderlocken sind eher an der Tagesordnung, machen den Alltag Ihrer Angestellten komplexer und komplizierter. Aber auch Ihre Beschäftigten sollten entscheiden, ob sie analog oder digital mit den Mandanten zusammenarbeiten möchten. Und Sie als Kanzleiinhaber sollten Ihre Mitarbeiter entlasten, indem Sie Mandanten Grenzen setzen, in deren Rahmen die Zusammenarbeit stattfindet. Beispielsweise in größeren Gemeinden und Städten hingegen lohnt es sich, über Branchenspezialisierungen nachzudenken. So können Sie Ihre Mandanten noch besser mit dem unterstützen, was den Kern des steuerberatenden Berufsstands ausmacht: Beratung. Klar ist aber: Es gibt keine einfachen Patentrezepte. Jede Kanzlei muss ihren Weg finden – aber eben auch bewusst suchen.

6. These: Der Berufsstand muss international denken und handeln.

Bereits vor der Pandemie haben sich viele Kanzleien mit E-Commerce auseinandergesetzt, da zahlreiche Mandanten Online-Shops eröffnet hatten. Ihre Mandanten haben damit nicht mehr nur regionale Kunden, sondern internationale. Und so, wie sich das Geschäft Ihrer Mandanten internationalisiert, wird es Ihre Kanzlei gleichermaßen müssen. Es ist jetzt an der Zeit, sich Kompetenzen für grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr anzueignen, um aktuelle Mandate, die sich internationalisieren möchten, zu halten und neue, lukrative Mandate anzunehmen. Qualifizieren Sie mindestens einen, besser mindestens zwei Ihrer Angestellten mit Wissen zu internationalem Handel.

7. These: Das Modell Genossenschaft rettet den Berufsstand.

Seit 1966 setzt sich DATEV für den Berufsstand ein und unterstützt ihn seither in allen Belangen. Die Genossenschaft agiert dabei frei von Zwängen wie Shareholder Value und setzt auf Member Value – die effiziente und nach Bedarf orientierte Arbeit für den Berufsstand. Das ermöglicht es DATEV beispielsweise, bei unvorhergesehenen Ereignissen schnell zu reagieren und stets das höchste Maß an Aktualität sicherzustellen – denken Sie nur an die zahlreichen kurzfristigen Gesetzesänderungen 2020 und 2021. Als Genossenschaft ist es unser Ziel, unterschiedlichen Interessen unserer Mitlieder nachzukommen. Das gilt für die Einzelkämpferkanzlei genauso wie für die Großkanzlei. Letztlich müssen in Summe alle Kanzleien ja auch die Interessen aller deutschen Unternehmen abbilden.

8. These: Wohlbefinden ist der Deckungsbeitrag der Zukunft.

Kennen Sie den Ausspruch? Mandanten gibt es wie Sand am Meer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingegen sind schlechter zu finden als Schatzkisten im Sand. Früher befürchtete Honorardiskussionen mit den Mandanten sind in den Hintergrund getreten, da heute Kanzleien sich eher überlegen, welche Mandanten sie abgeben, als woher sie neue erhalten. Die Demografie und die rückläufige Selbstständigenquote im Berufsstand führen dazu, dass die Suche nach einem Steuerberater sich für die Unternehmen heute meist sehr schwierig gestaltet. Da auch der Markt der Steuerfachangestellten schrumpft, bedeutet das für die Kanzleien, stärker auf die Mitarbeiterbindung zu setzen. Die neue Währung lautet Wohlbefinden – und zwar das Ihrer Angestellten. Nur wenn diese sich bei Ihnen wohlfühlen, weil ihre Leistung honoriert wird, weil sie ein modernes Arbeitsumfeld vorfinden und weil sie ihren Job mit ihrem Privatleben vereinbaren können, bleiben diese zufriedenen Mitarbeiter gerne in diesem Arbeitsumfeld. Dabei ist ein gutes Gehalt nur ein Baustein für das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter – Wertschätzung lässt sich noch auf vielen anderen Wegen ausdrücken, wie etwa durch Feedback- und Lernkultur, flexible Arbeitszeit- und -ortsmodelle sowie Verantwortungsübertragung. Das heißt nicht, die Mandanten weniger zu (be)achten – ganz im Gegenteil. So wie für DATEV unsere Mitglieder im Mittelpunkt stehen, stehen für Sie Ihre Mandanten im Mittelpunkt. Diesem Anspruch können Sie mit zufriedenen Mitarbeitern gerecht werden.

9. These: In der Cloud sind unsere Daten nicht sicher.

Um das zu verstehen, braucht es zunächst eine Begriffsklärung. Sprechen wir von Rechenzentrum, meinen wir das Gebäude, die Versorgungstechnik und die System-Hardware. Die Cloud hingegen ist ein sogenannter Technologie-Stack, der auf unseren Systemen in unserem Rechenzentrum läuft. In dieser sicheren Umgebung haben wir eine neue Infrastruktur aufgebaut, das Cloud Native-RZ. Darüber werden künftig alle sensiblen Daten unserer Kernanwendungen gehostet. Wir weichen also nicht auf europäische oder gar amerikanische Public Clouds aus, vielmehr befinden wir uns immer in der Private Cloud der Genossenschaft. Die Daten im Cloud Native-RZ können wir ganz anders und besser schützen als jeder Einzelne in der Kanzlei. Wir investieren viel dafür. Das könnten Einzelne nicht schaffen. Auch dafür ist DATEV als Genossenschaft da. Um die Sicherheit noch weiter zu erhöhen, setzt DATEV auf einen Pool von mehreren Rechenzentren, die räumlich voneinander getrennt sind. Fällt ein Rechenzentrum aus, können die anderen Standorte problemlos die Verarbeitung der Daten übernehmen. Jeder Standort verfügt über unabhängige Stromversorgungen, Notstromgeneratoren und Netzwerkverbindungen sowie über mehrere unabhängige Glasfaserstrecken, die die Verbindung zwischen den Rechenzentren herstellen.

10. These: Die technologische Abhängigkeit von US-Anbietern ist fatal.

Nicht nur wir als DATEV, sondern auch Sie als unsere Mitglieder, Kunden und Partner arbeiten mit amerikanischen Systemen, allen voran mit Microsoft und Apple oder sogar mit beiden. Die großen international agierenden Technologiekonzerne legen alle mit der Strategie „Cloud first“ den Fokus auf die Weiterentwicklung von Cloud-Lösungen, geben damit also die technologische Marschroute für die kommenden Jahre vor. Dass wir als DATEV dieser folgen müssen, liegt klar auf der Hand. Denn würden wir das nicht tun, würden wir uns selbst in der IT-Landschaft isolieren, die ja gerade auch von der leichten Vernetzung der Systeme untereinander lebt. Realistisch betrachtet kommt man an den großen amerikanischen Konzernen, den Hyperscalern, nicht vorbei. Genau hier leben wir schon gute langjährige Partnerschaften mit den entsprechenden namhaften Herstellern weltweit. So bekommen wir Zugang zu neuesten Entwicklungen, um unsere Angebote für Sie auf dem Stand der Technik zu halten.

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Zu den Autoren

Birgit Schnee

Redaktion DATEV magazin

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